LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6214 10.05.2019 Datum des Originals: 07.05.2019/Ausgegeben: 15.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2239 vom 2. April 2019 des Abgeordneten Alexander Vogt SPD Drucksache 17/5653 Wie bewertet die Landesregierung die wirtschaftliche Bedeutung des Steinkohlekraftwerksstandortes Herne? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit dem Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (umgangssprachliche „Kohlekommission“) sind auch weitergehende Fragen zur Zukunft der Steinkohlekraftwerksstandorte aufgetreten. Mit dem Abbau von Kraftwerkskapazitäten soll die Steinkohleverstromung einen vergleichbaren Anteil zum Ausstieg aus der Kohleverstromung leisten wie die öffentlich stärker beachtete Braunkohleverstromung. Im Unterschied zur Situation der Braunkohlestandorte (insbesondere auch der Förderreviere) wird die Situation der Steinkohlekraftwerksstandorte im Abschlussbericht aber nur sehr zurückhaltend thematisiert. Insbesondere finden sich (abgesehen von der Perspektive auf den teilweisen Ersatz durch Gaskraftwerke am gleichen Standort) keine Vorschläge für konkrete Strukturwandelmaßnahmen an den Standorten. Ebenso bleibt die finanzielle Ausstattung für etwaige Strukturhilfen an den Steinkohlestandorten unklar. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Bodo Löttgen sprach in diesem Zusammenhang in der Plenardebatte am 20.02.2019 von noch zu verteilenden Sondermitteln, die in keiner Konkurrenz zu den für die Braunkohlestandorte vorgesehenen Mitteln stünden. Diese Position findet sich auch im Entschließungsantrag von CDU und FDP (17/5179). Hier heißt es wörtlich: „(…) Standorte von Steinkohlekraftwerken erhalten bei besonderer Betroffenheit eigene, von den Mitteln für Braunkohlereviere unabhängige, Strukturmittel. (…)“. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2239 mit Schreiben vom 7. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6214 2 1. Welche über die Energiegewinnung hinausgehenden verbundwirtschaftlichen Beziehungen bestehen am Steinkohlekraftwerksstandort Herne (Nutzung von Druck und Dampf an Industriestandorten, Fernwärme, Weiternutzung von Nebenprodukten)? Das Heizkraftwerk Herne der STEAG GmbH erzeugt aktuell mit einer installierten Leistung von 511 MW elektrisch im Block 4 Strom aus Steinkohle. Zusätzlich zur Stromerzeugung wird am Standort Herne Wärme für die Fernwärme in KWK mit einer Fernwärmeleistung von bis zu 550 MJ/s erzeugt. Diese Wärme wird in die Fernwärmeschiene Ruhr der STEAG Fernwärme GmbH eingespeist und zudem auch dem Fernwärmeversorger Uniper Fernwärme GmbH zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden am Standort zertifizierte Kraftwerksnebenprodukte wie Flugasche und REA-Gips produziert. 2. Finden alle diese Nutzungen begrenzt auf die kreisfreie Stadt Herne statt? Die in der Antwort zur Frage 1 angeführten Nutzungen sind nicht auf die kreisfreie Stadt Herne begrenzt. Die Fernwärme dient der regionalen Versorgung mit Wärme im Ruhrgebiet. Die Kraftwerksnebenprodukte aus dem Standort Herne werden durch die STEAG Power Minerals GmbH regional und überregional vermarktet. 3. Wie beurteilt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die im Kommissionsbericht enthaltene Empfehlung, Strukturhilfen für Steinkohlestandorte von einem Anteil von 0,9 Prozent der regionalen Wertschöpfung abhängig zu machen? Die Landesregierung begrüßt den Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ nicht zuletzt auch deshalb, weil die Kommission die Forderung der Landesregierung aufgegriffen hat, dass auch die von einem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffenen Steinkohlekraftwerksstandorte ebenfalls Strukturhilfen erhalten sollen. Die Kommission empfiehlt, Strukturhilfen zu leisten, wenn der Anteil der Steinkohlewirtschaft an der regionalen Wertschöpfung von erheblicher Relevanz ist. Aktuell berät die Bundesregierung darüber, ab welchem Anteil der Steinkohlewirtschaft an der regionalen Wertschöpfung diese von erheblicher Relevanz ist. Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat als Orientierungsmaßstab einen Anteil von 0,9% genannt. Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass das Mitteldeutsche Braunkohlenrevier mit 0,9% den geringsten Anteil der Braunkohlewirtschaft an der regionalen Wertschöpfung der betroffenen Braunkohlereviere aufweist. Laut einer RWI-Untersuchung ist bezogen auf das Jahr 2016 der Kreis Unna mit einem Anteil der Steinkohlenwirtschaft von 1,39% an der gesamten Wertschöpfung in Nordrhein-Westfalen am stärksten betroffen. Es folgen die Stadt Hamm mit einem Anteil der Steinkohlenwirtschaft an der Wertschöpfung von 0,97% und die Stadt Herne mit einem Anteil von 0,8%. Ziel der Landesregierung bei den Verhandlungen in Berlin ist, dass möglichst viele Steinkohlekraftwerksstandorte in Nordrhein-Westfalen von den Strukturhilfen des Bundes profitieren können, wenn sie von dem Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffen sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6214 3 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu am Standort Herne geplanten Maßnahmen der Folgenutzung des Steinkohlekraftwerksstandortes vor, insbesondere mit Blick auf die von Minister Prof Dr. Pinkwart öffentlich in Aussicht gestellte Umrüstung auf den Energieträger Gas? Nach Informationen der Landesregierung wird am Standort Herne die bestehende Kraftwerksanlage nicht auf Erdgas umgerüstet. Es ist die Errichtung eines neuen Gas- und Dampfkraftwerks (GuD) Herne Block 6 geplant. Welche Steinkohlekraftwerke zu welchem Zeitpunkt vom Ausstieg aus der Kohleverstromung betroffen sein werden und vollständig stillgelegt werden, ist derzeit nicht absehbar. Dies ist eine unternehmerische Entscheidung, die auf Grundlage der von der Bundesregierung mit den Kraftwerksbetreibern zu führenden Verhandlungen aufsetzt. Insofern liegen der Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt auch noch keine Erkenntnisse über mögliche Folgenutzungen der einzelnen Kraftwerksstandorte vor. 5. In welcher Dimension bewegen sich die von Herrn Löttgen erwähnten Sondermittel nach Wissensstand der Landesregierung (bitte unter Angabe des Verteilschlüssels für den Standort Herne)? Im Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ heißt es, dass für die Strukturhilfen an betroffenen Steinkohlestandorten „zusätzliche Mittel“ bereitgestellt werden sollen. Sowohl die Höhe der Sondermittel für die Steinkohlekraftwerksstandorte als auch deren Verteilschlüssel sind Gegenstand der derzeitigen Beratungen der Bundesregierung. Die Landesregierung setzt sich für ein angemessenes Budget und einen fairen Verteilschlüssel ein.