LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 13.05.2019 Datum des Originals: 10.05.2019/Ausgegeben: 16.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2290 vom 11. April 2019 der Abgeordneten Inge Blask und Sonja Bongers SPD Drucksache 17/5747 Datenabfrage Verbraucherinsolvenzberatung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist laut dem Schuldneratlas 2018 von Creditreform seit 2014 zum fünften Mal in Folge angestiegen. Zum Stichtag 1. Oktober 2018 wurde für Deutschland eine Überschuldungsquote von 10,04 Prozent gemessen. NRW liegt auf Platz 4 im Länderranking mit einer Überschuldungsquote von 11,7%. Auch im Langzeitvergleich 2004-2018 weist NRW die stärkste Zunahme von Überschuldungsfällen im Ländervergleich auf. Im Großstadt-Ranking sind die letzten drei Plätze mit den Ruhrgebiets- Städten Essen (14%), Dortmund (14,5%) und Duisburg (17%) belegt. Auch im Langzeit- Vergleich sieht man, wie schlecht es um die Ruhrgebietsstädte bestellt ist: Hier liegen mit Herne (18%, Zuwachs seit 2004: 5%) und Gelsenkirchen (18%, seit 2004: 4%) zwei unter den fünf Städten, die seit 2004 die höchsten Anstiege der Überschuldungsquote zu erleiden hatten. Das Land NRW hat im Rahmen der Verbraucherinsolvenzberatung ein Förderprogramm- Controlling der Verbraucher-Insolvenzberatung eingerichtet. Über ein Eingabe-Tool, das von „d-nrw“ AöR verwaltet wird, müssen dort alle Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in NRW jährlich Daten und Kennzahlen zu den durchgeführten Beratungen weitergeben. Bereits im letzten Jahr wurde in einer Kleinen Anfrage (Nr. 1790/Drucksache 17/4426) um die Herausgabe der Daten aus dem Förderprogramm-Controlling gebeten. Diese wurden dann mit Schuldner- und InsolvenzberaterInnen aus der Praxisperspektive heraus analysiert. Daraus ergeben sich weitere Folgefragen, um deren Beantwortung wir die Landesregierung bitten: Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2290 mit Schreiben vom 10. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 2 1. Liegen inzwischen die Daten aus der Erhebung für 2017 und 2018 vor? (Bitte gemäß Drucksache 17/4426 aufführen) Die für den Controllingbericht notwendigen Daten werden von den Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen mit Frist zum 01.04. eines jeden Jahres an die Bezirksregierung Düsseldorf übermittelt. Da in der Regel nicht alle Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen fristgerecht melden, liegen die Daten im Mai/ Juni eines Jahres vollständig vor, um zur Erarbeitung des Controllingberichts an IT.NRW weitergeleitet zu werden. Insofern erfolgt die Fertigstellung der mit den Trägern abgestimmten Auswertung in der Regel im vierten Quartal eines jeden Jahres. Vor diesem Hintergrund liegt der Controllingbericht 2018 Ende 2019 vor. Die Daten aus der Erhebung für das Jahr 2017 liegen vor. Die Zahl der Beratungsfälle in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen ist demnach von 2007 bis 2017 insgesamt von 182.531 auf 159.245 gesunken und betrug damit weitere 4.023 Beratungsfälle weniger als 2016. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzberatungen, die die Beratungsfälle umfasst, die in ein Verbraucherinsolvenzverfahren führen können, sank im oben genannten Zeitraum von 45.825 auf 38.873 und damit von 2016 auf 2017 nochmal um 85. Die Zahl der Schuldnerberatungen in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen, die die Beratungsfälle beziffert, die nicht in eine Verbraucherinsolvenzberatung führen, ist im Zeitraum von 2007 bis 2017 ebenfalls von 46.651 auf 46.464 leicht gesunken (2016: 50.090). Die Zahl der Kurzberatungen in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein- Westfalen nahm im gleichen Zeitraum von 90.055 auf 73.908 ab (2016: 74.220). Die Fachkraft-Vollzeitäquivalente in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen sind im Zeitraum von 2007 bis 2017 von 448,7 auf 451,2 gestiegen (2016: 463,6). Die Wartezeiten bei der Neuaufnahme von Verbraucherinsolvenzberatungsfällen sind zurückgegangen. Konnte in 2007 45 % der Ratsuchenden innerhalb eines Monats ein erstes Beratungsgespräch angeboten werden, waren dies in 2017 bereits 55,7 % (2016: 54,2 %). Die jährliche Landesförderung für die Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein- Westfalen wurde 2018 von 5.561.700 Euro um 650.000 Euro auf 6.211.700 Euro erhöht. Die anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen haben folgende Daten für die Jahre 2007 bis 2017 im Einzelnen übermittelt: 2007 2008 2009 2010 2011 Gesamt 182.531 171.503 176.703 179.616 182.028 Verbraucherinsolvenzberatung 45.825 47.276 49.475 51.376 51.116 Schuldnerberatung 46.651 45.808 46.758 48.496 50.544 Information/ Kurzberatung 90.055 78.419 80.470 79.744 80.368 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Gesamt 177.072 177.461 173.653 166.042 163.268 159.245 Verbraucherinsolvenzberatung 46.762 46.813 45.031 42.193 38.958 38.873 Schuldnerberatung 49.632 49.607 48.753 49.444 50.090 46.464 Information/ Kurzberatung 80.678 81.041 79.869 74.405 74.220 73.908 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 3 Im Jahr 2017 lag die Versorgungsdichte in der anerkannten Verbraucherinsolvenzberatung bei drei Fachkraft-Vollzeitäquivalenten pro 100.000 Einwohner in Nordrhein-Westfalen. Eine Auswertung zu lokalen Schwerpunkten liegt nicht vor. Die Daten zu den einzelnen Kommunen bieten aber mögliche Erkenntnisse: Kommune Fachkraft Vollzeitäquivalente Fachkraft Vollzeitäquivalente pro 100.000 Einwohner (über 18 Jahre) Bielefeld 5,9 2,1 Bochum 9,7 3,1 Bonn 7,4 2,8 Bottrop 3,1 3,1 Dortmund 14,5 3 Duisburg 22,5 5,4 Düsseldorf 19,8 3,8 Essen 13,2 2,7 Gelsenkirchen 12,9 6 Hagen 4,1 2,6 Hamm 8 5,4 Herne 1,6 1,2 Köln 39,4 4,4 Krefeld 8 4,2 Leverkusen 4 3 Mönchengladbach 5,3 2,4 Mülheim 3,8 2,6 Münster 8,3 3,1 Oberhausen 4,1 2,3 Remscheid 2,5 2,7 Solingen 3,9 3 Wuppertal 10,8 3,7 Städteregion Aachen 17,8 3,8 Kreis Borken 9,5 3,2 Kreis Coesfeld 3,4 1,9 Kreis Düren 5,8 2,7 Ennepe-Ruhr-Kreis 6,7 2,4 Kreis Euskirchen 5,1 3,2 Kreis Gütersloh 8,1 2,7 Kreis Heinsberg 7 3,3 Kreis Herford 5,9 2,8 Hochsauerlandkreis 6,8 3,1 (…) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 4 Kommune Fachkraft Vollzeitäquivalente Fachkraft Vollzeitäquivalente pro 100.000 Einwohner (über 18 Jahre) Kreis Höxter 2 1,7 Kreis Kleve 8,7 3,4 Kreis Lippe 6,3 2,2 Märkischer Kreis 8,1 2,4 Kreis Mettmann 15 3,7 Kreis Minden-Lübbecke 6,1 2,4 Oberbergischer Kreis 8,3 3,7 Kreis Olpe 2,1 1,8 Kreis Paderborn 7,9 3,1 Kreis Recklinghausen 16,9 3,3 Rhein-Erft-Kreis 5,9 1,5 Rhein-Sieg-Kreis 9,4 1,9 Rheinisch-Bergischer Kreis 6,4 2,7 Rhein-Kreis Neuss 13,2 3,6 Kreis Siegen-Wittgenstein 6,2 2,6 Kreis Soest 4,5 1,8 Kreis Steinfurth 10,6 2,9 Kreis Unna 7,6 2,3 Kreis Viersen 5,5 2,2 Kreis Warendorf 4,5 2 Kreis Wesel 7,1 1,8 NRW gesamt (Rundungsdifferenzen) 451,2 3 Im Jahr 2017 waren 53,2 % der Ratsuchenden in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen männlichen und 46,8 % weiblichen Geschlechts. 51,9 % der Ratsuchenden in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen waren zwischen 30 und 49 Jahre alt. Insgesamt ergibt sich folgende Altersstruktur: Gesamt <20 Jahre 0,90% 20-29 Jahre 16,90% 30-39 Jahre 26,70% 40-49 Jahre 25,20% 50-60 Jahre 19,40% >60 Jahre 10,00% Unbekannt 1,00% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 5 Der überwiegende Teil der Ratsuchenden in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen hat die deutsche Staatsangehörigkeit: Gesamt Deutsch 65,50% Deutsch mit Zuwanderungsgeschichte 9,90% Andere 11,50% Nicht-EU 10,80% Ungeklärt 0,30% Unbekannt 2,00% Insgesamt war im Jahr 2017 mit 31,9 % der größte Anteil der Ratsuchenden in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen ledig: Gesamt Ledig 31,90% Verheiratet 23,90% Verwitwet 3,60% Geschieden 18,10% Getrennt lebend 11,10% Nichteheliche Lebensgemeinschaft 10,20% Unbekannt 1,20% Daten zu Haushaltsgröße, Zahl der Kinder und zum Erwerbsstatus liegen nicht vor. Im Jahr 2017 gaben insgesamt 15.982 Schuldnerinnen und Schuldner in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen an, Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zu erzielen. Der Landesregierung liegen zum Auslöser der Überschuldung keine Daten vor. In 32,20 % der Verbraucherinsolvenzberatungsfälle in den anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen liegt eine Schuldenlast zwischen 10.000 und 25.000 Euro vor: Gesamt <10.000 € 23,20% 10.000-25.000 € 32,20% 25.000-50.000 € 24,80% 50.000-100.000 € 12,10% >100.000 € 6,30% Unbekannt 1,40% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 6 2. Wie verteilen sich die Fallzahlen der Verbraucherinsolvenzberatung auf die einzelnen Beratungsstellen? Eine Auswertung der Verteilung der Verbraucherinsolvenzberatungsfälle auf die einzelnen Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen erfolgt nicht. Es liegt aber eine Auswertung der Verbraucherinsolvenzberatungsfälle je Träger vor: Träger Verbraucherinsolvenz - beratungsfälle 2017 AWO 4.534 Beratungsstelle Unternehmen 100 Caritas/ kath. Kirche 10.900 Diakonie/ ev. Kirche 11.607 DPWV 2.552 DRK 831 Gewerblicher Betreiber 912 Kommune 4.038 Sonstiger gemeinnütziger Betreiber 1.412 Verbraucherzentrale NRW 1.987 3. Wie bewertet die Landesregierung die Notwendigkeit, den Verteilerschlüssel aus dem Jahr 1999 auf Aktualität und Sinnhaftigkeit zu überprüfen? Die Verbraucherinsolvenzberatung wird im Rahmen freiwilliger Leistungen seit 1999 gefördert. Grundlage der Förderung bilden die zur Verfügung stehenden Fachkraft-Vollzeitäquivalente, die auf Basis der Einwohnerzahlen als Bezugsgröße auf die Kreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Die Verteilung innerhalb der Kreise und kreisfreien Städte erfolgt nach Absprache mit und unter den Trägern. Vor dem Hintergrund der Novellierung des AG InsO zum 01.02.2019 werden derzeit die Anerkennungsrichtlinien für die Verbraucherinsolvenzberatung in Nordrhein-Westfalen in Absprache mit den Trägern und der Bezirksregierung Düsseldorf überarbeitet. Im Anschluss daran sollen die Förderrichtlinien für die Verbraucherinsolvenzberatung in Nordrhein- Westfalen entsprechend geprüft und ggf. angepasst werden. 4. Wie schlüsselt die Landesregierung die Datenerhebung für die geförderten Fachkraft-Vollzeitäquivalente im Hinblick auf eine separate Betrachtung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung auf? Das Land Nordrhein-Westfalen fördert die Verbraucherinsolvenzberatung. Die Förderung der Schuldnerberatung liegt in der Verantwortung der Kommunen. Daten der geförderten Fachkraft-Vollzeitäquivalente im Hinblick auf die Schuldnerberatung liegen der Landesregierung deshalb nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6218 7 5. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung aus der Analyse ihres Förderprogrammcontrollings gewonnen bzw. welche Konsequenzen sind daraus in den letzten fünf Jahren gezogen worden? Wie aus der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1790 (Drucksache 17/4749) hervorgeht, sind in der Verbraucherinsolvenzberatung in Nordrhein-Westfalen sowohl die Zahlen der Beratungsfälle als auch die Wartezeiten in den vergangenen fünf Jahren deutlich gesunken. Zugleich ist die jährliche Landesförderung von 5.561.700 Euro auf 6.211.700 Euro seit dem Jahr 2018 gestiegen. Neben der Erhöhung der jährlichen Landesförderung hat die Landesregierung die Verbraucherinsolvenzberatung Nordrhein-Westfalen im Rahmen von Projektförderungen zum Beispiel für den Aus- und Aufbau einer zentralen Webpräsenz (www. fachberatung-schuldnerberatung-nrw.de) oder die Weiterentwicklung praktischer Arbeitshilfen zusätzlich fachlich unterstützt. Darüber hinaus fördert die Landesregierung jährlich die Ausrichtung eines Fachtags durch die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen.