LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6224 13.05.2019 Datum des Originals: 13.05.2019/Ausgegeben: 16.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2262 vom 9. April 2019 des Abgeordneten Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5704 Auswirkungen eines dem MWIDE vorliegenden Entwurfes einer Neukonzeption durch Entkoppelung von Standort- und Mengensteuerung in einem Regionalplan – Will die Landesregierung am Landtag vorbei die Zersiedlung der Siedlungsflächen und die weitere Verknappung landwirtschaftlicher Flächen vorantreiben? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Dem MWIDE wurde ein von der bisherigen raumordnerischen Planungsphilosophie grundsätzlich abweichendes Modell zur Festlegung der Siedlungsbereiche im Bereich der Bezirksregierung Detmold vorgeschlagen, das im Falle seiner Realisierung erhebliche Auswirkungen auf ganz NRW hätte. Die Festlegung der Siedlungsbereiche (Allgemeine Siedlungsbereiche (ASB) und Gewerbeund Industriebereiche (GIB)) erfolgt bisher auf Basis der aktuell geltenden landesgesetzlichen Vorgaben des LEP durch eine mengenmäßige Bedarfsberechnung. Anschließend erfolgt im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche an den Raum (Freiraumbelange, Flächen für die Landwirtschaft etc.) die planerische Darstellung im Regionalplan. Das neue Modell sieht nun vor, das zuerst ein maximal mögliches Angebot an Potenzialflächen für die ASB- und die GIB-Bereiche im Regionalplan dargestellt wird. Die bedarfsgerechte Steuerung erfolgt dann nachrangig im Rahmen der Anpassungsverfahren für die kommunale Bauleitplanung. Die Bezirksregierung Detmold begründet den Willen zur Einführung dieses Modells vorrangig mit einer Erhöhung der kommunalen Flexibilität, der Reduzierung von Regionalplanänderungen und einer Stärkung der Siedlungsentwicklung. Eine juristische Prüfung der Bezirksregierung und eine juristische Vorprüfung der Landesplanungsbehörde sollen eine grundsätzliche Konformität mit den aktuell geltenden und auch zukünftig geltenden LEP-Vorgaben ergeben haben. Auf Basis dieser ersten Prüfung soll allem Anschein nach das Modell in den Entwurf der Fortschreibung des Regionalplans OWL in die Praxis überführt werden. Die Bezirksregierung Detmold erwartet offensichtlich von der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6224 2 Landesplanungsbehörde eine schriftliche Bestätigung der Konformität mit den bundes- und landesgesetzlichen Grundlagen, um dem Regionalrat auf dieser Basis dann einen Erarbeitungsbeschluss vorzulegen. Den Erarbeitungsbeschluss, und damit den Einstieg in das formale Planverfahren, soll der Regionalrat Detmold noch im Jahr 2019 fassen. Es gibt aber auch Hinweise, dass insbesondere erhebliche Konflikte im Zusammenhang mit dem Ziel 6.1-1 des LEP vorliegen und auch bei fachlicher Sicht und vor dem Hintergrund des Raumordnungsgesetzes (ROG) festzustellen sind. Denn mit diesem Ziel ist nicht nur die bedarfsgerechte Darstellung der Flächennutzungspläne, sondern insbesondere auch die bedarfsgerechte Festlegung der Siedlungsbereiche in den Regionalplänen als Ziel der Landesplanung festgelegt. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wie ein in den Außenbereich expandierender Planungsansatz mit den Klima- und Umweltzielen, mit nachhaltiger Mobilität und der Anpassung an den demografischen Wandel (nach IT.NRW Stagnation der Bevölkerungsentwicklung bis 2040, Überalterung der Gesellschaft) in Übereinstimmung gebracht werden kann. Zudem wird durch das Modell das „Bauen auf der grünen Wiese“ durch das Vorhalten eines größeren Flächenangebotes im Außenbereich stark forciert und tritt damit in verschärfte Konkurrenz zum Schutz des Freiraums und dem Erhalt heute schon knapper landwirtschaftlicher Nutzflächen. Ein bedarfsgerechtes Flächenangebot (nicht zu viel und nicht zu wenig) ist zur Vermeidung von Immobilienblasen und zum Erhalt der ökonomischen Stabilität des Landes mindestens so bedeutsam wie ein angemessenes Flächenangebot für den Neubau von Wohnen und Gewerbe. Bauen auf der grünen Wiese steht zudem in direkter Konkurrenz zu der kostenintensiven Reaktivierung von Brachflächen oder den notwendigen Investitionen in die Aufwertung der Wohnungsbestände im Rahmen des Stadtumbaus. Dem Nachhaltigkeitsgebot folgend müssen sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Belangen gleichrangige Bedeutungen beigemessen werden. Das beabsichtigte Modell weist dem Belang der siedlungsräumlichen Entwicklung eine vorrangige Rolle gegenüber anderen Nutzungsansprüchen zu. Hinzu kommt, das die grundsätzliche Umkehrung des Gegenstrommodells der Regionalplanung in Richtung der kommunalen Bauleitplanung durch die Umsetzung des Modells in der Planungsregion Detmold zur Folge haben wird, dass in Konkurrenz zu diesem Ansatz sämtliche übrigen Regionalpläne im Land in Frage gestellt werden. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2262 mit Schreiben vom 13. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, dem Minister für Verkehr und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Für die anstehende Fortschreibung des Regionalplans Detmold arbeitet die Bezirksregierung Detmold gegenwärtig an der in der Kleinen Anfrage angesprochenen „Neukonzeption der bedarfsgerechten Festlegung von Siedlungsbereichen im künftigen Regionalplan OWL“. Hierzu hatte die Bezirksregierung Ende letzten Jahres dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie einen Vorschlag übersandt. Auf dieser Grundlage fanden bereits Gespräche mit der Bezirksregierung statt, um Fragen zur grundsätzlichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6224 3 Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Landesentwicklungsplans zu klären. Für die weitere Ausarbeitung der Konzeption wurden erneute Gespräche vereinbart. 1. Wie begründet die Landesregierung angesichts dessen, das dem Landtag die genannten Vorprüfungen der Bezirksregierung und der Landesplanungsbehörde nicht vorliegen, die offensichtlich bei ihr vorherrschende Rechtsauffassung, dass ohne die Beteiligung des Landtages und alleine durch die beiden o.g. juristischen Vorprüfungen eine Zielkonformität mit den bundesgesetzlichen Vorgaben des ROG und den landesgesetzlichen Grundlagen des Landesentwicklungsplanes hergestellt werden kann? Der § 17 des Landesplanungsgesetzes (LPlG) regelt Inhalt und Aufstellung des Landesentwicklungsplans (LEP); danach wird der LEP von der Landesregierung mit Zustimmung des Landtags als Rechtsverordnung beschlossen. Regionalpläne werden gemäß § 19 LPlG von den Regionalräten und der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr eigenverantwortlich erarbeitet. Sie sind dabei den geänderten und neuen Zielen der Raumordnung im LEP anzupassen (§ 18 Abs. 1 LPlG). Das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie nimmt als Landesplanungsbehörde zum Abschluss des Erarbeitungsverfahrens eine Rechtsprüfung vor. Gemäß § 19 Abs. 6 LPlG hat die Bekanntmachung eines Regionalplans bzw. einer Regionalplanänderung zu erfolgen, wenn die Landesplanungsbehörde nicht innerhalb der Frist von höchstens drei Monaten nach Anzeige aufgrund einer Rechtsprüfung unter Angabe von Gründen im Einvernehmen mit den fachlich zuständigen Landesministerien Einwendungen erhoben hat. 2. Wie ist der damit einhergehende Vorrang für die siedlungsräumliche Entwicklung mit dem sowohl im LEP, als auch in der Bundesgesetzgebung (BauGB/ROG) verankerten Nachhaltigkeitsgebot vereinbar? 3. Wie kann verhindert werden, dass das o.g. Modell zu einer weiteren Zersiedlung der Siedlungsflächen und zusätzlicher wesentlicher Verknappung landwirtschaftlicher Flächen beiträgt? 4. Welche Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Planungsregionen des Landes werden sich als Konsequenz aus einer Priorität des Bauens auf „der grünen Wiese“ für die stark verdichteten Landesteile in den Metropolkernen Rheinland und Ruhrgebiet ergeben, deren Potenziale im Außenbereich für neue Siedlungsansätze durch vielfältige Nutzungskonflikte weitaus geringer und oft stark eingeschränkt sind? 5. Wie kann bei dem angedachten Planungsansatz, dem erleichterten Zugang zu Flächen „auf der grünen Wiese“, gewährleistet und forciert werden, dass dringend notwendige Investitionen in überalterte bauliche Bestände getätigt und Siedlungsbrachen einer neuen Nutzung zugeführt werden? Die Fragen 2, 3, 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6224 4 Die „Neukonzeption der bedarfsgerechten Festlegung von Siedlungsbereichen im künftigen Regionalplan OWL“ der Bezirksregierung Detmold befindet sich noch in der Entwicklung. Soweit die o. g. Fragen Erfordernisse der Raumordnung in Nordrhein-Westfalen berühren, werden sie bei der Weiterentwicklung der Konzeption zu berücksichtigen bzw. – bei Zielen der Raumordnung – zu beachten sein. Die endgültige Entscheidung darüber, ob der auf dieser Konzeption basierende Regionalplan mit den Erfordernissen der Raumordnung in Nordrhein- Westfalen vereinbar ist, ist der späteren Rechtsprüfung gemäß § 19 Abs. 6 LPlG vorbehalten.