LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6225 13.05.2019 Datum des Originals: 13.05.2019/Ausgegeben: 16.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2382 vom 16. April 2019 des Abgeordneten Andreas Kossiski SPD Drucksache 17/5868 Wie wird die Landesregierung die Kommunen hinsichtlich des EuGH-Urteils zur Bereichsausnahme unterstützen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 21.03.2019 die derzeitige Rechtsauffassung zur Bereichsausnahme im Rettungsdienst maßgeblich bekräftigt. Demnach können Kreise und kreisfreie Städte entweder mittels europaweiter Ausschreibung oder, unter bestimmten Bedingungen, ohne europaweite Ausschreibungen rettungsdienstliche Leistungen an gemeinnützige Hilfsorganisationen vergeben. Somit kann das ehrenamtlich getragene und vielfach bewährte Hilfeleistungssystem mit der Bereichsausnahme effektiv vor rein gewinnorientierten Unternehmen geschützt werden. Denn vielerorts stellen die vier anerkannten Hilfsorganisationen1 den örtlichen Rettungsdienst und gleichzeitig auch einen großen Teil des Katastrophenschutzes. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2382 mit Schreiben vom 13. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Wie wird die Landesregierung das Urteil des EuGH umsetzen? Mit Inkrafttreten des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes (VergRModG) am 18. April 2016 wurde der Umsetzungsprozess der EU-Vergaberichtlinien in nationales Recht abgeschlossen. 1 i.d.R. Vergabe an Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V., Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., Deutsches Rotes Kreuz e.V., Malteser Hilfedienst e.V. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6225 2 Die Bereichsausnahme zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden, findet sich hierbei in § 107 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wieder. Mit Veröffentlichung des Runderlasses vom 14. Juni 2016 (Rd.-Erl. vom 14. Juni 2016, Az. 224 – G.0715) wurde seitens der Landesregierung die Umsetzung der Bereichsausnahme des EU-Vergaberechts in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. Mit dem EuGH-Urteil werden die bisherige Rechtsauffassung der Landesregierung sowie die landesseitige Umsetzung der Bereichsausnahme und somit das bewährte aufwuchsfähige Gesamtsystem aus Rettungsdienst und Katastrophenschutz bestätigt. Durch die landesgesetzliche Ausgestaltung des Rettungswesens in Nordrhein-Westfalen und die diesem zugrunde liegende Abgrenzung zwischen qualifiziertem und einfachen Krankentransport (vgl. § 1 Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen - RettG NRW) ist dem Grunde nach sichergestellt, dass die vom EuGH normierten Voraussetzungen an die Eröffnung der Bereichsausnahme erfüllt sind. Einer weiteren Umsetzung des EuGH-Urteils durch die Landesregierung bedarf es daher nicht. Die operative verwaltungsseitige Umsetzung obliegt den Kreisen und kreisfreien Städten als Trägern des Rettungsdienstes vor Ort. 2. Wird die Landesregierung unter Hinweis auf die Presseerklärung der Landesregierung vom 21.03.2019 nunmehr die Kommunen anweisen, offensiv von der Bereichsausnahme für die Auftragsvergabe im Rettungsdienst und Krankentransport zu Gunsten der anerkannten Hilfsorganisationen Gebrauch zu machen? Die Landesregierung hat immer wieder die systemische Verzahnung von qualifiziertem Krankentransport, Notfallrettung und Katastrophenschutz betont. Auch im Novellierungsverfahren zum Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen gab es einen breiten Konsens über die Landesregierung hinaus, um die zentrale und unerlässliche Rolle des Ehrenamts in den anerkannten Hilfsorganisationen zu erhalten. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sind die Träger grundsätzlich frei in ihrer Entscheidung, ob sie rettungsdienstliche Leistungen selbst erbringen oder per öffentlichrechtlichem Vertrag auf anerkannte Hilfsorganisationen oder auch andere Leistungserbringer übertragen möchten. Eine diesbezügliche Weisung kann seitens der Landesregierung nicht erfolgen. Hierbei wird von den Kreisen und kreisfreien Städten, die zugleich den Katastrophenschutz gewährleisten müssen, jedoch dem Umstand Rechnung zu tragen sein, dass der Rettungsdienst Teil eines Gesamtsystems ist. Das beschriebene aufwuchsfähige, verzahnte System kann nicht als lose Ansammlung von Einzelkomponenten funktionieren, sondern muss miteinander abgestimmt geplant werden. 3. Wird die Landesregierung den Kommunen hierzu eine Leitlinie zur Verfügung stellen? 4. Wenn ja – Was wird diese beinhalten und wie wird sie aussehen? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6225 3 Die Landesregierung hat unmittelbar nach Verkündung des EuGH-Urteils die Bezirksregierungen, die Kommunalen Spitzenverbände und die anerkannten Hilfsorganisationen zu einem gemeinsamen Termin am 2. April 2019 eingeladen. In diesem wurde das Urteil nebst sich nunmehr eröffnender Handlungsoptionen intensiv erörtert. Hierauf aufbauend ist mit Datum vom 26. April 2019 den Kommunen seitens der Landesregierung eine zusammenfassende Einschätzung zum EuGH-Urteil zur Verfügung gestellt worden (s. Anlage). § 19 Abs. 6 LPlG vorbehalten. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Norctrhein-Westfalen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, 40190 Düssehiorf An die Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster Dez. 22 m.d.B. um We/terieitung an die Träger des Retfungscfienstes An die Kommunafen Spitzenverbände An die anerkannten Hilfsorganisationen ^ i? AprilDatums Seite 1 von 4 2019 Aktenzeichen IV B 4 - G.0715 bei Antwort brtte angeben Herr Loyal Telefon 0211 85S-3506 Teiefax 0211 855-3003 bjoem.loy9i@ma9S.nrw, de nachrichtlich an die Ressorts: IM MHKBG MWIDE Bereichsausnahme im Rettungsdienst-Gerichtshof der Europäischen Union Urteil in der Rechtssäche C-465/17 Faick Rettungsdienste GmbH u. a. / Stadt SoHngen vom 21. März 2019 Sehr geehrte Damen und Herren, im Kontext der Umsetzung der Bereichsausnahme hat sich das Oberiandesgerlcht Düsseldorf (OLG) in der o.g. Rechtssache in einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gewandt. Zu Ihrer Information möchten wir Ihnen in Abstimmung mit dem Ministerium des Innern, dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und GleichsteHung sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Dienstgebäude und Lieferanschrift: Fürstenv/afl 25, 40219 Düsseldorf Telefon 0211 855-5 Telefax 0211 855-3683 poststefle@mags.nrw.de www.fnags.nrw Öffentliche Verkehrsmittel: Rheinbahn Linie 709 Haltestelle: Stadttor Rheinbahn Linien 708, 732 Haltestelle; Poiizeipräsidium Digitaiisierung und Energie folgende Hinweise und Einschätzungen zur Seite 2 von 4 Verfügung stellen; 1. Aus dem EuGH-Urteil ergibt sich, dass für die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport unter den normierten Voraussetzungen der Anwendungsbereich der Bereichsausnahme nach § 107 Absatz 1 Nummer 4 GWB eröffnet ist. Beide Leistungsbereiche sind als Teil der Gefahrenabwehr i.S. des § 107 Absatz 1 Nummer 4 GWB anzusehen. 2. Durch die landesgesetzliche Ausgestaltung des Rettungswesens in NRW unä die dem zugrunde liegende Abgrenzung zwischen quaiifiziertem und einfachen Krankentransport (vgl, § 1 RettG NRW) ist dem Grunde nach sichergestellt, dass die vom EuGH „normierten Voraussetzungen" an die Eröffnung der Bereichsausnahme (geschultes Personal, besonderes Patientenklientel) erfüllt sind. 3. Durch die kommunale Praxis ist sicherzusteHen, dass sich eine Beauftragung ausschließlich auf den Geltungsbereich des RettG NRW bezieht, um die Privilegierung der Bereichsausnahme nutzen zu können. 4. Gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne der Bereichsausnahme sind nach Ansicht des EuGH solche, • deren Ziel in der Erfüllung sozialer Aufgaben besteht, • die nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind, und • die etwaige Gewinne reinvestieren, um das Ziel der Organisation oder Vereinigung zu erreichen. Seite 3 van 4 Die Anerkennung von Hilfsorganisationen als im Zivil- und Katastrophenschutz mitwirkende Organisationen nach deutschem Recht genügt für sich alleine nicht, um die Gemeinnützigkeit im Sinne der Bereichsausnahme zu belegen, da die Überprüfung fehlender Gewinnerzieiungsabsicht nicht Gegenstand dieses Anerkennungsverfahrens ist. Ob eine Anerkennung als gemeinnützig E.S. von § 52 AO den Anforderungen an die Gemeinnützigkeit im Sinne der Richtlinie genügt, muss durch die Rechtsprechung (hier zunächst das OLG Düsseldorf) beurteilt werden. Für die Ubergangszeit ist sicherzustellen, dass die Organisation oder Vereinigung die Anforderungen nach Ziffer 4 erfüllt. Die GemeinnützigReit lässt sich durch die Satzung und eine geeignete Bescheinigung des Finanzamtes nachweisen, ggfls, ergänzt durch eine Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60aAO. 5. Sofern die Bereichsausnahme vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen zu bejahen ist, sind die Verfahren aus der Vergaberichtlinie, die in den §§ 107 f. GWB umgesetzt wurden, nicht anzuwenden. Das EuGH-Urtei! enthält keine Formulierung, welche bei der Anwendung der Bereichsausnahme der öffentlichen Stelle die Durchführung eines sonstigen wettbewerblichen Verfahrens unter Beachtung des EU- Primärrechtsrechts aufgibt. Die Geltung der haushaltsrechtlichen Grundsätze bleibt unberührt. 6. Sowohl die Erfüllung der Voraussetzungen an die seite4von4 Gemeinnützigkeit als auch eine sachgerechte und fachlich begründete Auswahl des Leistungserbringers sind angemessen zu dokumentieren. Ersteres nach Maßgabe der Ausführungen unter Ziff. 4, letzteres nach Maßgabe der Entscheidungskriterien nach§13RettGNRW. Das Urteil ist zu Ihrer Einsichtnahme im Anhang beigefügt. Auf unseren Erlass vom 14. Juni 2016 (Az. 224 - G.0715) zur Mitwirkung anerkannter Hitfsorganisationen und anderer Leistungserbringer wird verwiesen. Dieser ist gleichfalls im Anhang noch einmal beigefügt. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Dr. Frank Stolimanr Leiter der Gruppe Öffentliches Gesundheitswesen Leere Seite