LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6229 13.05.2019 Datum des Originals: 13.05.2019/Ausgegeben: 16.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2199 vom 25. März 2019 der Abgeordneten Norwich Rüße und Wibke Brems BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Drucksache 17/5547 Wie schützt die Landesregierung die Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen vor Ultrafeinstaub? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ultrafeinstaub ist hundertmal kleiner als Feinstaub und potenziell gefährlich für Menschen und Umwelt. Studien legen nahe, dass die Nanoteilchen durch die Lungenwand in die Blutbahn gelangen und so Mitverursacher von Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Parkinson und Demenz sein können. Trotz der möglichen Auswirkungen wurden bisher keine Grenzwerte für Ultrafeinstaub gesetzlich verankert. Hauptemittenten in den Städten sind Diesel-Fahrzeuge, Baumaschinen ohne Partikelfilter sowie Holzheizungen. So führte ein gerichtlicher Vergleich im Jahr 2010 dazu, dass alle auf der Baustelle „Stuttgart 21“ eingesetzten Diesel-Baustellenfahrzeuge und Baumaschinen mit einem Partikelfilter ausgestattet werden mussten. In ländlichen Regionen sind die Hauptemittenten von Ultrafeinstaub der Langzeitstudie „Ultrafine particles in the lower troposphere“1 eines australisch-deutschen Forscherteams zufolge moderne Kohlekraftwerke und Raffinerien. In der Abgasreinigung werde den Abgasen Ammoniak hinzugefügt, um Stickoxide in Wasser und Stickstoff umzuwandeln. Das Ammoniak steht dabei im richtigen Verhältnis zur Verfügung, damit sich Ultrafeinstaubpartikel bilden können. Die Partikel bieten eine Oberfläche für chemische Reaktionen in der Atmosphäre oder können, als Kondensationskerne, die Eigenschaften von Wolken und Niederschlag und somit von meteorologischen Prozessen beeinflussen. Während die Emissionen von Feinstaub mittlerweile bundesweit an offiziellen Messstellen des Umweltbundesamtes erfasst werden, gibt es bislang keine Messstellen für Ultrafeinstaub. Nur im kooperativen Messnetz German Ultrafine Aerosol Network (GUAN) werden zu Forschungszwecken Langzeitmessungen von ultrafeinen Aerosolpartikeln vorgenommen. In Nordrhein-Westfalen befindet sich eine aktive Messstation in Mülheim-Styrum. Das 1 https://journals.ametsoc.org/doi/10.1175/BAMS-D-18-0075.1 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6229 2 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) ist beteiligter Partner, die Messdaten sind jedoch online nicht abrufbar. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2199 mit Schreiben vom 13. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Zum Schutz der menschlichen Gesundheit existieren europaweit gültige Luftschadstoffgrenzwerte u.a. für Feinstaub (PM10 und PM2,5) sowie Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuge (Partikelmasse und Partikelanzahl) und industrielle oder gewerbliche Anlagen, die in nationales Recht umgesetzt wurden und deren Einhaltung im Rahmen von Genehmigungsund Überwachungsverfahren geprüft wird bzw. die Gegenstand der Luftreinhalteplanung sind. Vergleichbare Grenzwerte für Ultrafeinstaub / ultrafeine Partikel (UFP) existieren bislang nicht. Orientierende Messungen von UFP durch das Institut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) im Auftrag des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) finden in Nordrhein-Westfalen in Mülheim-Styrum statt. Darüber hinaus führte die Hochschule Düsseldorf im Auftrag des LANUV Messungen von UFP im Umfeld des Düsseldorfer Flughafens durch. Ziel der Landesregierung ist es, den Kenntnisstand zu UFP zu verbessern. 1. Plant die Landesregierung die Installation von Messstationen insbesondere in der Nähe von modernen Kohlekraftwerken bzw. Raffinerien, die mit der beschriebenen Zugabe von Ammoniak in der Abgasreinigung arbeiten? 2. Falls die Landesregierung keine Einrichtung von Messstellen plant, auf welche Weise beabsichtigt sie, die Bürgerinnen und Bürger vor der schädlichen Ultrafeinstaubbelastung zu schützen? Bitte konkrete Maßnahmen benennen. Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz betriebene Luftqualitätsmessnetz des Landes NRW übernimmt die Aufgabe der Überwachung und Beurteilung der Luftqualität auf Grundlage der Vorgaben der EU-Richtlinie 2008/50/EG bzw. der 39. BImSchV als deren nationaler Umsetzung. In den genannten bundesgesetzlichen Regelwerken sind die Stoffe abschließend genannt, die immissionsseitig als Luftschadstoffe beurteilt werden müssen. Darin enthalten sind die Grenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit für z.B. Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5). UFP sind per Definition Bestandteil dieser Feinstaubfraktionen und werden messtechnisch zusammen mit diesen erfasst. Für UFP gibt es keine gesetzlichen Grenzwerte, sie werden im Routinebetrieb des Messnetzes nicht gesondert betrachtet. Derzeit gibt es für UFP noch keine Beurteilungsmaßstäbe, es ist nur ein Vergleich der Werte an unterschiedlichen Standorten möglich (z.B. ländlich, städtisch, verkehrlich). Das LANUV LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6229 3 führt seit dem Jahr 2009 eine kontinuierliche Messung der Partikelanzahlgrößenverteilung von UFP am Standort Mülheim-Styrum durch. Darüber hinaus sind mobile UFP Messungen im Umfeld des Flughafens Düsseldorf durch die Hochschule Düsseldorf im Auftrag des LANUV erfolgt. Die Ergebnisse sollen nun in einem Fachgespräch mit Experten und den betroffenen Akteuren erörtert werden. Die Entscheidung über die Einrichtung einer Dauermessstation soll nach dem Fachgespräch getroffen werden. Die Erkenntnisse aus den genannten Messaktivitäten tragen zur Verbesserung des Kenntnisstandes von UFP bei (s. Antwort auf Frage 4). Im Umfeld der in der o.g. Frage 1 genannten Anlagen sind derzeit keine UFP-Messungen geplant, da es für die Messung und Beurteilung von UFP keine gesetzlichen Vorgaben gibt. Aus den bisherigen Studien und Forschungsarbeiten zu UFP ergibt sich zudem kein unmittelbarer Handlungsbedarf. 3. Da das LANUV Partner des GUAN Messnetzes ist, wird davon ausgegangen, dass dem LANUV die Daten der Messstation Mülheim-Styrum vorliegen. Warum sind diese Ergebnisse nicht öffentlich einsehbar? Die UFP-Daten der Messstation Mülheim-Styrum werden durch das IUTA erfasst, aufgearbeitet und dem GUAN-Netzwerk zur Verfügung gestellt und dort auch in Publikationen verarbeitet und ausgewertet (siehe http://wiki.tropos.de/index.php/GUAN). Dass die Daten derzeit nicht vom LANUV zum Download zur Verfügung stehen, liegt an dem speziell geforderten Datenformat. Das LANUV NRW hat bereits Kontakt zum GUAN-Messnetz aufgenommen, um eine Lösung für eine Veröffentlichung der Daten zu finden. 4. Wie positioniert sich die Landesregierung zur Einführung eines Grenzwertes für Ultrafeinstaub? Die wissenschaftliche Erkenntnislage, das betrifft sowohl Daten zur Immission als auch zur Exposition der Bevölkerung gegenüber UFP, ist derzeit noch nicht ausreichend, um Grenzwerte für UFP ableiten zu können. 5. Welche Alternativen sieht die Landesregierung, um eine Reduzierung der Ultrafeinstaubbelastung durch den Einsatz von Ammoniak in der Abgasfilterung zu erzielen? Die Minderung von Stickoxidemissionen aus Feuerungsanlagen ist bundesrechtlich durch Grenzwerte für Stickoxide in der 13. BImSchV und der TA Luft geregelt. Eine geeignete Minderungstechnik ist die Eindüsung von Ammoniak /-verbindungen in Selektive Katalytische Reduktions - oder selektiven nichtkatalytischen Reduktions-Anlagen. Die daraus resultierenden Ammoniakemissionen sind ebenfalls in den o.g. Regelwerken begrenzt. Die Wahl der Minderungstechnik zur Erreichung der Grenzwerte liegt unter Berücksichtigung des vorgegebenen Standes der Technik grundsätzlich beim Betreiber der jeweiligen Anlage. Bereits für die praktische Anwendung geeignete alternative Verfahren, die eine gleichzeitige NOx- und weitergehende Ammoniak-Minderung bewirken, sind der Landesregierung nicht bekannt. Solange keine gesetzlichen Vorgaben zu UFP existieren (s. auch Antwort zu Frage 2), können keine weitergehenden Anforderungen an die Anlagenbetreiber gestellt werden.