LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6329 21.05.2019 Datum des Originals: 21.05.2019/Ausgegeben: 24.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2399 vom 29.04.2019 des Abgeordneten Helmut Seifen AfD Drucksache 17/5941 Der Flüchtlingsrat NRW und die interventionistische Linke. Plant die Landesregierung, die Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat NRW zu überprüfen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Informationen der Tageszeitung „Die Welt“ erwägen Innenexperten der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag die Unterstützung für solche Flüchtlingsräte zu streichen, die dabei helfen, Abschiebungen aus Deutschland für abgelehnte Asylbewerber zu umgehen.1 Damit folgen diese Experten der kürzlich vorgebrachten Kritik des Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer. Dieser sagte in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ am 24.03.2019: „Ich habe das selbst in meiner früheren Tätigkeit immer wieder erlebt, dass Abschiebungstermine öffentlich bekannt gemacht werden – oft mit dem Hinweis, die Abzuschiebenden sollten sich an diesem Tag nicht dort aufhalten, wo sie sich sonst gewöhnlich aufhalten. […] Es ist ganz offensichtlich, dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen – ich denke vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte. Das geben diese auch ganz offen zu. Sie sind der Meinung, dass sich jeder das Land seines Aufenthalts selbst aussuchen soll. Da sind dann natürlich die Gemeinsamkeiten auf Basis des geltenden Rechts sehr gering. Wer mit dieser Überzeugung unterwegs ist, versucht dann auch oft, den Staat bei Abschiebungen zu behindern. Dass dieses Vorgehen mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden soll, ist absolut richtig. So etwas darf der Staat nicht hinnehmen.“2 Mathias Middelberg (CDU), innenpolitischer Sprecher der CDU, sagte, dass es nicht hinnehmbar sei, „wenn einzelne sogenannte Flüchtlingsinitiativen den Rechtsstaat missachten 1 https://www.welt.de/politik/deutschland/article190955125/Abschiebungsgegner-CDU-prueft-Entzug-der- Mittel-fuer-Fluechtlingsraete.html?fbclid=IwAR2uBxdt6xYnsy Esu_BlpVxW84qJUlz052PMvuhpdtvRGN8huUbWB3SzUg 2 https://www.welt.de/politik/deutschland/plus190752409/Abschiebungen-verhindert-BAMF-Chef-Sommerkritisiert -Fluechtlingsraete.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6329 2 und zur Verhinderung von Abschiebungen beitragen“. Das gelte erst recht, „wenn solche privaten Zusammenschlüsse Steuermittel unseres Gemeinwesens erhalten und dann gegen rechtskräftig getroffene Entscheidungen ebendieses Gemeinwesens agieren. Wenn es daher belastbare Belege gibt, dass eine Initiative Abschiebungen be- oder verhindert, muss die staatliche Unterstützung gestrichen werden.“ Thorsten Frei (CDU) äußerte die Meinung, dass „insbesondere die Arbeit der Flüchtlingsräte kritisch hinterfragt werden müsse“. Er führte weiter aus: „Die Flüchtlingsräte in fast allen Bundesländern erhalten finanzielle Mittel für ihre Projektarbeit vom jeweiligen Land, weit überwiegend auch vom Bund und auch von der EU. Neben der Frage nach der Strafandrohung im Einzelfall aufgrund der Verhinderung von Abschiebungen müssen wir folglich auch die Frage stellen, ob wir Steuermittel dafür ausgeben wollen, wenn die Durchsetzung unserer Rechtsordnung behindert wird.“ In einer Pressemitteilung des Flüchtlingsrats NRW vom 28.03.2019 werden die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen.3 Gesprochen wird von einer Kampagne aus Unionskreisen in Form einer „Orbanisierung“. Der „Politik“ wird vorgeworfen, „nicht mehr Solidarität und Mitgefühl, sondern Feindseligkeit und Kriminalisierung gegenüber Geflüchteten und ihren Unterstützern zur Richtschnur ihres Handelns erhoben zu haben.“ Die Schärfe, mit der die Zurückweisung durch den Flüchtlingsrat NRW vorgebracht wurde, erscheint in einem anderen Licht, wenn man die entsprechende Homepage genauer betrachtet. Auf seiner Homepage verweist der Flüchtlingsrat NRW auf eine Arbeitshilfe „Broschüre zu Abschiebeblockaden“.4 Laut Flüchtlingsrat NRW informiert diese „alle Interessierten über die Praxis der Abschiebung, die Möglichkeit der Abschiebeblockade, mögliche rechtliche Konsequenzen sowie weitere verwandte Themen.“ Folgt man dem Link, kommt man auf eine Seite der interventionistischen Linken Göttingen. Die interventionistische Linke wird durch den Verfassungsschutz beobachtet. Im Impressum der Broschüre heißt es: „Unser Ziel bleibt es, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Die Auseinandersetzung darum beginnt für uns aber nicht in einer fernen Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Es ist uns wichtig emanzipatorische Politik über die lokale Ebene hinaus zu etablieren und über eine gemeinsame linksradikale Organisierung eine größere Wirkmächtigkeit zu erreichen. Nur wenn wir mehr werden, solidarisch sind, nur wenn wir überregional gemeinsame Strategien und Perspektiven entwerfen, ist die Umwälzung der herrschenden Verhältnisse möglich. Deshalb sind wir Teil der Interventionistischen Linken, eines Zusammenschlusses von Gruppen und Einzelpersonen aus der undogmatischen und emanzipatorischen Linken.“ Folgende „Handlungsanweisungen“ finden sich u.a. in der Broschüre: „Wir erklären hiermit, dass wir Abschiebungen nicht länger ohne Widerstand hinnehmen, dass wir uns ihnen widersetzen werden, wann immer wir von ihnen erfahren. Wenn Flüchtlinge abgeholt werden sollen, werden wir uns in den Weg stellen, werden wir den Zugang zu Wohnungen und Häusern blockieren. Wir rufen andere auf, sich uns anzuschließen.“ 3 https://www.frnrw.de/top/artikel/f/r/wir-stellen-uns-gegen-die-orbanisierung.html 4 https://www.frnrw.de/themen-a-z/abschiebung-ausreise/artikel/f/r/broschuere-zu-abschiebeblockadenerschienen .html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6329 3 „In Fällen, in denen die Sechsmonatsfrist zum Zeitpunkt der angekündigten Abschiebung fast abgelaufen ist, ist die Verhinderung der Abschiebung durch Blockaden ein wirksames Mittel. […] Bei einer Blockade werden Haustür und Klingel der betroffenen Person unzugänglich gemacht, sodass die Polizei keine Möglichkeit hat, deren An- oder Abwesenheit festzustellen. Demzufolge gilt die Person nach einer verhinderten Abschiebung nicht als abgetaucht. Im Falle eines Untertauchens könnte die Dublin-Frist auf insgesamt 18 Monate erhöht werden.“ „Angesichts dieser massiven Angriffe auf die Rechte der Geflüchteten ist es umso wichtiger, konsequente Gegenwehr zu organisieren und die Umsetzung dieser Maßnahmen zu verhindern. Blockaden bleiben in jedem Fall ein sinnvolles Mittel, um Abschiebungen zu verhindern und Widerstand gegen das rassistische Migrationsregime der BRD zu leisten.“ „Es ist daher wichtig, dass Flüchtlinge mit einem hohen Abschieberisiko bei solchen Behördenbesuchen von anderen Personen begleitet werden, die im Notfall direkt intervenieren oder andere Unterstützer alarmieren können.“ „Die letzte Möglichkeit, eine Abschiebung zu verhindern, ist eine Blockade vor Ort. Dadurch werden die Beamten davon abgehalten die betroffene Person abzuschieben bzw. überhaupt erst zu deren Wohnung zu gelangen. Um einen weiteren Abschiebeversuch durchzuführen, bedarf es einiger Organisation.“ „Wichtig ist, dass der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden kann, dass sie sich selbst ihrer Abschiebung entzogen oder sonst wie an der Vereitelung der Abschiebung beteiligt hätte. Deswegen ist es bei Blockaden eigentlich immer entscheidend, dass die Polizei nicht bis zur Klingel durchkommt, da sie so nicht nachweisen kann, dass die Person Aufforderungen der Behörden nicht nachgekommen ist. Gut ist also, wenn die Blockade draußen vor dem Hauseingang/der Klingel stattfindet. Allerdings sollte auch geklärt werden, ob es evtl. mehrere Zugangswege zur Wohnung der Betroffenen gibt, um diese u. U. auch im Blick zu behalten bzw. zu blockieren (insbes. Hinter- und Kellereingänge). Außerdem ist es wichtig, sich nicht einschüchtern zu lassen und stehen zu bleiben. Da Abschiebeversuche nicht mehr angekündigt werden, kann es sein, dass wir in Zukunft manchmal erst dann von einer Abschiebung erfahren, wenn diese bereits eingeleitet ist. Das heißt, dass wir erst nach Polizei und Ausländerbehörde vor Ort eintreffen und nicht mehr verhindern können, dass diese bis zu den betroffenen Personen gelangen. Auch in solchen Fällen können wir aber versuchen, durch Blockaden den Abtransport von Geflüchteten zu verhindern und die Beamten durch unsere Anwesenheit zum Abbruch der Abschiebung zu bewegen. Auf ähnliche Weise können wir handeln, wenn Behördenbesuche für überraschende Abschiebeversuche genutzt werden.“ Es finden sich in der Broschüre auch Hinweise darauf, dass diese Aktionen organisiert sind und dass es anscheinend undichte Stellen bei den Behörden gibt: „Um die Information zu erhalten, dass eine Abschiebung angesetzt ist bzw. stattfindet, brauchst du dich nur auf unsere Telefonliste setzen lassen.“ Gemäß der bereits zitierten Pressemitteilung des Flüchtlingsrats NRW „ruht die Arbeit der Flüchtlingsräte in allen Bundesländern auf einer breiten Unterstützung durch Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Arbeitsmarktakteuren, Teilen der Politik und zahllosen Bürgerinitiativen.“ Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob all diesen Organisationen bewusst ist, dass der Flüchtlingsrat NRW auf Handlungsanweisungen der durch den Verfassungsschutz beobachteten interventionistischen Linken verweist. Eine bewusste Duldung dieses Sachverhalts sollte auch für die Landesregierung nicht tolerierbar sein und muss Folgen haben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6329 4 Der Flüchtlingsrat NRW erhält im Haushaltsjahr 2019 aus dem Landeshaushalt eine finanzielle Förderung in Höhe von 400.000 Euro.5 Dem angeführten Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ folgend positionieren sich auch die Flüchtlingsräte in Niedersachsen und Thüringen gegen jede Form der Abschiebung. Abschiebungen sind allerdings fester Bestandteil eines rechtsstaatlichen Asylverfahrens. Wie in NRW ist auch auf der Homepage des Flüchtlingsrats Thüringen ein Verweis auf die bereits erwähnte Broschüre der interventionistische Linken zu finden.6 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2399 mit Schreiben vom 21. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. 1. In Niedersachsen macht die Landesförderung für den dortigen Flüchtlingsrat, laut Aussage im angeführten Artikel der Tageszeitung „Die Welt“, 24 Prozent aus. Welche Fördermittel erhält der Flüchtlingsrat NRW zusätzlich zu den aufgeführten 400.000 Euro, beispielsweise aus dem Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, als Querfinanzierung der auch aus Landesmitteln geförderten Organisation „Pro Asyl“ sowie aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU? Hierzu ist eine gesicherte Aussage nicht möglich. Soweit in der Frage auf Fördermittel des Bundes Bezug genommen wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese keine Länderangelegenheit darstellen. Im Übrigen ist der Flüchtlingsrat NRW e. V. gegenüber dem Land als Fördergeber nicht verpflichtet, seine Einnahmen umfassend offenzulegen. 2. Wie bewertet die Landesregierung die aufgeführten Aussagen in der Arbeitshilfe „Broschüre zu Abschiebeblockaden“? Nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film sind gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Dieser rechtliche Maßstab gilt auch für Veröffentlichungen des Flüchtlingsrates NRW e.V.. Unabhängig davon sind konkrete Störungen zu bewerten, mit denen das Ziel verfolgt wird, den Vollzug von Abschiebungen zu be- und verhindern. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob polizeioder strafrechtliche Maßnahmen erforderlich sind. 3. Stimmt die Landesregierung mit den aufgeführten Aussagen von Mathias Middelberg sowie Thorsten Frei überein, dass die staatliche Unterstützung gestrichen werden muss, wenn eine Initiative Abschiebungen be- oder verhindert bzw., dass es fraglich ist, ob wir Steuermittel dafür ausgeben wollen, wenn die Durchsetzung unserer Rechtsordnung behindert wird? 5 Vergleiche Kapitel: 07 090, Titel: 684 40 6 https://www.fluechtlingsrat-thr.de/themen/abschiebung -> Göttinger Bündnis gegen Abschiebungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6329 5 Die Landesregierung bewertet nicht die Aussagen von Bundestagsabgeordneten. Eine Förderung aus Landesmitteln erfolgt grundsätzlich nach Maßgabe von Förderrichtlinien und auf Grundlage eines Bewilligungsbescheides. Bestehen Anhaltspunkte, welche im Einzelfall Anlass geben, einen Verstoß gegen die entsprechende Richtlinie oder geltendes Recht zu prüfen, kann in Konsequenz daraus eine Rücknahme oder ein Widerruf des Bewilligungsbescheids erfolgen. Insoweit ist eine Prüfung im Einzelfall erforderlich. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass der Flüchtlingsrat NRW auf seiner Homepage auf eine verfassungsfeindliche Organisation und somit auch auf verfassungsfeindliche Aussagen bzw. offensichtlich rechtswidrige Handlungsanweisungen verweist, auch im Hinblick auf die nicht mehr vorhandene Extremismusklausel? 5. Wie stellt sich die Landesregierung, in Anbetracht des Verweises auf Handlungsanweisungen der interventionistischen Linken, die weitere Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat NRW vor? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 4 und 5 gemeinsam beantwortet. Eine entsprechende Verweisung ist auf der Homepage des Flüchtlingsrates NRW e.V. nicht zu finden (Stand: 03.05.2019). Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen.