LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6354 24.05.2019 Datum des Originals: 24.05.2019/Ausgegeben: 29.05.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2416 vom 29. April 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5966 Jobcenter Wuppertal: Übermittelte ein Privatunternehmen jahrelang medizinische Diagnosen von Hartz-IV-Empfängern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Jahr 2018 griff die Wochenzeitung „der Freitag“ eine Recherche des Erwerbslosenvereins „Tacheles“ auf, welche dem Jobcenter Wuppertal defizitäre Zustände attestiert. Der Vorwurf lautete, Erwerbslose würden vom Jobcenter „in die Obdachlosigkeit und Elend getrieben“1. Der Wuppertaler Verein „Tacheles“, der Sozialberatung für Erwerbslose anbietet, veröffentlichte auf seiner Website im März 2019 einen Beitrag, welcher den Vorwurf erhebt: „Schwere Datenschutzverstöße des Jobcenters Wuppertal“2. Demnach habe das Privatunternehmen „bit gGmbH“, das laut Eigendarstellung Menschen ganzheitlich betreue, um einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen, dem Wuppertaler Jobcenter jahrelang medizinische Diagnosen von Erwerbslosen zugespielt.3 Für derlei Vorgehen habe die „bit gGmbH“ jedoch keine Befugnis. Das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) erklärte in einem Schreiben, alle Beteiligten wären darauf hingewiesen worden, „dass die sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber nur die vermittlungs- und beratungsrelevanten Funktionseinschränkungen und sozialmedizinische Beurteilung enthalten darf“4. Aus der Antwort auf eine Anfrage der Wuppertaler-Fraktion von „DIE LINKE“ ging hervor, dass die „bit gGmbH“ allein von 2014 bis 2017 rund 12.000 Begutachtungen im Auftrag des 1 https://www.freitag.de/autoren/fhp-freie-hartz-iv-presse/hartz-iv-skandal-im-jobcenter-wuppertal (abgerufen am 02.04.2019) 2 https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2494/ (abgerufen am 08.04.2019) 3 Ebd. sowie https://www.bit-ggmbh.de/ueber-uns (abgerufen am 08.04.2019) 4 Zitiert nach https://www.njuuz.de/beitrag47340.html (abgerufen am 02.04.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6354 2 Jobcenters durchgeführt habe. Dafür habe das Unternehmen über 2,4 Millionen Euro erhalten.5 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2416 mit Schreiben vom 24. Mai 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung über die Weitergabe von Untersuchungsergebnissen, welche über die legitimen Inhalte der sozialmedizinischen Stellungnahmen hinausgehen, seitens der „bit gGmbH“ an das Jobcenter Wuppertal vor? In einem konkreten Einzelfall wurde durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales festgestellt, dass in einem durch die bit gGmbH erstellten Gutachten „Sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber“ Diagnosen aufgeführt sind. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über vergleichbare Fälle der vergangenen zehn Jahre in NRW vor, bei denen Diagnosedaten der Erwerbslosen durch die „bit gGmbH“ oder andere externe Unternehmen an die Jobcenter übermittelt wurden? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zu vergleichbaren Fällen in Nordrhein- Westfalen vor. 3. Falls in Frage 1 die unberechtigte Weitergabe von Untersuchungsergebnissen bestätigt wurde und das Jobcenter Wuppertal die Zusammenarbeit mit der „bit gGmbH“ nicht selbst aufkündigen sollte: Gedenkt die Landesregierung vor dem Hintergrund auf das Jobcenter dahingehend einzuwirken, ebenjene Zusammenarbeit zu beenden? Die Landesregierung wird nicht auf eine Beendigung der Zusammen-arbeit der Jobcenter Wuppertal AöR mit der bit gGmbH hinwirken. Die Umsetzung, einschließlich der Auswahl der Vertragspartner, obliegt den Jobcentern. Die Jobcenter Wuppertal AöR hat den konkreten Einzelfall zum Anlass genommen, die bisherige Praxis kritisch zu überprüfen. Dazu wurden alle Beteiligten darauf hingewiesen, dass die sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber nur die vermittlungs- und beratungsrelevanten Funktionseinschränkungen und sozialmedizinische Beurteilungen enthalten darf, welche für die Aufgabenerfüllung der Jobcenter Wuppertal AöR notwendig sind. 5 https://ris.wuppertal.de/vo0050.php?__kvonr=20602 (abgerufen am 08.04.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6354 3 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über Veränderungen der Antragsbearbeitungszeiten des Jobcenters Wuppertal vor dem Hintergrund, dass diese aus Sicht des „Tacheles e.V.“ immer länger dauern würden? Die Aussage zu ansteigenden Antragsbearbeitungszeiten in der Jobcenter Wuppertal AöR trifft nicht zu. Die Entwicklung der Bearbeitungszeiten der Neuanträge in den Geschäftsstellen 2, 4 und 7 der Jobcenters Wuppertal AöR kann der beigefügten Tabelle entnommen werden (Anlage). Die aufgeführten Zeiten beziehen sich auf die Bearbeitungsdauer ab Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen bis zur Entscheidung über den Antrag. Anlage Monat/Jahr 2017 (Bearbeitungszeit in Tagen) 2018 (Bearbeitungszeit in Tagen) 2019 (Bearbeitungszeit in Tagen) Januar 13,8 7,3 Februar 12,2 6,5 März 10,8 3,1 April 5,1 Mai 12,8 Juni 12,0 7,9 Juli 5,8 6,0 August 10,9 11,0 September 14,2 11,4 Oktober 12,9 10,9 November 13,0 11,9 Dezember 6,7 9,8 Wegen der Ausführungen in der Kleinen Anfrage zu den Antragsbearbeitungszeiten bezieht sich die Tabelle auf die Geschäftsstellen 2, 4 und 7 der Jobcenter Wuppertal AöR seit Sommer 2017. Die Tabelle bildet die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Neuanträge dieser drei Geschäftsstellen seit Juni 2017 ab.