LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6382 28.05.2019 Datum des Originals: 28.05.2019/Ausgegeben: 03.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2411 vom 29. April 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5961 Impfpflicht für Kinder in Nordrhein-Westfalen – Berücksichtigt die Landesregierung demokratische Grundsätze der Entscheidungsfreiheit? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die ehemalige Bundesgeneralsekretärin der FDP wird auf dem parteieigenen Blog „portal liberal“ mit den Worten zitiert: „Kinder nicht zu impfen, ist verantwortungslos gegenüber den eigenen Kindern als auch gegenüber der Allgemeinheit“1. Für Nordrhein-Westfalen werde aktuell eine Einführung einer Impfpflicht vorbereitet.2 Der Kinder- und Familienminister NRW befürworte eine „generelle Impfpflicht“3, welche auch für Kindergärten gelten solle. Derweil prüfe auch die Bundesregierung die Möglichkeit einer bundesweiten Impfpflicht gegen Masern.4 Zum ursprünglichen Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Masernerkrankung bis 2020 zu eliminieren, hatte sich in der Vergangenheit auch das Bundesministerium für Gesundheit bekannt (siehe: „Nationaler Aktionsplan 2015–2020 zur Elimination der Masern und Röteln“)5. Hinsichtlich der Zielsetzung der WHO konstatierte 2018 indes die „ÄrzteZeitung“, dass die Masern-Elimination in Europa bis 2020 unrealistisch sei, da die „Serie der Ausbrüche“6 nicht abreiße. Ferner seien Zwangsmaßnahmen offenbar nicht hilfreich: Die 1 https://www.liberale.de/content/von-nicht-geimpften-kindern-geht-eine-gefahr-aus (abgerufen am 17.04.2019) 2 https://rp-online.de/nrw/landespolitik/kampf-gegen-masern-nrw-will-impfpflicht-in-kitaseinfuehren _aid-38077325 (abgerufen am 17.04.2019) 3 Ebd. 4 Ebd. 5 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/Publikationen/Gesundheit/Broschuer en/Aktionsplan_Masern_Roeteln.pdf (Stand Juni 2015; abgerufen am 17.04.2019) 6 https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/masern/article/961354/whovorgabe -masern-ziel-schon-jetzt-verfehlt.html (abgerufen am 17.04.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6382 2 2017 in Italien eingeführte Impfpflicht für Kinder habe Großdemonstrationen und Protestaktionen zur Folge gehabt.7 Das italienische Gesetz zur Impfpflicht wurde im März 2019 insofern überarbeitet, als es nun vorsehe, Eltern mit einer Strafe von bis zu 500 Euro zu belegen, sollten sie nicht geimpfte Kinder zur Schule schicken. Nach dem neuen Gesetz könnten Krippen und Kindergärten ungeimpfte Kinder unter sechs Jahren zudem abweisen. Skeptisch gegenüber der neuen Impfregelung zeigt sich der Präsident der autonomen italienischen Region Friaul-Julisch Venetien: Wenn Kinder sechs Jahre alt würden, so befindet er, müssten sie „zwangsläufig zur Schule gehen, unabhängig davon, ob sie geimpft sind oder nicht“8. Eltern zu zwingen, ihre Kinder zu impfen, sei in seinen Augen eine Verschiebung des Problems.9 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2411 mit Schreiben vom 28. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz u.a. im Bereich „Maßnahmen gegen gemein-gefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen“ zu. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder aufgrund der vorgenannten Gesetz-gebungskompetenz nur dann noch eigene Regelungsmöglichkeiten , „solange und soweit“ der Bund von seiner Kompetenz „nicht durch Gesetz Gebrauch macht“. Vor diesem Hintergrund sowie im Hinblick auf die Absichten des Bundes, entsprechend legislativ tätig zu werden, wird seitens der Landesregierung in Frage gestellt, ob für eine gesetzliche Konstituierung einer Impfpflicht in Bezug auf Masern durch Nordrhein-Westfalen noch Raum verbleibt. Nach Ansicht der Landesregierung ist überdies eine bundesweite Regelung einer Masern- Impfpflicht erforderlich. Daher unterstützt sie die Bestrebungen von Bundesgesundheitsminister Spahn zur Einführung einer Masern-Impfpflicht. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers liegt nun vor. Die nachfolgenden Fragen werden daher auf Basis des Gesetzentwurfs des Bundesministeriums für Gesundheit beantwortet. 1. Welche Sanktionierungen der Eltern sieht das Konzept der Landesregierung zur Einführung einer Impfpflicht bei Missachtung vor? (Bei Geldbußen bitte maximale Höhe, bei anderen, nicht monetären, Sanktionen bitte maximale Dauer bzw. qualitative Merkmale spezifizieren) 2. Werden Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen nicht geimpfte Kinder abweisen dürfen? 7 Ebd. 8 https://de.euronews.com/2019/03/21/impfpflicht-italienischer-politiker-windpocken-krankenhausimpfen (abgerufen am 17.04.2019) 9 Ebd. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6382 3 3. Falls Frage 2 mit ja beantwortet wird: Wie wird die Landes-regierung sicherstellen, dass ein derartiges Vorgehen nicht mit der Einhaltung der Schulpflicht kollidiert? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantwortet. Kinder ohne Impfschutz bzw. ohne eine ärztliche Bescheinigung, die eine Immunität gegen Masern oder das Vorliegen einer gesund-heitlichen Kontraindikation gegen eine Masern- Schutzimpfung bestätigt, sollen künftig vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. Bei Schulen ist dies wegen der Schulpflicht nicht möglich. Eltern, die bei ihren ungeimpften schulpflichtigen Kinder keine Immunität gegen Masern oder eine Kontraindikation gegen die Masernimpfung nach-weisen, handeln dann nach den Bußgeldvorschriften des Infektionsschutzgesetzes ordnungswidrig und werden mit Geldbußen von bis zu 2.500 Euro rechnen müssen. 4. Auf Grundlage welcher Kriterien wird die Landesregierung bei Einführung einer Impfpflicht medizinische Kontraindikationen der Impfmaßnahmen berücksichtigen? Von der Impfpflicht ausgenommen sollen Personen sein, bei denen eine gesundheitliche Kontraindikation gegen die Schutzimpfung mit dem zur Verfügung stehenden Impfstoff vorliegt, etwa aufgrund einer Allergie gegen Bestandteile des Impfstoffs oder für die Dauer einer akuten schweren Erkrankung. Die notwendige ärztliche Bescheinigung muss dann ein Attest mit einem Befundbericht zur Anamnese, den Befund sowie eine epikritische Bewertung umfassen. Zur Unterstützung der Ärzteschaft bei der Beurteilung des Vorliegens einer medizinischen Kontraindikation hat die Ständige Impfkommission Anwendungshinweise veröffentlicht (Bundesgesundheitsblatt 2017: S. 674). 5. Wird es für private Bildungs- und Kinderbetreuungs-einrichtungen Ausnahmeregelungen geben, so dass Eltern ungeimpfter Kinder in diesen Fällen keine Sanktionen zu befürchten haben bzw. den Kindern nicht der Kita- oder Schulbesuch verwehrt wird? (Falls ja: Bitte diese Regelungen konkretisieren) Ausnahmeregelungen für private Bildungs- und Kinderbetreuungs-einrichtungen sind nach dem Gesetz-Entwurf nicht vorgesehen.