LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6389 28.05.2019 Datum des Originals: 28.05.2019/Ausgegeben: 03.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2418 vom 2. Mai 2019 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5970 Verbraucher oder Verursacher: Wer zahlt die Zeche für die Ertüchtigung des Messstellennetzes für die Überprüfung des Nitratgehalts im Grundwasser? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Kürzlich hat die Landesregierung eine Überprüfung und Ertüchtigung des Messstellennetzes zur Überprüfung der Grundwasserqualität angekündigt. Dazu führt derzeit das Landesumweltamt (LANUV) in Zusammenarbeit mit einem externen Gutachter eine Qualitätskontrolle der Messstellen in NRW durch. Nach einer Überprüfung des bestehenden Netzes und einer Behebung der hier aufgetretenen Probleme, sollen - dort wo erforderlich - neue Messstellen errichtet werden. Die Wahl der Standorte soll sich in diesem Zusammenhang an den Flächen orientieren, die landwirtschaftlich genutzt (Acker- oder Grünland) werden, sich in der Nähe eines mit Nitrat belasteten Grundwasserkörpers befinden oder wo die Nitratbelastung bereits den Grenzwert von 50 mg/L übersteigt. Die geplante Ertüchtigung des Messstellennetzes steht somit im unmittelbaren Zusammenhang mit der anhaltend hohen Nitratbelastung durch eine extensive Gülleaufbringung seitens der Landwirtschaft. NRW verfügte mit seinen 1.500 Messstellen bereits ein im Vergleich der Bundesländer engmaschiges Netz zur Überprüfung der Grundwasserqualität. Eine regelmäßige Kontrolle und (wo nötig) Sanierung der Messstellen ist Aufgabe der geregelten Umweltüberwachung. Bislang ist nicht bekannt, ob die durch eine Ertüchtigung entstehenden zusätzlichen Kosten nach dem Verursacherprinzip oder durch die Allgemeinheit finanziert werden. Im Zusammenhang mit der hohen Nitratbelastung werden die zusätzlichen Kosten der Wasserversorger (z.B. durch Beimischungen oder Brunnenschließungen) in Form höherer Wasserpreise bereits heute an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben. Gerecht wäre es hingegen, diese Kosten nach dem Verursacher- und Einleitungsprinzip zu finanzieren. Die Einführung eines ‚Güllecents‘ als Abgabe auf die auf landwirtschaftlichen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6389 2 Flächen aufgebrachte Gülle wäre eine Möglichkeit, um die bislang externalisierten Kosten verursachergerecht zu finanzieren. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2418 mit Schreiben vom 28. Mai 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (umgesetzt in nationales Recht durch Wasserhaushaltsgesetz und § 9 Grundwasserverordnung) verpflichtet, repräsentative Messstellennetze zur Ermittlung des mengenmäßigen und chemischen Zustands und der Trends in den einzelnen Grundwasserkörpern (GWK) einzurichten und zu betreiben. In Nordrhein-Westfalen sind es 275 Grundwasserkörper, die vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) überwacht werden. Dazu sind landesweit derzeit rund 1500 Messstellen für die Überwachung des chemischen Zustands in Betrieb. Davon unterhält das LANUV ca. 1100 Messstellen. Bei den restlichen Messstellen handelt es sich um Betreibermessstellen, bei denen das LANUV nur für die Überwachung zuständig ist. Der Betreiber trägt jedoch die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Zustand der Messstelle. Nach § 89 Landeswassergesetz NRW ermittelt das LANUV die Grundlagen der Wasserwirtschaft, in diesem Fall u.a. die Nitratbelastung des Grundwassers. Die Überwachung ist eine verursacherunabhängige hoheitliche Aufgabe. Möglichkeiten einer Kostenumlage von oder Kostenbeteiligung an Grundsatzkosten werden nicht gesehen. Wie jede flächendeckende Infrastruktur muss auch das Messnetz immer wieder systematisch hinsichtlich seiner Funktionstüchtigkeit (Stand der Technik, Eignung) überprüft und gewartet werden. Wie bereits im Landtagsbericht vom 18. April 2018 (Information 17/76) ausgeführt, sind seit dem Jahr 2005 keine nennenswerten Maßnahmen zur Regenerierung und Sanierung oder zum Ersatz von Messstellen getroffen worden, so dass nun entstandene Lücken im Messnetz durch neue landeseigene Messstellen oder durch geeignete Messstellen Dritter geschlossen und zahlreiche Messstellen hinsichtlich ihres aktuellen Zustands überprüft und ggf. regeneriert werden müssen. Unabhängig von der jetzigen Diskussion um die geplante neue Düngeverordnung (DüV) wurden bereits ab dem Jahr 2015 verschiedene Sanierungsprogramme aufgelegt. Dazu wurden vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum bis zum Jahr 2022 Sondermittel zur Verfügung gestellt, die für Überprüfungen, Funktionskontrollen, Sanierungen und Neubaumaßnahmen des gesamten Messnetzes eingesetzt werden. Aufgrund der aktuellen Diskussionen um die Düngeverordnung des Bundes werden die Maßnahmen zur Messnetzertüchtigung zurzeit mit besonderer Priorisierung auf die für das Nitratmonitoring (landwirtschaftliche Maßnahmenkulisse der neuen DüV) relevanten Gebiete gelenkt. Durch diese Fokussierung ergibt sich im Wesentlichen nur eine Prioritätensetzung in der zeitlichen Bearbeitung, Zusatzkosten entstehen daraus nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6389 3 1. Wie viele neue Messstellen zur Überprüfung der Grundwasserqualität gedenkt die Landesregierung in Folge der aktuellen Qualitätskontrolle zusätzlich zu errichten? Bitte Standorte nach Landkreisen aufschlüsseln. Derzeit sind insgesamt rund 160 Messstellenstandorte auf der Planungsliste des LANUV für den Messstellenbau. Ein Teil davon ist schon realisiert oder in Vorbereitung. Der hauptsächliche Anteil davon (ca. 140) sind Neubaubedarfe in Grundwasserkörpern, in denen die Messstellendichte zu verbessern ist. Darüber hinaus sind Ersatzbaumaßnahmen notwendig, wenn eine Messstelle nicht mehr genutzt werden kann und im betreffenden Grundwasserkörper dann nicht mehr genügend Messstellen vorhanden sind, um ein repräsentatives Monitoring zu gewährleisten. Oftmals ist jedoch ein Ersatz durch andere vorhandene Messstellen (z.B. Betreibermessstellen) möglich, so dass auf einen Ersatzneubau verzichtet werden kann. Die aktuelle Qualitätskontrolle, die sich auf die landwirtschaftlich beeinflussten Messstellen der GWK-Kulisse nach § 13 DüV mit erhöhten Nitrat- bzw. Stickstoffwerten bezieht (vgl. Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, vom 8.04.2019) umfasst rund 280 Messstellen. Da die Qualitätskontrolle der priorisierten 280 Messstellen erst angelaufen ist, kann die konkrete Anzahl oder die Lage von Neubaustandorten noch nicht angegeben werden. Der Baubedarf hängt darüber hinaus auch von der Messstellenabdeckung im jeweiligen Grundwasserkörper und von der Verfügbarkeit anderer vorhandener Messstellen ab. Das LANUV geht davon aus, dass aufgrund der aktuellen Prüfungen an nitrat-belasteten Messstellen in landwirtschaftlichem Einfluss in den Grundwasserkörpern nach § 13 DüV ein Ersatz defekter oder für das Nitratmonitoring ungeeigneter Messstellen durch Neubau in einem unteren zweistelligen Bereich erforderlich sein wird. 2. Welche Kosten entstehen durch die kürzlich angekündigte Qualitätskontrolle inkl. der daraus folgenden Umsetzung? (Bitte Gesamtkosten für externen Gutachter, die Erneuerung und Ertüchtigung des Messstellennetzes und die zu erwartende Zuwachs an jährlichen Wartungskosten benennen). 3. Mit welchen Mitteln werden die unter 2 dargelegten Kosten zur Überprüfung und Ertüchtigung des Messstellennetzes im Einzelnen finanziert? (Bitte tabellarisch darstellen). Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Für die gutachterliche Messstellenprüfung („Qualitätskontrolle“) an den noch nicht geprüften Wasserrahmenrichtlinien-Grundwassergüte-messstellen wurden dem LANUV 850.000 € zur Verfügung gestellt. Da zu erwarten ist, dass nach dieser Prüfung weiterer Handlungsbedarf in Umsetzung der gutachterlichen Ergebnisse bestehen wird, wurden für die Jahre 2019 bis 2022 darüber hinaus Finanzmittel bzw. Verpflichtungsermächtigungen für nachfolgende Tätigkeiten gebunden: Planung und Baustellenaufsicht für Regenerierungs-/Sanierungsmaßnahmen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6389 4 durch externen Gutachter : 1,1 Mio € Regenerierung, Sanierung von Grundwassermessstellen durch externe Fachleute: 1,7 Mio € Wie in der Antwort zur Frage 1 ausgeführt ist zu erwarten, dass nicht in allen Fällen die Regenerierungs-/Sanierungsmaßnahmen zu dem gewünschten Ergebnis führen werden und auch keine Ersatzmessstellen ertüchtigt und ins Messnetz aufgenommen werden können. Für den voraussichtlichen Messstellenbaubedarf („Lückenschluss“ und Ersatzmessstellen) wurden weitere 200.000 € gebunden. Alle vorgenannten Beträge werden aus Kapitel 10 050 Titelgruppe 66 (hydrologische Grundlagen) finanziert und sind als maximaler Finanzierungsrahmen zu verstehen, wobei Verschiebungen zwischen den Maßnahmenkategorien nach Bedarf möglich sind. Inwieweit diese Mittel in diesem Zeitraum in voller Höhe verausgabt werden, hängt u.a. auch von der Verfügbarkeit von Fachkräften ab und kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. In welcher Höhe künftig mit höheren Wartungskosten zu rechnen ist, kann aktuell nicht valide abgeschätzt werden. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Einführung eines Güllecents, um eine dauerhafte Finanzierung der Ertüchtigung und des Betriebs des Messnetzes nach dem Verursacherprinzip gewährleisten zu können? 5. Beabsichtigt die Landesregierung, durch Wahl anderer Instrumente, landwirtschaftliche Betriebe als Verursacher an den Kosten für eine Nachrüstungsfinanzierung bzw. des dauerhaften Betriebs zu beteiligen? (Bitte Maßnahmen benennen). Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Der Betrieb eines repräsentativen Messnetzes ist – wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt – eine staatliche Aufgabe zur Erhebung der Grundlagen des Wasserhaushalts und damit nicht über Dritte, wie Landwirte, Industrie oder Kommunen zu finanzieren. Daher scheidet auch die Finanzierung über einen Güllecent aus.