LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6396 29.05.2019 Datum des Originals: 29.05.2019/Ausgegeben: 04.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2433 vom 3. Mai 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5991 Feiertagsschutz - Rechtsbeugung durch die Bezirksregierung Arnsberg? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem Bericht des WDR1 darf der Bochumer Verein „Religionsfrei im Revier" am diesjährigen Karfreitag eine Disco veranstalten. Dafür habe die Bezirksregierung Arnsberg eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Im Jahr zuvor habe die Bezirksregierung dem Verein bereits eine Ausnahmegenehmigung zur Vorführung des Films „Das Leben des Brian“ erteilt, welcher als religionssatirisch gilt. Grundsätzlich sieht § 6 Abs. 3 Nr. 3 FeiertG NRW ein Verbot für die Vorführung von Filmen, die nicht durch den Kultusminister oder eine von ihm bestimmte Stelle als zur Aufführung geeignet anerkannt sind, vor. Ausnahmen können nach § 10 Abs. 1 FeiertG NRW nur bei dringenden Bedürfnissen zugelassen werden, sofern der Feiertagsschutz nicht erheblich beeinträchtigt wird. Nach dem Bericht des WDR zeige der Verein trotz des Verbots seit sechs Jahren (in fünf Fällen ungenehmigt) den Film „Das Leben des Brian" - als Provokation! Der Film der britischen Komikergruppe Monty Python ist einer von einigen Hundert Filmen, die an Karfreitag in Deutschland verboten sind. Dennoch habe der Bochumer Verein im vergangenen Jahr erstmals von der Bezirksregierung Arnsberg eine Genehmigung bekommen, den Film zu zeigen. Von der letztjährigen Genehmigung bestärkt, habe der Verein in diesem Jahr eine Ausnahmegenehmigung für eine grundsätzlich verbotene Tanzveranstaltung (§ 6 Abs. 3 Nr.1, Abs. 1 Nr. 5 FeiertG NRW) beantragt. Auch dafür habe die Bezirksregierung Arnsberg eine Ausnahmegenehmigung erteilt. 1 https://www1.wdr.de/nachrichten/k-freitag-disco-erlaubt-100.html , aufgerufen am 10.04.2019. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6396 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2433 mit Schreiben vom 29. Mai 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Inwiefern kann ein dringendes Bedürfnis i.S.v § 10 Abs. 1 FeiertG NRW gesehen werden? Bitte die in der Genehmigung dargelegten Begründung angeben! Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Ausnahmen von den Veranstaltungsverboten an stillen Feiertagen wie dem Karfreitag für solche Veranstaltungen vorzusehen, die dem Schutz der Grundrechte auf Versammlungsfreiheit oder der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit unterfallen. Nach der Rechtsprechung ist ein „dringendes Bedürfnis“ im Sinne von § 10 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW) daher nicht eng im Sinne einer objektiven Notwendigkeit zu verstehen. Vielmehr kann es auch vorliegen, wenn die Veranstaltung ihrerseits dem Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG)) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) unterfällt. Die Initiative „Religionsfrei im Revier“ tritt für einen weltanschaulich neutralen Staat ein und veranstaltet die Aufführung des Films „Das Leben des Brian“ gerade an einem Karfreitag als Protest gegen die als Religionsbevormundung empfundenen Regelungen des Sonn- und Feiertagsgesetzes. Ein dringendes Bedürfnis im Sinne von § 10 Feiertagsgesetz NW wurde daher vorliegend durch die Grundrechtsrelevanz der Veranstaltung - insbesondere die Wahrnehmung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in der Ausprägung der Weltanschauungsfreiheit - im oben dargelegten Sinne begründet. Auch das Bundesverfassungsgericht führte in seinem Nichtannahmebeschluss zu einer in dieser Angelegenheit im Jahr 2016 eingereichten Verfassungsbeschwerde aus, dass ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 10 Feiertagsgesetz NW im Falle dieses Veranstalters unter dem Aspekt konkurrierender Grundrechte zu bewerten und entsprechend der bisherigen Rechtsprechung nach Abwägung nicht aussichtslos sei. 2. Wie konnte die Bezirksregierung Arnsberg annehmen, dass der Feiertagsschutz – wie § 10 Abs. 1 FeiertG NRW voraussetzt – nicht erheblich beeinträchtigt wird, obwohl der Film zur Provokation vorgeführt werden soll? Die Veranstaltung fand in den Abendstunden in einem geschlossenen Raum statt. Eine Beeinträchtigung des äußeren Ruherahmens war aufgrund des gewählten Rahmens und der gewählten Örtlichkeit nicht zu besorgen. Auch im Vorjahr kam es nicht zu Beschwerden. 3. Wie konnte die Bezirksregierung in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens die Genehmigung erteilen, obwohl der Verein den Film bereits fünf Jahre rechtswidrig vorführte? Die Rechtswidrigkeit der Veranstaltung in der Vergangenheit beruhte darauf, dass der Veranstalter es versäumt hatte, eine Genehmigung zu beantragen. Die Tatsache, dass der Veranstalter in den Vorjahren keine Ausnahmegenehmigung beantragt hat und mit der Durchführung der Veranstaltung gegen die Regelungen des Feiertagsgesetzes NW verstoßen hat, entfaltet keine präjudizierende Wirkung für die Bescheidung weiterer Anträge. Die Bezirksregierung Arnsberg hat den Antrag unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhaltes sowie der einschlägigen Rechtsprechung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens genehmigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6396 3 4. Wie wird die Erteilung der Ausnahmegenehmigung begründet, d.h. inwiefern kann ein dringendes Bedürfnis i.S.v. § 10 Abs. 1 FeiertG NRW gesehen werden? Da auch dieser Bestandteil der Veranstaltung dem Schutzbereich von Grundrechten - insbesondere dem Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit - unterfällt, verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 1. 5. Wie konnte die Bezirksregierung Arnsberg annehmen, dass der Feiertagsschutz – wie § 10 Abs. 1 FeiertG NRW voraussetzt – nicht erheblich beeinträchtigt wird? s. Antwort zu Frage 2