LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6414 31.05.2019 Datum des Originals: 31.05.2019/Ausgegeben: 05.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2415 vom 2. Mai 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth und Frank Neppe FRAKTIONSLOS Drucksache 17/5965 Verhinderte Rückführungen und Aufruf zu zivilem Ungehorsam: BAMF-Chef kritisiert Verhalten von Landesflüchtlingsräten und Nichtregierungsorganisationen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem Beitrag auf „WELT“ online wird berichtet, der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befürworte strafrechtliche Schritte gegen „selbst ernannte Flüchtlingsräte“1, die das Ziel verfolgen, Abschiebungen zu be- bzw. verhindern. Ihm folgend würden diese ihr Interesse, Abschiebungen zu bekämpfen, „auch ganz offen“2 zugeben. Es sei „ganz offensichtlich“, so der BAMF-Chef weiter, „dass einige Organisationen das Interesse verfolgen, Abschiebungen generell zu bekämpfen“3. Er denke hierbei „vor allem an selbst ernannte Flüchtlingsräte“4. Der Verein „PRO ASYL“, in dessen Bundesarbeitsgemeinschaft Mitarbeiter landesweiter Flüchtlingsräte, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen vertreten sind5, weist die Kritik des BAMF-Chefs zurück: „Rund die Hälfte der Asylentscheidungen des BAMF zu Afghanistan“, behauptet der „PRO ASYL“-Chef, werden von den Richtern „wieder kassiert, wenn die Gerichte inhaltlich entscheiden“6. Vor diesem Hintergrund sei es „mehr als berechtigt, das behördliche Handeln zu kritisieren“7. Die Sprecherin für Flüchtlingspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen warf dem 1 https://www.welt.de/politik/deutschland/article190771629/Kritik-am-BAMF-Chef-Unanstaendig-die- Axt-an-die-Fluechtlingsraete-zu-legen.html (abgerufen am 27.03.2019) 2 Ebd. 3 Ebd. 4 Ebd. 5 https://www.proasyl.de/bundesarbeitsgemeinschaft-pro-asyl/ (abgerufen am 27.03.2019) 6 Ebd. 7 https://www.welt.de/politik/deutschland/article190771629/Kritik-am-BAMF-Chef-Unanstaendig-die- Axt-an-die-Fluechtlingsraete-zu-legen.html (abgerufen am 27.03.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6414 2 BAMF-Chef vor, die Zivilgesellschaft zu attackieren, und ihre Fraktionskollegin, die Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, erinnere die Kriminalisierung der Zivilgesellschaft an die „Praxis der Orbáns oder Salvinis“8 in Europa. Viele Flüchtlingsräte verbreiteten laut Tageszeitung „taz“ „im Internet und auf Flugblättern Abschiebungstermine und empfehlen Betroffenen, sich an diesen Tagen nicht an ihrer Meldeadresse aufzuhalten“9. 2018 publizierte die „taz“ unter dem Titel „Anleitung zum Ungehorsam“ eine Art Ratgeber zur Verhinderung bzw. Verzögerung von Abschiebungen.10 Die dort formulierten Tipps richten sich nicht an betroffene ausreisepflichtige Asylbewerber, sondern an außenstehende Dritte, denen laut Autorin erklärt werden solle, wie ziviler Ungehorsam gegen Abschiebungen, gegen Racial Profiling oder rassistische Polizeigewalt funktioniere.11 Das Medien-Portal „MEEDIA“ stellte, auf den „taz“-Artikel rekurrierend, die Frage „Ist das noch Journalismus?“ und sprach von einem „problematischen Stück“12. Der Innenminister des Landes Baden-Württemberg (CDU) thematisierte in einem Schreiben an einen Parteikollegen, dass die Landesflüchtlingsräte auf ihrer Website Informationen verlinkt hätten, die der Verhinderung von Abschiebungen dienen. „Wer vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer aufruft unterzutauchen, um dadurch Abschiebungen zu verhindern“, befindet er, könne sich nicht auf ein „vermeintliches Widerstandsrecht“ berufen. Ein „solches Agieren“ sei nicht akzeptabel.13 Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2415 mit Schreiben vom 31. Mai 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Liegen der Landesregierung Zahlen vor, wie viele Rückführungen ausreisepflichtiger Asylbewerber im Zeitraum von 2018 bis aktuell durch eine Einflussnahme Dritter verhindert bzw. hinausgezögert worden sind? 2. Wie viele der erfassten Fälle der Be- bzw. Verhinderung von Rückführungen durch Dritte sind im Zeitraum von 2018 bis aktuell strafrechtlich verfolgt bzw. rechtswirksam verurteilt worden? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 und 2 gemeinsam beantwortet: Es erfolgt keine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellungen. Die „Be- bzw. Verhinderung von Rückführungen durch Dritte“ ist kein eigenständiger Straftatbestand. 3. Über welche Kontrollinstrumentarien verfügt die Landesregierung, um die Gesetzestreue des Flüchtlingsrat NRW e. V. sowie anderer im Asylwesen tätiger Organisationen sicherzustellen? Die Sicherstellung der Gesetzestreue von „im Asylwesen tätige[n] NGOs“ ist nicht Aufgabe der Landesregierung. Für die Einhaltung von Gesetzen ist jede Organisation selbst verantwortlich. 8 http://www.taz.de/!5582839/ (abgerufen am 27.03.2019) 9 Ebd. 10 http://www.taz.de/!5519822/ (abgerufen am 10.04.2019) 11 Ebd. 12 https://meedia.de/2018/07/30/ist-das-noch-journalismus-taz-liefert-in-abschiebe-debatte-anleitungzum -zivilen-ungehorsam/ 13 https://www.focus.de/regional/stuttgart/politik-in-baden-baden-strobl-und-wald-nichtakzeptabel _id_8617034.html (abgerufen am 28.03.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6414 3 Im Übrigen unterliegen Organisationen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform und den von ihnen verfolgten Zwecken den für sie jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen (z.B. den für Vereine geltenden Vorschriften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder als Körperschaft bei der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke den Vorschriften der Abgabenordnung). 4. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko der Gefährdung der inneren Sicherheit angesichts der Behauptung, dass einige Landesflüchtlingsräte und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Abschiebungen be- bzw. verhindern würden? Die Landesregierung wirkt auf eine konsequente und rechtsstaatliche Durchsetzung von Rückführungen bzw. Abschiebungen hin. 5. In welcher Höhe erhielten im Asylwesen tätige NGOs, die aktiv an Abschiebeverhinderungsversuchen mitwirkten, im vergangenen Jahr eine finanzielle Unterstützung aus Landesmitteln? (Bitte nach Organisation aufschlüsseln) Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass Abschiebungen von durch die Landesregierung geförderten Organisationen verhindert worden sind.