LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6455 04.06.2019 Datum des Originals: 04.06.2019/Ausgegeben: 07.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2437 vom 7. Mai 2019 der Abgeordneten Marcus Pretzell und Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6113 Verbesserungen beim Opferschutz drängen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem 1. Dezember 2017 hat das Land Nordrhein-Westfalen eine Opferschutzbeauftragte, Generalstaatsanwältin a.D. Elisabeth-Auchter-Mainz. Die Opferschutzbeauftragte informiert mit ihrem Team Verbrechensopfer über ihre Rechte, aber auch über Pflichten wie die als Zeuge. Sie klärt über den Ablauf von Ermittlungs- und Strafverfahren auf und unterstützt mit ihrem Büro Opfer, so zum Beispiel durch eine „Lotsenfunktion“1 beim Finden geeigneter professioneller Opferhilfestellen. Frau Auchter-Mainz hat jetzt ihren ersten Jahresbericht abgegeben. Im entsprechenden Zeitraum haben 820 Menschen Hilfe beim Team der nordrhein-westfälischen Opferschutzbeauftragten gesucht.2 Fast die Hälfte der Hilfesuchenden, 47%, waren Männer.2 „Nach den Worten von Auchter-Mainz geht es vor allem um Männer, die Opfer von Betrug oder häuslicher Gewalt wurden. Hinzu kämen ehemalige Heimkinder, die sexuelle und körperliche Übergriffe erlitten hätten.“3 Die Opferschutzbeauftragte weist in ihrem Bericht darauf hin, dass es zu wenig Hilfsangebote für männliche Opfer gebe, insbesondere für solche sexualisierter Gewalt.2,4 Außerdem führt die Opferschutzbeauftragte aus, dass das Verfahren der Opferentschädigung „teils zu formalisiert und schwerfällig sei“2 und empfiehlt darüber hinaus die Einrichtung von Sonderdezernaten bei den Staatsanwaltschaften, unter anderem für Gewalt gegen Senioren, Verfahren wegen häuslicher Gewalt und Straftaten zum Nachteil von Einsatzkräften, ebenso wie eine Stärkung der psychosozialen Prozessbetreuung.2 In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung bezugnehmend zum Jahresbericht der Opferschutzbeauftragten: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6455 2 Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 2437 mit Schreiben vom 4. Juni 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Beratungs- sowie das Hilfsangebot für Männer, die Opfer von häuslicher und/ oder sexualisierter Gewalt wurden? Die Landesregierung weiß um die Problematik, dass es bisher - neben den allgemeinen Einrichtungen der Opferhilfe und -beratung, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann - kaum explizit ausgewiesene Beratungs- und Hilfsangebote für Männer, die Opfer von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt wurden, gibt. Sie hat daher Maßnahmen eingeleitet, um Lösungen zu erarbeiten. Allerdings fördert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen insgesamt 264 Familienberatungsstellen, von denen 80 als ausgewiesene Ehe- und Lebensberatungsstellen tätig sind. Diese Beratungsstellen beraten zu allen Familien-, Ehe- und allgemeinen Lebensfragen und leisten so einen wichtigen Beitrag zur psychosozialen Unterstützung von Menschen in besonderen Problem- und Lebenslagen. Zudem fördert die Landesregierung sechs psychosoziale Beratungsstellen für LSBTIQ* und ihre Angehörigen, die im Rahmen ihrer Beratung ein breites Spektrum von Beratungsinhalten abdecken, unter anderem auch die Beratung bei Gewalterfahrung. Diese arbeiteten dabei eng mit der Landeskoordinierungsstelle Anti-Gewalt-Arbeit für LSBT* in NRW zusammen. Gewaltprävention und Antidiskriminierungsarbeit gehören zu den Aufgabenschwerpunkten der Fachstelle. Sowohl die LSBTIQ*-Beratungsstellen als auch die Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit leisten engagierte und kompetente Arbeit. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung arbeitet an der Erstellung eines Landesaktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Jungen, Männer und (L)SBTI. Ziel des Landesaktionsplans ist es, Maßnahmen zur Prävention und nachhaltigen Bekämpfung von Gewalt gegen Jungen, Männer und (L)SBTI zu beschreiben und Impulse zur Schaffung von Rahmenbedingungen zu setzen, die umfassenden Schutz und eine bedarfsgerechte Unterstützung von Betroffenen gewährleisten. Dies gilt ausdrücklich auch für männliche Betroffene von sexualisierter Gewalt. Des Weiteren wird im Rahmen einer repräsentativen Dunkelfeldstudie, die das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung gegenwärtig gemeinsam mit dem Ministerium des Innern durchführt, die Gewaltbetroffenheit von Jungen und Männern systematisch erhoben. Die Landesregierung greift der insoweit noch ausstehenden abschließenden fachlichen Bewertung nicht vor. 2. Plant die Landesregierung Maßnahmen, zum Beispiel durch die Bereitstellung der nötigen finanziellen Mittel, die die Schaffung von „Männerhäusern“ (parallel zu den bereits existierenden „Frauenhäusern“) befördern? Im Rahmen der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Planung zum spezialisierten Hilfeleistungssystem wird auch der Bedarf an Akutschutzplätzen für von Gewalt betroffene Jungen und Männer berücksichtigt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6455 3 3. Plant die Landesregierung den Ausbau des Hilfsangebots für männliche Opfer sexualisierter Gewalt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Wie steht die Landesregierung zur Frage der Vereinfachung von Opferentschädigungen? Die Landesregierung steht Vereinfachungen der Opferentschädigung aufgeschlossen gegenüber. Die langjährig bewährten Grundsätze des Opferentschädigungsgesetzes sollten hierfür den Rahmen bilden, um auch zukünftig einen umfassenden und einzelfallbezogenen Opferschutz gewährleisten zu können. 5. Von Gewalt bis Betrug sind Senioren eine besonders vulnerable Gruppe von Verbrechensopfern. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um Senioren noch besser vor Kriminalität zu schützen? Die Polizei Nordrhein-Westfalen setzt bereits seit Jahren eine zielgruppenspezifische, vielschichtige und nachhaltige Prävention für Seniorinnen und Senioren durch gezielte Netzwerkarbeit und Kooperationen um. In den Beratungsstellen der 47 Kreispolizeibehörden können sich Senioren, Angehörige und weitere Bedarfsträger zu spezifischen Themen informieren. Darüber hinaus informieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kriminalkommissariate Kriminalprävention/Opferschutz der Kreispolizeibehörden bei unterschiedlichen Anlässen vor Ort. Ergänzend besteht die Möglichkeit, sich auf den Internetseiten der Polizei online über Präventionsmöglichkeiten zu informieren. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) greift neue Tatbegehungsformen auf, erstellt Präventionshinweise (z. B. „Falsche Polizeibeamte am Telefon“), informiert hierüber die Kreispolizeibehörden und stellt diese Informationen im Internet zu Verfügung. Der wechselseitige Informationsaustausch mit den Netzwerkpartnern und die verstärkte Umsetzung präventiver Ansätze gegen aktuelle Deliktsschwerpunkte stehen dabei im Fokus. Das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes informiert ebenfalls Seniorinnen und Senioren über Erscheinungsformen der Kriminalität und Möglichkeiten zu deren Verhinderung. Im Rahmen einer engen Kooperation zwischen dem LKA NRW, der Landesseniorenvertretung NRW und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, wurden die Broschüren „Sicher Leben“ und „Sicher zu Hause“ für die Zielgruppe der Seniorinnen und Senioren erstellt. Auch die gemeinsam mit dem Ministerium der Justiz herausgegebene und mit der Beauftragten für den Opferschutz abgestimmte Informationsbroschüre „Der Opferschutz für Seniorinnen und Senioren. Informationen zu Hilfsund Unterstützungsangeboten“ enthält einen Abschnitt zur Kriminalprävention. Teil einer wirksamen Kriminalprävention ist eine effektive Strafverfolgung. Voraussetzung ist eine entsprechende personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden, die - insbesondere bei den Staatsanwaltschaften - auch Raum für eine weitere Spezialisierung auf das Deliktsfeld der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen schaffen kann (zu vgl. LT-Vorlage 17/1688). So hat die Landesregierung mit den Haushalten 2018 und 2019 u. a. die Staatsanwaltschaften konsequent stellenmäßig verstärkt.