LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/658 18.09.2017 Datum des Originals: 15.09.2017/Ausgegeben: 21.09.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 233 vom 21. August 2017 des Abgeordneten René Schneider SPD Drucksache 17/428 Dulde und liquidiere: RAG muss Mitgliedsbeiträge im Deichverband übernehmen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Wie die Rheinische Post Anfang August berichtet, habe ein vom Deichverband Xanten-Duisburg in Auftrag gegebenes Gutachten ergeben, dass künftig mehrere tausend Anwohner in Moers und Kamp-Lintfort zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen verpflichtet werden könnten, weil ihre Immobilien in den vergangenen Jahren aufgrund bergbaulicher Tätigkeiten zum Teil metertief abgesenkt worden sind und somit nunmehr von den Folgen eines Hochwassers betroffen wären. Einen ähnlichen Fall gab es in der Vergangenheit schon einmal. Grundstücke im Rheinberger Stadtteil Orsoyer Berg waren durch den untertägigen Steinkohleabbau derart abgesenkt worden , dass die Liegenschaften danach erstmalig von einem Hochwasser bedroht worden wären . Da dies eine direkte Folge des Bergbaus war, erklärte sich die RAG nach dem Prinzip „Dulde und liquidiere“ im Jahr 2014 bereit, die Mitgliedsbeiträge der neu zu veranlagenden Anwohner komplett zu übernehmen. Dieses Vorgehen war bereits im Planfeststellungsverfahren von 2002 (Bergwerk Walsum) so vereinbart worden: „Die DSK AG hat – ohne Anerkennung der Rechtspflicht – die Übernahme der durch die Vergrößerung des Deichverbandsbereichs bei neuen Mitgliedern entstehenden Verbandbeiträge erklärt. Ebenso hat die DSK AG die Übernahme der aus Deicherhöhungen resultierenden erhöhten Instandhaltungsaufwendungen erklärt.“ Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 233 mit Schreiben vom 15. September 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/658 2 Vorbemerkungen der Landesregierung Zu dem in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage genannten Gutachten hat der Deichverband Duisburg-Xanten der Landesregierung Folgendes mitgeteilt: „Die ehemaligen Deichverbände Orsoy und Poll waren sich seit Jahren einig, dass es aus verschiedenen Gründen, dringend geboten war die inneren und äußeren Grenzen der Verbandsgebiete überprüfen zu lassen. U.a. zur Vermeidung von Auseinandersetzungen vereinbarten vor gut einem Jahr die beiden Verbände, einen Zusammenschluss zu prüfen und schließlich zu betreiben. Hierdurch entfiel die Überprüfung der inneren Grenze zwischen dem Deichverband (DV) Orsoy und dem DV Poll. Da auch die Grenze zum DV Friemersheim überprüft werden sollte, wurde im letzten Jahr die RWTH Aachen von allen drei Deichverbänden beauftragt ein Gutachten zu erstellen , aus dem sich rechtssicher die Bereiche ableiten lassen, die durch die Deichanlagen von damals Poll und Orsoy und heute Duisburg - Xanten geschützt werden. Dieses Gutachten liegt zwischenzeitlich vor und soll als Grundlage dienen, die geschützten Grundstücke parzellenscharf zu ermitteln, durch die Bezirksregierung Düsseldorf zuweisen zu lassen und schließlich beizuziehen. Betroffen von diesem Vorhaben sind sowohl Grundstücke auf dem heutigen Gebiet vom DV Friemersheim, Grundstücke im Bereich der Stadt Kamp-Lintfort, (Niersenbruch), der Stadt Rheinberg (Millingen, Alpsray). Im Rahmen der Gutachtenerstellung wurden die aktuellen Höhenlagen ermittelt. Die Grundlagen hierfür sowie das gesamte Vorgehen wurden mit der Bez.Reg. Düsseldorf abgestimmt. Die noch durchzuführenden Beiziehungen betreffen nach dem heutigen Stand sowohl Grundstücke, die von Bergsenkungen der RAG und des Salzbergbaus betroffen sind, als auch Grundstücke die nicht in Bergsenkungsgebieten liegen. Es war und ist nicht Zielsetzung des Gutachtens, Verantwortlichkeiten zu ermitteln, sondern lediglich festzustellen, welche Bereiche aktuell durch unsere Deiche geschützt werden . Alle anderen Aspekte müssen sicher im zivilrechtlichen Bereich geklärt werden.“ 1. Teilt die Landesregierung meine Auffassung, dass der untertägige Abbau daran Schuld trägt, dass die in o.g. Gutachten festgehaltenen ehemals hochwassersicheren Grundstücke nunmehr von Hochwasser bedroht sind? Das in der Vormerkung der Kleinen Anfrage genannte Gutachten beschränkt sich in seiner Aussage auf die Festlegung neuer Verbandsgrenzen zwischen den beiden Deichverbänden. Die Frage, ob der Bergbau für die Hochwassergefährdung der aus dem Deichverband Friemersheim umzugliedernden Grundstücke verantwortlich ist, war nicht Gegenstand des Gutachtens . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/658 3 2. Ist eine wie oben skizzierte Selbstverpflichtung des Bergbautreibenden auch in den für Kamp-Lintfort und Moers maßgeblichen Rahmenbetriebsplänen so festgehalten ? Der Planfeststellungsbeschluss für den Rahmenbetriebsplan zur Gewinnung von Steinkohle im Bergwerk West für den Zeitraum 2003 bis 2019 der Deutschen Steinkohle AG (DSK AG) vom 11. April 2003 enthält in der Begründung folgende Erklärung der Bergbautreibenden: „Im Übrigen hat die Antragstellerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Bereitschaft zur Übernahme der durch Vergrößerung des Deichverbandsbereichs bei neuen Mitgliedern entstehenden Verbandsbeiträge erklärt.“ Zur Fragestellung von Aufwendungen für Deicherhöhungen sind im o.g. Planfeststellungsbeschluss keine Aussagen bzw. Regelungen enthalten, da der antragsgegenständliche Rahmenbetriebsplan zum Bergwerk West keinen Abbau mit Auswirkungen auf Deiche umfasst. 3. Wird die RAG – unabhängig von möglichen Verpflichtungen, die ihr aus Rahmenbetriebsplänen erwachsen – die Mitgliedsbeiträge von Immobilienbesitzern übernehmen , die aufgrund bergbaulicher Aktivitäten in Moers und Kamp-Lintfort neu zu einer Deichgebühr veranlagt werden sollen? Zu dieser Frage hat die Landesregierung die RAG AG um eine Stellungnahme gebeten. Die RAG AG hat Folgendes mitgeteilt: „Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, die zu Veränderungen in der Berechnung von Hochwassermodellen und dann ggf. auch zu Veränderungen der Schutzbereiche der Deiche führen können (z. B. Bemessungsgrundlagen der Hochwasserereignisse). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass uns weder das vom Deichverband Xanten-Duisburg in Auftrag gegebene Gutachten bekannt ist noch Kenntnis darüber vorliegt, welche Gebiete von der Zuständigkeit des neu gegründeten Deichverbands Xanten-Duisburg umfasst sind, können wir gegenwärtig keine pauschale Zusage einer solchen Kostenübernahme geben. Wir bitten um Verständnis, dass es vor einer etwaigen Zusage einer ggf. so weitreichenden Verpflichtung einer konkreten Aufarbeitung und Prüfung des Sachverhalts bedarf.“ 4. Was unternimmt die Landesregierung, damit die RAG nicht nur wie bspw. am Orsoyer Berg vorgesehen bis 2044 die Deichgebühren trägt, sondern als Ewigkeitslast zeitlich unbegrenzt? Die RAG AG hat zu den Gründen für eine befristete Laufzeit der Vereinbarung zur Kostenübernahme mitgeteilt, dass sich die Rahmenbedingungen für den Hochwasserschutz kontinuierlich ändern. Die RAG AG habe bei Abschluss der vertraglichen Regelung unterstellt, die von ihr übernommenen Pflichten seien durch (ein tatsächlich nicht vorhandenes) Gerichtsurteil abgesichert , und sie habe sich daher an der längstmöglichen Vollstreckungsfrist – 30 Jahre – orientiert. Daraus resultiere eine Laufzeit bis Ende 2044. Die Bereitschaft, unter Berücksichtigung der dann gegebenen Gesamtsituation des Hochwasserschutzes eine angemessene Folgeregelung zu vereinbaren, sei jedoch bereits in der vertraglichen Vereinbarung erklärt. Die Landesregierung wird bei der RAG AG darauf drängen, im Interesse der Grundstückseigentümer , die aufgrund der bergbaubedingten Senkungen Zwangsmitglied im Deichverband LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/658 4 geworden sind, Klarheit hinsichtlich der Bereitschaft zur dauerhaften Übernahme der Beitragskosten zu schaffen. Diese Grundeigentümer dürfen nicht mit gegebenenfalls erforderlichen zusätzlichen Kosten für Maßnahmen des Hochwasserschutzes belastet werden, die nur auf Bergbaueinwirkungen zurückzuführen sind.