LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6662 25.06.2019 Datum des Originals: 24.06.2019/Ausgegeben: 28.06.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2556 vom 22. Mai 2019 des Abgeordneten Frank Neppe FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6349 Staatliches Schatzregal vs. private Schatzkammer Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Durch die Einführung des Schatzregals wurde die Hadrianische Teilung des § 984 BGB in NRW abgeschafft. Wer bewegliche (Boden-)Denkmäler und Funde von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung entdeckt und in Besitz nimmt, teilt sich das Eigentum an der Sache nicht mehr hälftig mit dem Eigentümer der Sache, in welcher der Schatz verborgen war, sondern der Fund geht mit der Entdeckung durch das staatliche Schatzregal in das Eigentum des Landes über. Im Gegenzug soll zum Verlust des Eigentums gemäß § 17 DSchG NRW eine angemessene Belohnung in Geld gewährt werden, die sich am wissenschaftlichen Wert des Fundes orientiert. Da der Markt- und Materialwert den wissenschaftlichen Wert eines Fundes durchaus übertreffen kann und die Belohnung durch die Soll-Vorschrift nicht garantiert ist, entsteht bei der Maximierung des wirtschaftlichen Vorteils auf Seiten des Entdeckers ein Anreiz den Fund zu verheimlichen und der Schattenwirtschaft oder der privaten Schatzkammer, bis zu einer Einführung einer schatzsucherfreundlicheren Rechtslage, zuzuführen. In der Facebook-Gruppe „Sondler Brigade“ mit über 12.000 Mitgliedern1 ist von mehreren Schatzsuchern im gleichen Tenor zu lesen, dass sich das Schatzregal negativ auf die Bereitschaft, Funde zu melden, auswirke. Reinhart Z. von Familienbetriebe Land und Forst NRW e.V. vertrat in der Sachverständigenanhörung am 15.03.2019 im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen die Meinung, dass man zur früheren Regelung zurückkehren sollte. Bei der jetzigen Regelung bestehe die Gefahr, dass die Funde gar nicht mehr gemeldet und eventuell ins Ausland verkauft werden, wenn es sich um sehr große oder materiell bedeutende Funde handle.2 1 Stand 22.05.2019 2 APr 17/573, S. 40 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6662 2 Bereits zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes 2013 äußerten sich CDU und FDP kritisch zum Gesetzesentwurf der Landesregierung. Ingola Schmitz von der FDP merkte in Ihrem Redebeitrag zur zweiten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen der Landesregierung von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen an, dass ein Schatzregal dann sinnvoll sei, wenn es dazu geeignet wäre, Fundunterschlagungen zu verhindern. Da der ehrliche Finder kein Miteigentum an der Fundsache erhalte und eine Belohnung auch nicht garantiert sei, wäre die Regelung des Schatzregals nicht sinnvoll. Eine Regelung welche dem Finder garantiere, dass er am Ende nicht mit leeren Taschen dastehe, setze mehr Anreize für eine Ablieferung.3 Die FDP Fraktion scheiterte mit ihrem Entschließungsantrag, in dem es heißt, „[e]in Schatzregal führt im Ergebnis zur Enteignung und dies gehört nicht in die Traditionslinie demokratischer Staaten“4. Auch aus Sicht von Eckhard Uhlenberg von der CDU müsse auch in Zukunft eine angemessene Belohnung gewährleistet werden, da sonst wichtige Fundstücke für immer verlorengehen.5 Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen der Landesregierung von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen der sechzehnten Wahlperiode wurde auch das Auskunfts- und Betretungsrecht zu Lasten von Eigentümern von Denkmälern verändert. Während zuvor Eigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte von Denkmälern nach vorheriger Benachrichtigung den Beauftragten der Denkmalbehörden zu gestatten hatten, dass diese Grundstücke und Wohnungen betreten sowie Prüfungen und Untersuchungen anstellen, soweit dies zur Erhaltung des Denkmals dringend erforderlich war, sind Denkmalbehörden und Denkmalpflegeämter seit der Gesetzesänderung berechtigt Grundstücke, Gebäude und Wohnungen zu betreten, um Denkmäler festzustellen, zu besichtigen oder zu untersuchen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Denkmalschutzgesetz erforderlich ist. Für das Betreten nicht eingefriedeter Grundstücke, muss keine vorherige Benachrichtigung mehr erfolgen. Diese Regelung ist aus Sicht von Eckhard Uhlenberg (CDU) „ein Anschlag auf das geschützte Eigentum“6. Die Befugnisse, eine Wohnung oder ein Grundstück zu betreten, ohne dass dies dringend erforderlich ist, werde von den Vertreten der Denkmalbehörde in dieser Form abgelehnt, so Uhlenberg weiter.7 Laut Ingola Schmitz (FDP) haben Denkmalschutzbehörden durch die Regelung weitergehende Betretungsrechte als jede Polizeibehörde, dies sei „verfassungsrechtlich äußerst fragwürdig“8. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 2556 mit Schreiben vom 24. Juni 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die ökonomische Anreizwirkung des Denkmalschutzgesetzes NRW zur Meldung und Abgabe von Funden an die Untere Denkmalbehörde oder das Denkmalpflegeamt? 3 Plenarprotokoll 16/37, S. 3405 4 Drucksache 16/3517 5 Plenarprotokoll 16/37, S. 3402 6 Ebd. 7 Ebd. 8 Plenarprotokoll 16/37, S. 3405 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6662 3 Es fallen nur Objekte unter das Schatzregal, die einen hohen wissenschaftlichen Wert aufweisen. Die wissenschaftliche Bedeutung ist unabhängig vom materiellen Wert der Objekte. In der Regel ist es so, dass dieser bei den meisten Schatzregalfunden eher gering ist. Seit Einführung des Schatzregals in Nordrhein-Westfalen ist die Anzahl der gemeldeten Funde stabil. Ein negativer Effekt auf das Abgabeverhalten ist nicht feststellbar. 2. Mit welcher Begründung hält die Landesregierung die aus dem Mittelalter stammende und 2013 in NRW eingeführte Regelung des Schatzregals für zeitgemäß? Durch die Einführung des Schatzregals sollen Raubgrabungen und Fundunterschlagungen vermindert werden. Nordrhein-Westfalen hat daher im Jahr 2013 die entsprechende Regelung in sein Denkmalschutzgesetz aufgenommen. Lediglich Bayern verfügt bislang über kein Schatzregal. Dies hat zur Folge, dass bei illegal gehandelten beweglichen Bodendenkmälern heute als Fundort oftmals Bayern angegeben wird, um den geltenden Bestimmungen eines Schatzregals in den übrigen Bundesländern zu entgehen. Zur Bewahrung unseres kulturellen Erbes ist die Regelung des Schatzregals daher zeitgemäß. 3. In wie vielen Fällen haben Denkmalbehörden und Denkmalpflegeämter jährlich seit der Einführung des Schatzregals in das Denkmalschutzgesetz eingefriedete Grundstücke, Gebäude und Wohnungen gemäß § 28 DSchG betreten? Bitte angeben, in wie vielen Fällen dies mit oder ohne Einwilligung des Eigentümers oder sonstiger Nutzungsberechtigter geschah. 4. In wie vielen Fällen aus Frage 2 konnten durch die Betretung bewegliche (Boden-)Denkmäler und Funde von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung, welche dem Schatzregal vorenthalten wurden, sichergestellt werden? Zu den in den Fragen 3 und 4 aufgeworfenen Fragen liegen keine statistischen Daten vor. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit von § 28 DSchG? Durch die Neuregelung des § 28 des Denkmalschutzgesetzes (DSchG) wurde festgelegt, dass die Denkmalbehörden und Denkmalpflegeämter berechtigt sind, nicht eingefriedete Grundstücke und, nach vorheriger Benachrichtigung, eingefriedete Grundstücke und Gebäude und Wohnungen zu betreten, um Denkmäler festzustellen, zu besichtigen oder zu untersuchen, soweit es zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Aufgaben erforderlich ist. Bis zu dieser Änderung war dies nur bei bereits eingetragenen Denkmälern der Fall. Das Betreten von Wohnungen ist ohne Einwilligung des Eigentümers oder sonstigen Nutzungsberechtigten nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Grund richterlicher Anordnung zulässig. Ebenso wie in der Landesbauordnung oder dem Wohnungsrecht besteht eine Mitwirkungsund Duldungspflicht für Eigentümer und Nutzungsberechtigte von Denkmälern. Somit wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eingeschränkt. Das Auskunfts- und Betretungsrecht ist in allen Ländergesetzen geregelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6662 4 Die Denkmalbehörden sind gem. § 20 Abs. 2 DSchG Sonderbehörden, zu deren Aufgaben auch die Gefahrenabwehr gehört. Dazu gehört auch das Auskunfts- und Betretungsrecht. Die Rücksichtnahme auf die Betroffenen ist Gegenstand der gesetzlichen Regelung, ebenso wie der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Maßnahme und dem Erfordernis zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Denkmalschutzes.