LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6708 28.06.2019 Datum des Originals: 28.06.2019/Ausgegeben: 03.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2551 vom 22. Mai 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6343 Einsatz von non-letalen Waffen durch Polizei und SEK – Risiken und statistische Erfassung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem Interview mit einer Tageszeitung plädiert der NRW-Landesgeschäftsführer der Partei „DIE LINKE“ für einen Stopp von Polizeieinsätzen mit Tasern und Pfefferspray. Auf die Nachfrage der Zeitung, ob der Taser-Einsatz für „vermeintliche Delinquenten nicht ungefährlicher“1 sei als ein Schusswaffengebrauch, entgegnet der Politiker, es habe in der Vergangenheit mehrere Fälle gegeben, „wo schon der gezielte Einsatz von Pfefferspray ausgereicht hätte“2. Taser-Einsätze lehne er ab, da sie bundesweit bereits zu Toten geführt hätten. Für NRW sei sogar ein Todesfall eines Mannes in Dortmund im Jahre 2010 nach Pfefferspray-Anwendung bekannt. Der Linken-Politiker beklagt, das Bundeskabinett und die verschiedenen Landesregierungen würden das Problem betroffener Opfer aussitzen und die Zusammenhänge „zwischen dem Ableben der Menschen und dem jeweiligen Waffeneinsatz“3 leugnen. Er behauptet, vor allem bei Konsumenten chemischer Drogen, Psychopharmaka- Patienten und Herz- oder Lungenerkrankten bestehe eine höhere Lebensgefahr, wenn gegen sie Taser oder Pfefferspray eingesetzt würde. Solange die Gefahren sogenannter non-letaler Waffen „nicht ordentlich erforscht“ seien, sei ihr Einsatz seiner Ansicht nach auf Eis zu legen. Zudem brauche es eine Aufarbeitung bisheriger Todesfälle und eine „statistische Erfassung der Verletzten und Verstorbenen“4. 1 https://www.jungewelt.de/artikel/355174.kampf-gegen-repression-es-geht-darum-menschenleben-zuschützen .html (abgerufen am 21.05.2019) 2 ebd. 3 ebd. 4 ebd. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6708 2 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2551 mit Schreiben vom 28. Juni 2019 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung trifft alle notwendigen Maßnahmen, um die Poli-zeivollzugsbeamtinnen/– beamte (PVB) des Landes Nordrhein-Westfalen mit Einsatzmitteln dergestalt ausreichend auszustatten, dass sie den Herausforderungen des täglichen Dienstes, auch bei gewalttätigen Übergriffen und Tumultlagen, gewachsen sind. Dazu gehört unter anderem die Ausstattung der PVB mit dem vom Fragesteller als „non-letale Waffen“ bezeichneten Reizstoffsprühgerät (RSG), welches umgangssprachlich auch als „Pfefferspray“ bezeichnet wird. Das Einsatzmittel Distanzelektroimpulsgerät (DEIG), welches umgangssprachlich auch als „Taser“ bezeichnet wird, ist aktuell in Nordrhein-Westfalen ausschließlich bei den Spezialeinheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen im Einsatz. Hinsichtlich einer möglichen Nutzung/Einführung dieses Einsatzmittels für weitere Organisationseinheiten der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen verweise ich auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 1133 (Drucksache: 17/3104) vom 09.07.2018. 1. Wie bewertet die Landesregierung die Behauptung, Konsumenten bestimmter Substanzen und chronisch Kranke seien einer höheren Lebensgefahr durch den Einsatz sogenannter non-letaler Waffen ausgesetzt? Die Anwendung von DEIG und RSG im polizeilichen Einsatz ist bei gesunden Personen, die nicht unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss stehen, nach heutiger Erkenntnis mit einem geringen Risiko versehen. So besteht zum Beispiel bei einer Anwendung des DEIG am gesunden Menschen durch den Verlust der willentlichen Muskelaktivität die Gefahr von Verletzungen, zum Beispiel durch einen Sturz. Bei der Anwendung an Personen mit (Vor-) Erkrankungen, insbesondere des Herz-Kreislauf- Atmungssystems oder unter Medikamenten-, Alkohol- und Drogeneinfluss stehend, ist ein Risiko - mitbedingt durch die aus der Situation entstehenden Stressreaktionen - von gesundheitlichen Schäden vorhanden. Allerdings besteht bei diesen Personen bereits allein durch eine intensive körperliche Auseinandersetzung ohne den Einsatz eines DEIG/RSG ein erhöhtes gesundheitliches Risiko. 2. Falls es zutrifft, dass die Opfer sogenannter non-letaler Waffeneinsätze statistisch nicht (ausreichend) erfasst werden, kann die Landesregierung hierfür Gründe nennen? Besondere Vorfälle mit erheblichen Auswirkungen unterliegen einer Meldepflicht, werden im Einzelfall betrachtet und im Hinblick auf mögliche Handlungserfordernisse bewertet. Eine Erhebung entsprechender Zahlen auf Landesebene, mit Ausnahme des Einsatzes des DEIG bei den Spezialeinheiten, erfolgt nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6708 3 3. Wie viele Fälle von Verletzungen, Folgeschäden und Tod infolge des Einsatzes von sogenannten non-letalen Waffen durch Polizeibeamte, SEK-Kräfte sowie Privatpersonen sind der Landesregierung bekannt? (Bitte für die letzten fünf Jahre nennen) 4. In wie vielen der in Frage 3 angefragten Fälle lässt sich eine Kausalität zwischen dem Einsatz der sogenannten non-letalen Waffen und etwaigen Verletzungen, Folgeschäden oder Tod konstatieren? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet: Folgen des Einsatzes des DEIG durch die Spezialeinheiten NRW Jahr 2014 2015 2016 2017 2018 Fälle mit Verletzungen 4 16 9 5 14 davon mit Folgeschäden 0 0 0 0 0 Todesfälle 0 0 0 0 0 Darüber hinaus liegen auf Landesebene keine weiteren Daten automatisiert abrufbar vor. Eine Erhebung dieser Daten wäre nur händisch und mit hohem Verwaltungsaufwand möglich. In der zur Bearbeitung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit war eine solche Datenauswertung nicht möglich. Die in Frage 3 genannten Verletzungen stehen unmittelbar oder mittelbar in Zusammenhang mit dem Einsatz des DEIG. 5. Falls der Einsatz sogenannter non-letaler Waffen ausgeweitet wird, welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um das Risiko von Verletzungen, Folgeschäden und Todesfällen, die aus der Anwendung resultieren könnten, zu minimieren? Sollte eine solche Ausweitung stattfinden, so werden diese Aspekte mit in den Blick genommen, zum Beispiel durch entsprechende Fortbildung.