LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6729 02.07.2019 Datum des Originals: 01.07.2019/Ausgegeben: 05.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2591 vom 5. Juni 2019 des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD Drucksache 17/6462 Abiturprüfung in Nordrhein-Westfalen: Karl Marx statt Ludwig Erhard? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP heißt es: „Ökonomische Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Allgemeinbildung. Christdemokraten und Freie Demokraten werden daher an allen weiterführenden Schulen das Schulfach Wirtschaft etablieren, in dem unter anderem Kenntnisse unserer Wirtschaftsordnung ebenso wie Aspekte der Verbraucherbildung vermittelt werden.“1 Diese Erkenntnis ist offenkundig in der Praxis des Ministeriums für Schule und Weiterbildung noch nicht angekommen. In seinem offenen Brief2 an die Ministerin kritisiert der WirtschaftsWoche-Redakteur Bert Losse die Themenauswahl des Ministeriums, die ihm im Rahmen der Abiturvorbereitung seines Sohnes aufgefallen war. Er kritisiert: „Die Themenauswahl wirkte auf mich streckenweise, als hätten sich der Weltverband der Soziologen mit dem Stuhlkreis Postkeynesianismus und der wirtschaftspolitischen Abteilung des Deutschen Gewerkschaftsbunds zusammengehockt.“ Die Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung wiederum spielen dagegen keine bzw. nur eine sehr untergeordnete Rolle: 1 Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen, Seite 11 2 https://www.wiwo.de/politik/deutschland/karl-marx-statt-ludwig-erhard-der-pruefungsstoff-fuer-dasabitur -2019- irritiert/24371670.html?fbclid=IwAR0MyWzRaIWNj_uW1o7N3lLYp2WN1EGfP06wGOeG1p4Q2N5jGx 6y7tEvN0M – abgerufen am 3. Juni 2019 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6729 2 „Die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft? Die Quellen unseres Wohlstands? Die Bedeutung von Eigenverantwortung und Subsidiarität für die Stabilität einer Gesellschaft, bei der nicht jedermann in allen Lebenslagen nach dem Staat ruft? Die Bedeutung der Freiheit? Das ökonomische und ökologische Versagen der Planwirtschaft? Konnte ich alles nicht finden.“ Der Autor nennt eine Reihe von Beispielen und kritisiert auch die Bewertungsrichtlinien für die Lehrer. So heißt es u.a.: „Geradezu grotesk wird es, wenn man sich die Unterlagen anschaut, die das Schulministerium für die Lehrer erstellt, die die Abiturklausuren bewerten. Das zeigt eine Beispielklausur (‚Nur für den Dienstgebrauch‘), bei der es darum geht, wie die Bundesregierung einen gefährdeten Aufschwung stabilisieren kann. Die Kultusbürokratie nennt als möglichen Lösungsvorschlag allen Ernstes eine ‚Lohnerhöhung für staatliche Bedienstete‘. Diese Maßnahme ‚könnte helfen, die Binnennachfrage zu stärken und den Aufschwung zu stabilisieren‘. Schüler, die das schreiben, sollen acht Punkte erhalten; sie hätten damit in dieser Aufgabe bereits ein Viertel der Maximalpunktzahl erreicht. Ebenfalls acht Punkte kann einfahren, wer die ‚Erhöhung der Einkommensteuer für Spitzenverdiener‘ vorschlägt.“ Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2591 mit Schreiben vom 1. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die soziale Marktwirtschaft Grundlage für unseren Wohlstand ist? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Soziale Marktwirtschaft eine zentrale und entscheidende Grundlage für unseren Wohlstand ist. 2. Wenn ja, ist es vor diesem Hintergrund nicht unabdingbar, Schülern die Grundlagen und die Vorzüge dieser Wirtschaftsordnung zu vermitteln? Die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft sind in den aktuellen Kernlehrplänen aller weiterführenden Schulen verankert. Eine Stärkung der ökonomischen Bildung ist im Zuge der Einführung des Schulfaches Wirtschaft bzw. Wirtschaft/Politik in allen Schulformen der Sekundarstufe I zum Schuljahr 2020/21 vorgesehen. Dabei werden auch die Grundlagen und Vorzüge der Sozialen Marktwirtschaft ein stärkeres Gewicht bekommen. 3. Wie hat/wird das Schulministerium den o.g. offenen Brief beantworten? Die Landesregierung wird den o.g. offenen Brief nicht beantworten. Herr Staatssekretär Mathias Richter hat jedoch hierzu bereits in einem am 11.06.2019 online veröffentlichten Interview der WirtschaftsWoche Stellung bezogen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6729 3 4. Die Landesregierung beabsichtigt, ab dem Schuljahr 2020/21 das Schulfach Wirtschaft einzuführen. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Unterrichtsinhalte dort nicht ähnlich einseitig gestaltet werden? Die curriculare Festlegung fachbezogener Inhalte und darauf bezogener fachlicher Kompetenzen der Kernlehrpläne sowie der darauf basierenden Abiturvorgaben sind grundsätzlich nicht einseitig auszugestalten. Die Landesregierung wird sicherstellen, dass in allen Fächern die Fachtraditionen, Lehrerfahrungen und aktuellen Forschungsstände der Fachwissenschaften und Fachdidaktik ebenso berücksichtigt werden wie zeitgemäße Anforderungen an das jeweilige Fach in Form übergreifender Bildungs- und Erziehungsziele. Die Auswahl der Obligatorik erfolgt so, dass u.a. Schülerorientierung und Multiperspektivität als didaktische Grundprinzipien sichergestellt sind und den Schulen bei der Vereinbarung von Unterrichtsvorhaben und Festlegung konkreter Unterrichtsinhalte Gestaltungsspielraum bleibt. 5. Beabsichtigt die Landesregierung, die in vorgenanntem Schreiben kritisierten Inhalte und Bewertungsrichtlinien für Abiturprüfungen zu überarbeiten? Das Ministerium für Schule und Bildung erlässt jedes Jahr mit jeweils drei Jahren Vorlauf und nach intensiver fachlicher Prüfung für den entsprechenden Abiturjahrgang die Vorgaben für das Zentralabitur. Die in den Vorgaben ausgewiesenen Inhaltsfelder und inhaltlichen Schwerpunkte sind den neuen Kernlehrplänen für die gymnasiale Oberstufe entnommen. Die Vorgaben für die Bewertung der Abiturklausuren orientieren sich immer an den jeweiligen Prüfungsaufgaben, die für jeden Abiturjahrgang auf der Grundlage der o.g. aktuellen inhaltlichen Vorgaben für das Zentralabitur neu entwickelt werden.