LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6761 02.07.2019 Datum des Originals: 02.07.2019/Ausgegeben: 05.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2561 vom 23. Mai 2019 der Abgeordneten Wibke Brems BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6371 Sieht die Landesregierung tatenlos zu, wie RWE den Rodungsstopp im Hambacher Forst untergräbt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 18. April 2019 zeigten die Aachener Nachrichten1, wie ein Bagger in großer Nähe in Richtung des Waldes arbeitet und zitierten Umweltschützer mit der Befürchtung, dass RWE damit die Wasserversorgung des Hambacher Forstes gefährde. Das Schaufelrad des Baggers sei nur noch 150 Meter von den Bäumen entfernt. Laut Aachener Nachrichten bestätigte RWE, dass das im Artikel gezeigte Foto die Abbausituation im Tagebau Hambach zeigt, widersprach aber ansonsten der Darstellung. So lebten wegen der Grundwasserabsenkung die Bäume von Niederschlagswasser. Im Boden gebe es eine Stauschicht aus Ton oder Lehm, aus der sich die Wurzeln der Bäume und Pflanzen mit Wasser versorgten. Der Wald sei nicht vom Grundwasser oder einem nahen Tagebau beeinflusst. Der Bagger werde sich noch weiter auf den Wald zubewegen und im angemessenen Abstand Halt machen. Laut BUND NRW e.V. ist zu befürchten, dass die wasserstauenden Tonschichten randlich zerstört werden, wenn die Bagger unmittelbar an den Wald heranrückten. Wegen des Druckgefälles in Richtung Tagebau bestünde dann Gefahr, dass das Niederschlagswasser direkt Richtung Grube ablaufe. Der Hambacher Wald stehe wegen des Klimawandels und damit des heißen Sommers 2018 - wie andere Wälder auch - unter Stress. Schon deswegen müsse jegliche weitere negative Beeinflussung vermieden werden.2 Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 05. Oktober 2018 - 11 B 1129/18 - ist RWE im Ergebnis geboten, im südöstlichen bzw. südlichen Geltungsbereich des 1 https://www.aachener-nachrichten.de/nrw-region/braunkohle/waldschuetzer-bagger-graebthambacher -forst-wasser-ab_aid-38206665 2 https://www.bund-nrw.de/meldungen/detail/news/hambacher-wald-zerstoerung-durch-die-hintertuer/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6761 2 streitigen Hauptbetriebsplans Abgrabungen sowie die Anlegung einer ersten Sohle unter Inanspruchnahme der bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts einstweilen zu unterlassen. Ministerpräsident Laschet schloss sich außerdem unter anderem in seiner Unterrichtung des Landtages zum Ausstieg aus der Kohleverstromung am 20. Februar 2019 ausdrücklich dem auch von der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung geäußerten Wunsch an, den Hambacher Forst zu erhalten. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2561 mit Schreiben vom 2. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass RWE durch die fortschreitenden Abgrabungen im Tagebau Hambach nicht das Urteil des OVG Münster vom 5.10.2018, die Empfehlungen der Kohlekommission und nicht zuletzt den Wunsch des Ministerpräsidenten Laschet untergräbt, indem das Unternehmen das Fortbestehenden des Hambacher Waldes gefährdet auch ohne diesen unmittelbar zu roden? 2. Wie bewertet die Landesregierung die aktuellen Abgrabungen auf der ersten Sohle am Hambacher Wald vor dem Hintergrund des OVG-Urteils vom 5.10.2018, den Empfehlungen der Kohlekommission und dem Wunsch des Ministerpräsidenten nach einem dauerhaften Erhalt des Hambacher Waldes? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2018 bezweckt den Schutz des Hambacher Forstes bis zur Klärung der komplexen Sach- und Rechtsfragen insbesondere zum Status des Hambacher Forstes in Bezug auf den europäischen Gebietsschutz (FFH) und bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens bzw. bis die streitige Hauptbetriebsplanzulassung Bestandskraft erlangt hat. Das Verwaltungsgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 12. März 2019 die Klage abgewiesen. Das Klageverfahren ist jedoch nicht rechtskräftig abgeschlossen und die Zulassung ist nicht bestandskräftig. Der Hambacher Forst darf daher bis auf Weiteres weder durch Rodung noch durch andere Maßnahmen in seinem Bestand gefährdet werden. Dies wird im Rahmen der bergbehördlichen Aufsicht kontrolliert. Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat den Erhalt des Hambacher Forstes als „wünschenswert“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund und entsprechend einer von Herrn Ministerpräsident Armin Laschet gegenüber dem Unternehmen ausgesprochenen Prüfbitte hat die RWE Power AG mit Schreiben vom 19. Februar 2019 erklärt, die Umsetzung der Empfehlung der Kommission bezüglich des Erhalts des Hambacher Forstes zu prüfen und unabhängig von gerichtlichen Entscheidungen auch in der kommenden Rodungsperiode auf Rodungen zu verzichten. Selbstverständlich ist, dass damit auch keine sonstigen Maßnahmen durchgeführt werden, die den Bestand des Hambacher Forstes gefährden. Die RWE Power AG hat dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie mit Schreiben vom 14. Mai 2019 eine durch das Kölner Büro für Faunistik angefertigte Stellungnahme zur behaupteten Gefährdung von Waldlebensräumen durch den Abtrag der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6761 3 ersten Sohle im Tagebau Hambach übersandt. Danach habe die RWE Power AG bestätigt, dass der Abtrag der ersten Sohle mindestens so weit vom heutigen Waldrand entfernt bleibt, dass der Baumkronenbereich und die Wurzeln der Bäume sicher nicht beeinträchtigt werden. Die Stellungnahme sieht im Ergebnis keine relevanten Beeinträchtigungen der für den Hambacher Forst maßgeblichen Waldlebensraumtypen oder ihrer Lebensgemeinschaften durch den herannahenden Tagebau. Das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat den Geologischen Dienst NRW um eine fachliche Einschätzung zu dem Thema gebeten. Demnach wird die Wasserversorgung der Wurzeln der Bäume des Hambacher Forstes durch die aktuelle Abraumgewinnung auf der ersten Sohle nicht beeinträchtigt. 3. Ab welcher Entfernung zum Wald muss nach den Erkenntnissen der Landesregierung insbesondere damit gerechnet werden, dass wasserstauende Schichten, aus denen sich die Wurzeln der Bäume und Pflanzen mit Wasser versorgen, beeinträchtigt werden und in der Folge wegen Druckgefälles in Richtung Tagebau Niederschlagswasser in Richtung Grube abläuft? Nach Auskunft des Geologischen Dienstes NRW betragen im Tagebaugebiet die Flurabstände im oberen Grundwasserleiter der Erft-Scholle über zehn, in der Regel mehrere Zehner Meter. Die Wurzeln der Pflanzen im Hambacher Forst erreichen das Grundwasser nicht. Ihre Wasserversorgung ist allein durch die Niederschläge und deren Speicherung im Boden gewährleistet. Im Bereich des Hambacher Forstes sind Böden verbreitet, die sich auf gering durchlässigen schluffig-tonigen Sedimenten entwickelt haben (Parabraunerden und Pseudogleye) und sich partiell durch periodisch auftretende Staunässe auszeichnen. Der Boden ist nur zeitweise, in der Regel in den Wintermonaten wassergesättigt. Während der Vegetationsperiode liegen die Wassergehalte im Rahmen des Speichervermögens des Bodens. Das Wasser (Kapillar- und Adsorptionswasser) wird im Boden gehalten, sodass kaum Wasserverluste zu erwarten sind, wenn der Boden an einer Böschung angeschnitten wird. Die Frage der Entfernung ist von mehreren Faktoren abhängig. So würde nach fachlicher Einschätzung des Geologischen Dienstes NRW unter der Annahme einer hoch angesetzten Baumkronenhöhe von 40 Metern bei einer Annäherung (Abstand zwischen Böschungskante und Baumstamm) auf weniger als 50 Meter eine gutachtliche Bewertung erforderlich, ob eine Beeinträchtigung der Wasserversorgung eintreten könnte. 4. Bis zu welchem Abstand zum Hambacher Wald wird nach den Informationen der Landesregierung RWE am südlichen Tagebaurand Abgrabungen vornehmen wird? Nach Auskunft der RWE Power AG wird das Unternehmen die Einschätzung des Geologischen Dienstes NRW beachten (siehe Antwort auf Frage 3). 5. Welche Gespräche haben in dieser Angelegenheit seit dem 20. Februar 2019 zwischen der Landesregierung und RWE stattgefunden? Zu dem Thema hat die Fachabteilung des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie mehrere Telefonate mit der RWE Power AG geführt.