LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6827 09.07.2019 Datum des Originals: 09.07.2019/Ausgegeben: 12.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2609 vom 6. Juni 2019 des Abgeordneten Ibrahim Yetim SPD Drucksache 17/6521 Wie sichert die Landesregierung eine ausreichende Kinderarzt-Versorgung in Moers? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die NRZ Moers berichtete jüngst über die vergebliche Suche einer jungen Mutter, einen Kinderarzt zu finden. Während die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein-Westfalen von einer „entspannten Lage“ in Moers spricht, ist die Versorgungslage aus Sicht eines örtlichen Kinderarztes untragbar. Insbesondere bei Kleinkindern sind wichtige Vorsorgeuntersuchungen vorzunehmen, um eine gesunde Kindesentwicklung zu sichern. Dafür müssen ausreichend Kinderärztinnen und -ärzte zur Verfügung stehen. Neben den Schwierigkeiten für die Eltern einen Arzttermin vor Ort zu finden, stehen auch die Arztpraxen vor erhöhten Nachfragen und Belastungen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2609 mit Schreiben vom 9. Juli 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um eine ausreichende Kinderarzt- Versorgung in Moers sicherzustellen? Keine. Der Titel der Kleinen Anfrage lässt vermuten, dass das Land Nordrhein-Westfalen den gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung innehat. Dies ist nicht der Fall, da gemäß § 75 Sozialgesetzbuch (SGB) V der entsprechende Sicherstellungsauftrag vom Bundesgesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) übertragen worden ist. § 72 Abs. 2 SGB V sieht in diesem Zusammenhang zudem vor, dass die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6827 2 des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der KVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln ist, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist. 2. Wie hoch ist der Anteil an Kinderärztinnen und -ärzten in Moers, die in den kommenden 10 Jahren in den Ruhestand gehen? Aktuell sind der Stadt Moers 5,0 Kinderärztinnen/Kinderärzte (in Anrechnungsfaktoren) vertragsärztlich tätig. Die Altersstruktur dieser fünf Kinderärztinnen/Kinderärzte gestaltet sich wie folgt: Moers: Anzahl der Kinderärztinnen / Kinderärzte nach Altersjahren <50 50-54 55-59 60-64 >65 2 2 0 1 0 Da es keine Altersgrenze für die Tätigkeit als niedergelassene/r Ärztin/Arzt gibt, ist hier nur eine grobe Prognose möglich, wie viele Ärztinnen/Ärzte in den kommenden zehn Jahren altersbedingt aus der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausscheiden werden. Die Altersstruktur der niedergelassenen Kinderärzte in Moers zeigt, dass aktuell ein/e Kinderärztin/Kinderarzt zwischen 60 und 64 Jahre alt ist. Vor diesem Hintergrund ist davon aus auszugehen, dass diese Kinderärztin/dieser Kinderarzt voraussichtlich in den kommenden fünf bis zehn Jahren aus der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ausscheiden wird. 3. Wie hoch ist die Versorgungsquote an Kinderärztinnen und -ärzten in Moers? Für die allgemeine fachärztliche Versorgung gelten – im Sinne der ambulanten Bedarfsplanung gemäß der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (nach SGB V) – Kreise bzw. kreis-freie Städte als räumliche Planungsebene. Die Bedarfsplanung ist ein wichtiges Instrument für die KVen zur Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. Für die Kreise bzw. kreisfreien Städte als Planungsebene werden Versorgungsgrade ermittelt, indem zwischen dem Ist-Niveau des tat-sächlichen Einwohner-Arzt-Verhältnisses und dem Soll-Niveau der Verhältniszahl verglichen wird. Der Versorgungsgrad wird in Prozent ausgedrückt und genutzt, um die Versorgung in einer Region rechnerisch zu bewerten. Allerdings sagt er nichts darüber aus, ob die niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte im Planungsbereich auch gleichmäßig verteilt sind. Der Versorgungsgrad für Kinderärztinnen/Kinderärzte im Kreis Wesel beträgt aktuell 131,3 Prozent. Ab 110 Prozent gilt ein Planungsbereich als überversorgt und ist gesperrt für weitere Niederlassungen. Zu Moers: Die Stadt Moers selbst ist kein Planungsbereich. Bei 16.386 Einwohnern unter 18 Jahren und 5,0 Kinderärztinnen/Kinderärzte ergibt sich eine Verhältniszahl von 3.527 minderjährigen Einwohner auf einen Arzt und ein „fiktiver“ Versorgungsgrad von 107,6 Prozent für Moers. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6827 3 Wären 5,5 Kinderärztinnen / Kinderärzte in Moers tätig, würde der Versorgungsgrad bereits bei ca. 118 Prozent liegen. Der „fiktive“ Versorgungsgrad sagt aus, dass zumindest nach den Maßstäben der Bedarfsplanungs-Richtlinie für die Stadt Moers grundsätzlich von einer guten kinderärztlichen Versorgungslage ausgegangen werden kann. 4. Wie hat sich die Versorgungsquote an Kinderärztinnen und -ärzten in Moers in den zurückliegenden zehn Jahren entwickelt? Zum Ende des Jahres 2012 hat es eine größere Reform der Bedarfsplanungs-Richtlinie gegeben. Aus Gründen der Vergleichbarkeit ist es daher sachgerecht, den Zeitraum 2013 bis 2019 heranzuziehen. In diesem Zeitraum ist die Anzahl der niedergelassenen Kinderärztinnen/Kinderärzte in der Stadt Moers grundsätzlich relativ konstant bei fünf geblieben. Schwankungen im fiktiven Versorgungsgrad sind im Wesentlichen durch Bewegungen der Einwohnerzahl begründet. Hier die Übersicht der Versorgungsgrade: Moers: „Fiktive“ Versorgungsgrade für den Zeitraum 2013 - 2019 1. Januar 2013 109,5 Prozent 1. Januar 2014 117,9 Prozent 1. Januar 2015 121,5 Prozent 1. Januar 2016 112,8 Prozent 1. Januar 2017 110,0 Prozent 1. Januar 2018 109,0 Prozent 1. Januar 2019 107,6 Prozent Im Juni 2019 hat es erneut eine größere Reform der Bedarfsplanungs- Richtlinie gegeben. Der entsprechende Beschluss zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung ist nach Nichtbeanstandung des Bundes-ministeriums für Gesundheit mit Wirkung zum 30. Juni 2019 in Kraft treten. Im Zuge dieser Reform werden in Nordrhein-Westfalen bis Ende dieses Jahres zahlreiche zusätzliche Arztsitze entstehen, u.a. im Bereich der kinderärztlichen Versorgung. Laut Prognose der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist damit zu rechnen, dass etwas mehr als 80 zusätzliche Kinderarztsitze in Nordrhein-Westfalen entstehen werden, davon rund 30 in Nordrhein. Ob und inwieweit die Stadt Moers bzw. der Kreis Wesel von diesen Auswirkungen der Bedarfsplanungsreform im Bereich der kinder-ärztlichen Versorgung betroffen sein werden, bleibt abzuwarten.