LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6831 09.07.2019 Datum des Originals: 01.07.2019/Ausgegeben: 12.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2576 vom 24. Mai 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth und Frank Neppe FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6401 Beschlagnahmung von Vermögenswerten und Waffen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) insbesondere der Teilmenge der Clankriminalität wird in den kommenden Jahren einen großen Einfluss auf die Bildung und den Fortbestand von Vertrauen der Gesellschaft in den Rechtsstaat haben. In Ermittlerkreisen heiße es laut Westfälischer Rundschau, dass für manche ein Vermögensverlust schlimmer sei als eine Haftstrafe.1 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2576 mit Schreiben vom 1. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Wie viele Immobilien wurden in Verbindung mit der OK in den vergangenen drei Jahren jährlich beschlagnahmt? 2. Wie viele mobile Vermögenswerte wurden in Verbindung mit der OK in den vergangenen drei Jahren jährlich beschlagnahmt? 3. Welche monetären Gegenwerte sind mit den Fällen aus Frage 1 und Frage 2 verbunden? 4. Wie viele Waffen wurden in Verbindung mit der OK in den vergangenen drei Jahren jährlich beschlagnahmt? Bitte nach Waffenarten differenzierte Werte ausweisen. 1 https://www.wr.de/politik/auf-der-spur-des-geldes-kriminelles-vermoegen-im-visier-id215807179.html (abgerufen am 24.05.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6831 2 5. In wie vielen Fällen der Fragen 1, 2 und 4 handelte es sich bei den Eigentümern um Mitglieder der Teilmenge der OK „Clankriminalität“? Die Fragen 1 bis 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aufgrund unterschiedlicher Kriterien für die statistische Erfassung von Daten über die Anzahl und Art der Beschlagnahme von Vermögenswerten und Waffen in Verfahren im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität (OK) bei Polizei und Justiz erfolgt die Beantwortung der Kleinen Anfrage aus Gründen der Übersichtlichkeit getrennt nach den Ressortzuständigkeiten. Für den Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern wird die Kleine Anfrage zusammenfassend wie folgt beantwortet: Das Lagebild Finanzermittlungen NRW weist eine Differenzierung zu Vermögenssicherungen im Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität nicht aus. Das Lagebild Organisierte Kriminalität NRW beschränkt sich hinsichtlich der Vermögenssicherung auf den Gesamtwert aller vorläufigen Sicherungen und die Anzahl der getroffenen Maßnahmen im In- und Ausland. Weitere Details - etwa zur Art der Vermögensgegenstände (wie Immobilien, Mobilien) - sind nicht Bestandteil der Erhebung. Insofern können zu den in Fragen 1 und 2 gewünschten Angaben keine Aussagen getroffen werden. Ausweislich der Lagebilder OK NRW 2016, 2017 (veröffentlicht) und 2018 (noch nicht veröffentlicht) bearbeiteten die Kreispolizeibehörden und das Landeskriminalamt von 2016 bis 2018 insgesamt 152 OK-Verfahren. Durch verfahrensintegrierte Finanzermittlungen konnten in diesem Zeitraum durch vermögensabschöpfende Maßnahmen insgesamt 57.791.146 Euro (Berichtsjahr 2016: 31.406.703 Euro, Berichtsjahr 2017: 4.647.636 Euro, Berichtsjahr 2018: 21.736.807 Euro) gesichert werden. Im Lagebild OK NRW ist die Anzahl der Tatverdächtigen in OK-Verfahren dargestellt, die während der Gesamtdauer der Ermittlungen mit Schusswaffen, sonstigen Waffen nach dem Waffengesetz oder als Waffen benutzten Gegenständen festgestellt wurden. Erhebungen zur Anzahl und Art der genutzten Waffen erfolgen nicht. In 17 der 152 OK-Verfahren standen kriminelle Gruppierungen aus Angehörigen türkischarabisch -stämmiger Großfamilien im Fokus der Ermittlungen. Hierbei konnten von 2016 bis 2018 Vermögenswerte in Höhe von 1.606.625 Euro gesichert werden. Zu den 152 im Berichtszeitraum von 2016 bis 2018 gemeldeten OK-Verfahren wurden insgesamt 196 bewaffnete Tatverdächtige erfasst. Davon sind 28 Tatverdächtige Angehörige türkisch-arabischstämmiger Großfamilien. Ergänzend berichtet das Ministerium der Justiz wie folgt: „Die Generalstaatsanwältin in Hamm sowie die Generalstaatsanwälte in Düsseldorf und Köln haben dem Ministerium der Justiz unter dem 12. Juni 2019 übereinstimmend berichtet, dass den Behördenleitungen des jeweiligen Bezirks mangels gesonderter statistischer Erfassung von Daten über die Anzahl und Art der Beschlagnahme von Vermögenswerten und Waffen in Verfahren im Zusammenhang mit Organisierter LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6831 3 Kriminalität eine valide Beantwortung der in der Kleinen Anfrage aufgeworfenen Fragen in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich sei. Die Generalstaatsanwältin in Hamm hat zu Frage 5 der Kleinen Anfrage ergänzend auf einen Bericht vom 6. Juni 2019 Bezug genommen in dem sie ausgeführt hatte: ,Der Leitende Oberstaatsanwalt in Essen hat berichtet, dass in der dortigen OK-Abteilung derzeit 71 (Ermittlungs-)Verfahren mit Bezug zur Clankriminalität geführt würden, wobei in vielen Fällen die zugrundeliegenden Tatvorwürfe (gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohungen pp.) keinen Anlass zu Maßnahmen der Vermögensabschöpfung böten und diesbezüglich im Übrigen aufgrund fehlender statischer Erfassung in der Kürze der Zeit keine Aussage getroffen werden könne. Die übrigen Behördenleitungen meines Geschäftsbereichs haben berichtet, dass bei ihren Behörden Verfahren mit Bezug zur Clankriminalität nicht geführt würden (Arnsberg, Detmold, Hagen, Münster, Paderborn u. Siegen) bzw. eine entsprechende statistische Erfassung solcher Verfahren nicht stattfinde, so dass - aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit - konkrete Angaben zur Anzahl der Verfahren und dem Umfang ggf. erfolgter Maßnahmen der Vermögensabschöpfung nicht gemacht werden könnten (Bielefeld, Bochum u. Dortmund).‘ Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf verhält sich hinsichtlich Frage 1 der Kleinen Anfrage zu den Berichten seines Geschäftsbereichs zudem folgendermaßen: ‚[…] Der Leitende Oberstaatsanwalt in Duisburg hat hierzu wie folgt berichtet: ,„In den vergangenen drei Jahren wurden in Verbindung mit OK- bzw. Clan-Verfahren zwei Grundstücke durch Zwangssicherungshypotheken in Höhe von 622.000,- EUR beschlagnahmt. Mit der Einziehung dieses Betrages ist allerdings nach Bewertung des die Sitzungsvertretung in der laufenden Hauptverhandlung wahrnehmenden Dezernenten nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme wahrscheinlich nicht zu rechnen.“‘ Im Übrigen haben die Behördenleitungen Fehlanzeige erstattet.‘ Zu Frage 5 der Kleinen Anfrage hat er - der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf - im Übrigen Folgendes angemerkt: ,Die jener Frage ersichtlich zugrunde liegende Vorstellung […] geht [fehl]. Ob ,„Clankriminalität“‘, der Organisierten Kriminalität zuzuordnen ist, bedarf jeweils der Prüfung im Einzelfall. Es handelt sich nicht um eine „Teilmenge der OK“. Im Lagebild ,„Clankriminaliät 2018 NRW“‘ des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen werden zahlreiche Straftaten beschrieben, jedoch nur 15 der diesbezüglichen Ermittlungsverfahren der Organisierten Kriminalität im Jahre 2018 zugeordnet (S.15 des Lagebildes).‘ Der Generalstaatsanwalt in Köln hat weiter mitgeteilt, der Leitende Oberstaatsanwalt in Köln habe ihm zu den Fragen 1 bis 5 der Kleinen Anfrage - insoweit auf einer Befragung und der Erinnerung der im Dienst befindlichen, mit der Bearbeitung von (Wirtschafts-)Strafsachen der Organisierten Kriminalität befassten Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaft Köln beruhend - Folgendes berichtet: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6831 4 ,„In Verfahren aus dem Dezernat für Clankriminalität, das in der Abteilung für organsierte Wirtschaftskriminalität angesiedelt ist, sind in den letzten drei Jahren acht Immobilien in einem gutachterlich geschätzten Gesamtwert von 7.117.000,00 Euro beschlagnahmt worden. Darüber hinaus sind drei hochwertige Fahrzeuge mit Anschaffungspreisen von jeweils über 100.000,00 Euro sowie die Inhalte von vier Bankschließfächern beschlagnahmt worden, ohne dass eine abschließende Wertermittlung der Inhalte stattgefunden hätte. In einem Verfahren der Abteilung für Organisierte Kriminalität wurden folgende Vermögenswerte sichergestellt und zur Rückgewinnungshilfe nach damals geltendem Recht einbehalten: Bargeld in Höhe von 44.754,27 Euro, 10.000,00 Euro Gutschrift zum Verfahren zur Ablösung des Restarrests von 10.000,00 Euro nach Urteil und der Sicherungshypothek in eine Immobilie, rund 800 Schmuckstücke im Wert von mehreren tausend Euro, ferner eine halbautomatische Selbstladepistole Beretta mit 50 Schuss Munition.“‘ Zu Frage 5 der Kleinen Anfrage habe ihm darüber hinaus der Leitende Oberstaatsanwalt in Aachen zu berichten vermocht, dass in einem Verfahren gegen ein Mitglied eines seit Jahren strafrechtlich in Erscheinung tretenden Familienverbundes im Jahre 2016 zwei Schlagringe beschlagnahmt worden seien. Im Übrigen dürfe er - der Generalstaatsanwalt in Köln - zu dieser Frage wie folgt ergänzen: ‚[…] In den meisten der hier bekannten Einzelfälle [waren] die Clanmitglieder nicht auch formale Eigentümer der gesicherten Vermögenswerte […]. Der Organisierten Kriminalität ist die Verschleierung des eigenen Vermögensstatus zum Beispiel durch Übertragung von Eigentum auf Gesellschaften und Strohleute immanent. Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff stellt mithin kein geeignetes Kriterium zur Zuordnung bestimmter Vermögenswerte zu Angehörigen der Organisierten Kriminalität dar.‘“