LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6861 11.07.2019 Datum des Originals: 11.07.2019/Ausgegeben: 16.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2607 vom 7. Juni 2019 des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD Drucksache 17/6519 Klarheit in der Europapolitik und bei der Ausgestaltung der deutsch-französischen Zusammenarbeit in NRW schaffen! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 03.05.2019 stand der Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit, Herr Ministerpräsident Armin Laschet, zu den Schwerpunkten seines Mandats, dem Ausschuss für Europa- und Internationales, Rede und Antwort. Als Vertreter der Bundesländer und des Bundes rief er dazu auf den Aachener Vertrag durch stärkere Austauschprogramme, Sprachförderung an Schulen, gesellschaftliche Solidarität und Kooperation auf kommunaler und behördlicher Ebene „mit Leben zu füllen“. In seinen Ausführungen bezeichnete der Ministerpräsident den Aachener Vertrag als „die deutsche Antwort“ auf die Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu Sorbonne vom 26.11.2017 (Beleg Ausschussprotokoll). Diese Aussage überraschte, angesichts der Tragweite der inhaltlichen Forderungen, die sich in der Sorbonner Rede wiederfinden. Insbesondere in den Bereichen Klimaschutz, Wirtschaft, Solidarität und Sozialkonvergenz wurden nur allgemeine Bruchteile von Macrons Vorschlägen in den Aachener Vertrag aufgenommen. Während sich Frau Kramp-Karrenbauer für „einen gemeinsamen Binnenmarkt für Banken“ aussprach, lehnt sie Solidarität in sozialen Fragen, beispielsweise durch „eine Europäisierung der Sozialsysteme und des Mindestlohns“, ab.1 Diese Zurückhaltung auf deutscher Seite spiegelt die Unentschlossenheit und die widersprüchlichen Signale der CDU bei wichtigen Fragen der europäischen Zusammenarbeit 1 https://www.welt.de/politik/deutschland/article190037115/AKK-antwortet-Macron-Europa-richtigmachen .html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6861 2 wider. Die offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der CDU Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und ihrem Stellvertreter Armin Laschet bei Themen wie einer europäischen CO2-Steuer oder einer Förderung der Sozialkonvergenz, lassen befürchten, dass nicht nur auf Bundesebene sondern auch in Nordrhein-Westfalen das europäische Projekt nicht die so dringend benötigten Impulse für seine Weiterentwicklung erfährt. Insbesondere bei der Debatte um eine mögliche CO2-Steuer wurden die Meinungsverschiedenheiten deutlich. Während der Ministerpräsident aussagte er „halte das für falsch, einfach Nein zu sagen“2, unterstellte Frau Kramp-Karrenbauer den Befürwortern Denkfaulheit: "Deswegen ist die Frage, ob wir, weil wir zu faul sind zum Nachdenken, ob es bessere Methoden gibt, einfach mal insbesondere kleine Leute über Gebühr belasten."3 Angesichts sich wandelnder Mehrheitsverhältnisse im Europäische Parlament, der nach wie vor bestehenden Unklarheiten über die Zukunft der EU-Finanzen und des künftigen Führungspersonals auf europäischer Ebene sowie der großen Herausforderungen denen sich die EU aktuell ausgesetzt sieht, muss für die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens Klarheit über die Rolle NRWs im europäischen Kontext herrschen. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales hat die Kleine Anfrage 2607 mit Schreiben vom 11. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die nachstehenden Antworten beziehen sich auf die Fragen oder Teile von Fragen, die sich nicht ausschließlich an den Kulturbevollmächtigten richten, der im Rang eines Bundesministers die Interessen des Bundes und der 16 deutschen Länder in bildungspolitischen und kulturellen Angelegenheiten gegenüber Frankreich vertritt. 1. Welche Schritte wird der Ministerpräsident und Bevollmächtigter unternehmen, um auf die noch offen gebliebenen Fragen der Sorbonne-Rede des französischen Staatspräsidenten Macron (auch gegen die inhaltliche Gegenpositionierung der CDU-Partei-chefin Kramp-Karrenbauer) zu antworten? Ziel der Landesregierung ist es, die deutsch-französische Freundschaft weiter zu vertiefen und gemeinsam mit Frankreich am vereinten Europa der Zukunft zu arbeiten. Dabei kann jeder Integrationsschritt von Bedeutung sein. Der Ministerpräsident hat sich als einer der Ersten und mehrfach öffentlich in die Diskussion über die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten eingebracht und die angestoßene Debatte begrüßt. Er wird sich auch weiterhin in die Debatte über die Zukunft Europas einbringen. Das Landeskabinett hat darüber hinaus bei seiner auswärtigen Kabinettsitzung in Brüssel am 18. Juni 2019 in einem euroapolitischen Grundsatzbeschluss definiert, welche politischen Prioritäten Europa in den nächsten Jahren aus nordrhein-westfälischer Sicht setzt. 2 https://www.tagesschau.de/inland/cdu-cozweisteuer-101.html 3 https://www.tagesschau.de/inland/laschet-137.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6861 3 2. Mehrfach wurde von der Landesregierung betont, wie wichtig es sei, den Aachener Vertrag „mit Leben zu füllen“. Was genau können die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens diesbezüglich von Ministerpräsident Laschet erwarten, auch vor dem Hintergrund der großen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der CDU? Obwohl der Aachener Vertrag sich sowohl in Deutschland als auch in Frankreich noch im parlamentarischen Ratifikationsprozess befindet, ist Nordrhein-Westfalen bereits dabei, die Umsetzung prioritärer Projekte aus dem Aachener Vertrag zu planen. Schwerpunkte sind Mobilitäts- und Sprachförderung, die berufliche Bildung mit neuen dualen Studiengängen, die ethisch-kulturelle Dimension der Künstlichen Intelligenz sowie die Erweiterung des Austauschs auf Menschen mit nicht-akademischem Hintergrund. Der Förderung von zivilgesellschaftlichem Austausch und bürgerschaftlichem Engagement kommt überdies im Vertrag von Aachen besondere Bedeutung zu. Hierzu soll die Einrichtung eines Bürgerfonds, aus dem insbesondere zivilgesellschaftliche Initiativen und Städtepartnerschaften gefördert werden sollen, beitragen. Dies wird den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen, wo ein besonders großes Netz kommunaler und zivilgesellschaftlicher deutsch-französischer Verbindungen gepflegt wird, zu Gute kommen. Zur Förderung dieser Beziehungen und des zivilgesellschaftlichen Austauschs zwischen Frankreich und Deutschland trägt zudem der vom Europaminister ausgelobte Wettbewerb „Europa bei uns zuhause“ bei, der das zivilgesellschaftliche Engagement für Europa durch die Prämierung von innovativen Projekten der Städtepartnerschaftsarbeit und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit würdigt und motiviert. Mit der Auszeichnung „Europaaktive Zivilgesellschaft“ werden Initiativen bedacht, die sich dem europäischen Gedanken in vorbildlicher Weise verdient gemacht haben. 3. Welche konkreten Initiativen plant die Landesregierung um in der Frage der deutsch-französischen Freundschaft eine ernsthafte Antwort auf Macrons Rede von Sorbonne zu geben, insbesondere in den Bereichen Klimaschutz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik? Aus Sicht der Landesregierung ist der Vertrag von Aachen ein klares Bekenntnis zu deutschfranzösischen Freundschaft und zur vertieften Integration beider Länder miteinander und in der Europäischen Union. Er gibt überdies den Rahmen für die Umsetzung konkreter gemeinsamer Projekte und Initiativen vor. Die Landesregierung setzt sich daher gemeinsam mit Bund und Ländern dafür ein, dass die im Vertrag von Aachen enthaltenen Potenziale und Instrumente für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich in den Bereichen Europa-, Klimaschutz- und Wirtschaftspolitik sowie unseren Partnern in der Europäischen Union genutzt werden. Darüber hinaus greift die Landesregierung bei der Zusammenarbeit mit der Partnerregion des Landes Nordrhein-Westfalen, Hauts-de-France, die Potenziale des Vertrages von Aachen auf. Der Vertrag von Aachen regt explizit zur dezentralen Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften, die nicht an der Grenze liegen, an. Deshalb wird das Land der Partnerschaft mit Hauts-de-France neue Impulse geben. Bei der geplanten Erneuerung des Partnerschaftsabkommens mit Hauts-de-France sollen daher u.a. Zukunftstechnologien stärker als bisher in den Blick genommen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6861 4 4. Welche Schritte unternimmt Europaminister Holthoff-Pförtner um den Aachener Vertrag in NRW umzusetzen? Ich unterstütze den Ministerpräsidenten bei der Umsetzung des Vertrages von Aachen und setze mich darüber hinaus in eigener Zuständigkeit für eine Stärkung der deutschfranzösischen Zusammenarbeit und die Partnerschaft mit unserer französischen Partnerregion Hauts-de-France ein. So soll das Partnerschaftsabkommen mit Hauts-de- France erneuert werden. Neben einer stärkeren Kooperation im Bereich der Zukunftstechnologien sollen die berufliche Bildung und das Erlernen der Partnersprache Schwerpunkte der Zusammenarbeit sein. Darüber hinaus widme ich mich der Stärkung der Zusammenarbeit im Rahmen des Regionalen Weimarer Dreiecks mit den Regionen Hauts-de- France und der Woiwodschaft Schlesien in Polen. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass bei Projekten des Vertrages von Aachen, die eine Länderbeteiligung vorsehen, das Land Nordrhein-Westfalen in einer der Bedeutung des Landes angemessenen Weise partizipiert. 5. Was wurde konkret unternommen um den Aachener Vertrag offen gegenüber anderen europäischen Ländern, wie z.B. Polen, zu gestalten und diese Staaten aktiv in die deutsch-französischen Initiativen der Zusammenarbeit miteinzubeziehen? Der Vertrag von Aachen ist ein Freundschaftsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik. In der Präambel des Vertrages von Aachen wird unterstrichen, dass die Zusammenarbeit allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union offensteht. Darin wird die Absicht der Unterzeichnerstaaten deutlich, den Gedanken der europäischen Einigung besonders zu würdigen und andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur Zusammenarbeit, insbesondere im Rahmen der Europäischen Union, einzuladen. Für das Land Nordrhein-Westfalen hat neben der Zusammenarbeit mit der französischen Region Hauts-de-France insbesondere die Kooperation mit der Woiwodschaft Schlesien in Polen im Rahmen des Regionalen Weimarer Dreiecks einen hohen Stellenwert. Polen ist ein Schwerpunkt der internationalen Kooperation Nordrhein-Westfalens. Die Vertiefung der Beziehungen im Rahmen des Weimarer Dreiecks ist anlässlich des Antrittsbesuchs des neugewählten Marschalls der Woiwodschaft Schlesien beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen von beiden Seiten bekräftigt worden.