LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6866 11.07.2019 Datum des Originals: 11.07.2019/Ausgegeben: 16.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2616 vom 1. Juni 2019 des Abgeordneten Volkan Baran SPD Drucksache 17/6534 Rechtssicherheit bei Barrierefreiheit im Mietwohnungsbau Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Inkrafttreten der neuen Landesbauordnung (BauO NRW) zum 01.01.2019 haben sich einige Änderungen in Bezug auf die Barrierefreiheit bei der Neuerrichtung von Miethäusern ergeben. Nach §39.4 sollen Neubauten mit mehr als drei oberirdischen Geschossen einen Aufzug haben, der von allen Wohnungen des Hauses aus barrierefrei erreichbar ist. Gleichzeitig wird dies durch den §49.1 weiter eingeschränkt, in dem festgelegt ist, dass Wohnungen in Gebäuden der Klassen drei bis fünf barrierefrei zugänglich und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein müssen. Diese beiden Regelungen in Kombination lassen einen gewissen Interpretationsspielraum. Daraus erwachsen in der Genehmigungspraxis der Kommunen und Kreise sehr unterschiedliche Auslegungen. Diese Unklarheit sorgt dafür, dass Bauherren davon abgehalten oder mindestens dabei behindert werden Mietwohnungen zu errichten. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in NRW, die investieren wollten sind bereits von dieser Unklarheit betroffen gewesen. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 2616 mit Schreiben vom 11. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Landesbauordnung (BauO NRW 2018) hat in Nordrhein-Westfalen einen Paradigmenwechsel im Wohnungsbau eingeleitet: Künftig müssen Wohnungen in Gebäuden ab der Gebäudeklasse 3 barrierefrei und eingeschränkt mit dem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6866 2 Rollstuhl nutzbar sein. Damit kehrt die Landesregierung eine heute vielerorts gelebte Praxis um: Wohnungen werden künftig so gebaut, dass die Barrierefreiheit als universales Gestaltungsprinzip Einzug in den Wohnungsbau ab der Gebäudeklasse 3 halten wird. Die Konkretisierung der Anforderungen an die Barrierefreiheit erfolgte dabei durch die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (VV TB NRW), Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung 614 - 408 - vom 7. Dezember 2018. 1. Plant die Landesregierung die bestehende Rechtsunsicherheit zu tilgen und durch eine präzisere Ausgestaltung eine solide rechtliche Basis für Bauherren in NRW zu schaffen? 2. Was bedeutet die Formulierung "eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar" in § 49.1 konkret? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Gemäß § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018 müssen in Gebäuden der Gebäudeklasse 3 bis 5 mit Wohnungen die Wohnungen barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit – barrierefrei und eingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar – werden dabei durch die VV TB NRW näher konkretisiert. Mit der VV TB NRW wurde die DIN 18040-2 als Technische Baubestimmung mit Einschränkungen eingeführt und ist zu beachten. Die Aufzugspflicht ergibt sich aus § 39 Abs. 4 BauO NRW 2018, der gegenüber § 49 Abs. 1 BauO NRW 2018 lex specialis ist. Danach ist ein Aufzug erst ab vier oberirdischen Geschossen erforderlich. 3. Ist der Landesregierung bekannt, ob innerhalb der einzelnen Kommunen und Kreise die Auslegung dieser Rechtslage immer nach dem gleichen Muster geschieht? Der Landesregierung ist bekannt, dass bei den Bauaufsichtsbehörden ein Bedürfnis nach Klarstellung bezüglich des Regelungsverhältnisses zwischen § 39 Abs. 4 und § 49 Abs. 1 BauO NRW 2018 (Aufzugspflicht) bestand. Sofern es eine unterschiedliche Vollzugspraxis gegeben haben sollte, besteht spätestens seit dem Runderlass „Anforderungen des Bauordnungsrechtes an bauliche Anlagen nach § 49 Absatz 1 BauO NRW 2018“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung vom 7. Juni 2019 kein Anlass mehr, von einer solchen auszugehen. 4. Müssen dreigeschossige Reihenhausbauten ebenfalls per Aufzug erschlossen werden? Nein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6866 3 5. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund steigender Mieten, den Bau der Aufzüge finanziell zu fördern oder andere Maßnahmen, um die Errichtung von Mietwohnungen attraktiver zu gestalten? Der Bau von Aufzügen wird bereits seit vielen Jahren im Neubau des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus mit attraktiven Zusatzdarlehen unterstützt. Neben den wohnflächenabhängigen Baudarlehen können Darlehen von bis zu 55.000 Euro für jeden Aufzug gewährt werden. Für die Darlehensberechnung ist die Anzahl der mit dem Aufzug erreichbaren Geschosse ausschlaggebend. Sofern Aufzüge für den Liegendtransport geeignet sind, erhöht sich die Förderung auf bis zu 65.000 Euro. Die Zusatzförderung wird unabhängig von der Gebäudeklasse des zu fördernden Neubaus gewährt. Sobald Wohnungen für ältere oder behinderte Menschen zweckgebunden errichtet und öffentlich gefördert werden, müssen diese immer durch einen Aufzug erreichbar sein.