LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6890 12.07.2019 Datum des Originals: 10.07.2019/Ausgegeben: 17.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2613 vom 12. Juni 2019 des Abgeordneten Markus Wagner AfD Drucksache 17/6531 Steuerzahler kommen für Spass im Knast auf! Was kosten Comedy-Auftritte in NRW Justizvollzugsanstalten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem, mutmaßlich mehrere Tausend Euro teuren, Auftritt von Mitgliedern der Comedy- Gruppe „Rebell Comedy“ in der JVA Bochum, habe der Anstaltsleiter den angeforderten Bericht an das Düsseldorfer Justizministerium geschickt. So zumindest berichtet focus.de in seiner Ausgabe vom 29.04.2019.1 Laut dem Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD)2 habe die einstündige Show vor 140 Gefangenen am 7. März in Bochum 6000 Euro gekostet. Nachdem publik geworden war, dass die TV-bekannten Komiker der „Rebell Comedy“ zuvor bereits in der JVA Castrop-Rauxel und der JVA Geldern aufgetreten waren, wolle das Ministerium nach Angaben des Sprechers dort nachfragen, ob ebenfalls Honorare bezahlt wurden - und wie hoch diese gegebenenfalls waren. „Dies würde man in die Bewertung des Auftritts in der JVA Bochum einfließen lassen“, so der Ministeriumssprecher, laut focus.de. Auftritte von bekannten Künstlern in nordrhein-westfälischen Gefängnissen seien laut dem BSBD nicht ungewöhnlich. Meistens seien das aber unentgeltliche Engagements, bei denen nur eine Aufwandsentschädigung gezahlt werde. Bei der in der Justizvollzugsanstalt Bochum aufgetretenen Gruppe der „Rebell Comedy“ handelte es sich um Stand-Up-Comedy. Die Comedian-Truppe habe landesweite Bekanntheit erlangt und fülle zwischenzeitlich auch größere Hallen. Parallel zu dieser Entwicklung stiegen unvermeidlich die Kosten, wolle man sie engagieren. Bei den Comedians der „Rebell Comedy“ handele es sich um Menschen mit Migrationshintergrund. 1 https://m.focus.de/regional/duesseldorf/gesellschaft-comedy-auftritt-ministerium-prueft-bericht-des-jvaleiters _id_10647531.html 2 http://www.bsbd-nrw.de/aktuelles/aktuelles-bsbd/767-freizeitgestaltung-im-vollzug-sind-nur-teure-veranstaltungen-etwas-wert LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6890 2 [Muß man diese Gruppe eigentlich kennen? Ich habe – ehrlich gesagt – noch nie von ihr gehört. Möglicherweise eine Altersfrage oder eine Bildungslücke. Doch eine solche Gage würde ich höchstens bei einem hoch bekannten Künstler von zumindest nationalem Rang vermuten, aber bei irgendwelchen „Komödianten“?] Da zu solchen Veranstaltungen regelmäßig auch Gäste und Medienvertreter eingeladen würden, bestünde nach Aussagen des BSBD immer die Versuchung, etwas Besonderes bieten zu wollen oder zu müssen. In der Vergangenheit seien regelmäßig von bekannten Künstlern Benefizveranstaltungen gegeben worden, bei denen Kosten in der Regel nur für die Entrichtung der GEMA-Gebühren angefallen seien. Diese Künstler seien meist durch Vollzugsbedienstete zu einem Auftritt im „Knast“ veranlasst, die persönliche Beziehungen nutzten. Zwischenzeitlich habe es sich eingebürgert, Künstler gegen Entgelt zu engagieren. Zu dieser Entwicklung habe auch beigetragen, dass die Haushaltsmittel „in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen“ etwas leichter zu beschaffen seien als in der Vergangenheit. Eine solche Möglichkeit führe zwangsläufig zu einem Wettbewerb der Einrichtungen untereinander; das ergebe sich schon allein aus der Fluktuation der Gefangenen. [Verstehe ich das richtig? Wenn ich einsitze, habe ich ein Anrecht auf Gaudi und Tralala? Man lernt wirklich täglich dazu.] Diese Art der Gefangenen-Unterhaltung sei nach Einschätzung des BSBD jedoch kritisch zu hinterfragen, weil in der Regel solche Veranstaltungen im Fokus stünden, die einen konsumtiven Charakter aufwiesen. „Für Auftritte von bekannten oder semi-bekannten Künstlern viel Geld auszugeben, sei deshalb problematisch, weil diese Form von Veranstaltung meist zu keinem neuen Erfahrungs- oder Erkenntnisgewinn bei den Gefangenen führe, sondern vorrangig den Unterhaltungsaspekt in den Blick nehme,“ so der BSBD. Der gesetzliche Auftrag des Strafvollzuges ist im Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (StVollZG NRW) festgeschrieben: So heißt es beispielsweise im StVollZG NRW: "Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient dem Ziel, Gefangene zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen." (§ 1 StVollzG NRW bzw. § 2 Abs. 1 JStVollzG NRW). "Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten." (§ 6 Abs. 1 StVollzG NRW bzw. § 2 Abs. 2 JStVollzG NRW). Von Comedy ist in allen Bereichen des StVollzG NRW und JStVollzG NRW nichts zu finden, schon gar nichts, das auf eine Legitimation der o.a. kostspieliger Veranstaltungen hindeuten würde,. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 2613 mit Schreiben vom 11. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet. 1. Inwieweit kommen die NRW Justizvollzugsanstalten, in Bezug auf die o.a. Berichterstattung, ihrem gesetzlichen Auftrag des Strafvollzugs, im Sinne des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (StVollZG NRW) nach? Der Strafvollzug des Landes Nordrhein-Westfalen orientiert sich in allen Bereichen am gesetzlichen Resozialisierungsgebot. Dieses umfasst gemäß § 50 des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen (StVollzG NRW) auch die Verpflichtung, Gefangenen Gelegenheit zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6890 3 geben, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Gemäß § 50 StVollzG NRW sind die Gefangenen zur Teilnahme und Mitwirkung anzuregen; es sind u. a. Angebote zur kulturellen Betätigung sowie Angebote zur kreativen Entfaltung vorzuhalten. Darüber hinaus wird auf die Antwort der Landesregierung zu der Kleinen Anfrage 2434 Bezug genommen (Drucksache 17/6463). 2. Was hat „der Spaß“ des Auftritts der „Rebell Comedy“ vor Inhaftierten in NRW – Justizvollzugsanstalten den Steuerzahler bislang gekostet? Bitte aufschlüsseln nach Auftrittsdatum, JVA und je Kosten (Gage, GEMA, Veranstaltungstechnik, etc. pp). Vier Justizvollzugsanstalten haben zum Stichtag 29.05.2019 berichtet, die Gruppe „Rebell Comedy“ entgeltlich engagiert zu haben. Dabei seien die folgenden Kosten entstanden: Justizvollzugsanstalt Datum Kosten Bochum 07.03.2019 5.950 € Düsseldorf 10.10.2018 3.000 € Geldern 26.06.2017 250 € Wuppertal-Ronsdorf 08.05.2018 3.070 € 3. In wie vielen der 36 Justizvollzugsanstalten und 5 Jugendarrestanstalten in NRW gab es Auftritte von Künstlern gegen Gage? Bitte aufschlüsseln nach JVA und Jugendarrest von 2015 bis heute und Höhe der jeweiligen Gage (ohne Auftritte gegen Aufwandsentschädigung). Auf die beigefügte Zusammenstellung wird Bezug genommen. Diese beinhaltet die zum Stichtag 29.05.2019 durch die Justizvollzugseinrichtungen des Landes berichteten künstlerischen Auftritte, die im Rahmen von Freizeit- und Integrationsmaßnahmen der Inhaftierten gegen Gage durchgeführt wurden, wobei die Auflistung die Kosten (mit Gage) ausweist. Auftritte, für die zwar Kosten entstanden sind, aber keine Gage bezahlt worden ist, sind nicht aufgeführt. 4. Welches Budget steht den Justizvollzugsanstalten als Haushaltsmittel „in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen“ für derartige oder andere „Veranstaltungen“ zur freien Verfügung? Bitte aufschlüsseln nach JVA und Budget von 2015 bis heute. Die Justizvollzugseinrichtungen erhalten ihre Finanzmittel als Gesamtausgabenbudget weitgehend frei von haushaltsbezogenen Finanzvorgaben und Finanzzweckbindungen in einer Gesamtsumme (je Kostenartengruppe) zur Bewirtschaftung. Dies entspricht den Budgetierungsvorschriften des Haushaltsgrundsätzegesetzes, der Landeshaushaltsordnung (§ 6a HGrG, § 17a LHO) und des Haushaltsgesetzes (§ 25 HHG 2019), die dem Grundgedanken einer dezentralen Sach- und Finanzverantwortung folgen. Von diesem Gesamtausgabenbudget werden zunächst die rechtlichen wie vertraglichen Verpflichtungen (Versorgungskosten der Gefangenen, Mietkosten, Personalkosten, Investitionskosten etc.) bestritten. Das restliche Budget wird sodann in eigener Budgethoheit in den Justizvollzugseinrichtungen je nach dortiger Schwerpunktsetzung verwendet. Vor diesem Hintergrund sowie der Vielzahl an in Rede stehenden Maßnahmen und der Vielschichtigkeit der zu berücksichtigenden Ausgaben werden Budgets für Veranstaltungen im Sinne der Kleinen Anfrage nicht zugewiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6890 4 5. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des BSBD, dass diese Form von Veranstaltungen „meist zu keinem neuen Erfahrungs- oder Erkenntnisgewinn bei den Gefangenen führe“, sondern „vorrangig den Unterhaltungsaspekt“ in den Blick nehme? Entsprechende Großveranstaltungen haben – neben dem unstreitig bestehenden Unterhaltungsaspekt – auch einen kriminalpräventiven Auftrag. Sie dienen der Resozialisierung der Gefangenen und damit der Umsetzung des Auftrags der Justizvollzugsanstalten aus § 50 Strafvollzugsgesetz NRW. Auch der Bund der Strafvollzugsbediensteten hat in diversen Presseberichten erklärt, entsprechende Veranstaltungen seien grundsätzlich sinnvoll; er kritisiert allerdings die Höhe der Kosten in dem konkreten Fall, der dieser Kleinen Anfrage zugrunde liegt.