LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6913 16.07.2019 Datum des Originals: 16.07.2019/Ausgegeben: 19.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2611 vom 6. Juni 2019 des Abgeordneten Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6529 Fliegen Social Entrepreneurs, Social Startups und Sozialunternehmen unter dem Radar der Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit Jahren gewinnen Social Entrepreneurs, Social Startups und Sozialunternehmen an Bedeutung. Die Verbindung des unternehmerischen Denkens mit einem sozialen Leitgedanken hat hohes Mobilisierungspotenzial – gerade auch für die jüngeren, gut ausgebildeten Menschen. Nach einer aktuellen KfW-Studie gab es 2017 bundesweit 154.000 „junge“ Sozialunternehmer in Deutschland, die 108.000 Unternehmen führen – das sind rund 9 % aller Jungunternehmer des Jahres 2017.1 Diese sind, so die Studie, in zweierlei Hinsicht innovativ. Einerseits haben sie neben dem Gewinnziel ein soziales oder ökologisches Anliegen ganz oben in ihrem Zielsystem verankert und verzichten dafür auf mögliche Rendite. Darüber hinaus sind sie häufig auch im ‚klassischen‘ Sinne innovativ: Knapp ein Drittel der jungen Sozialunternehmer bieten Marktneuheiten an, die es auf ihrem Zielmarkt vorher noch nicht gab. Jeder vierte entwickelt eigene technologische Innovationen bis zur Marktreife. Viele der Social Entrepreneurs, Social Startups und Sozialunternehmen sind also durchaus Vorreiter für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Um dieser wachsenden Bedeutung mehr Nachdruck zu verleihen, haben sich Anfang 2019 fünf große Wohlfahrtsverbände, das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND e.V.) und der Bundesverband Deutscher Startups zusammengeschlossen, um in diesem Bereich enger zusammenzuarbeiten und die von der Politik weitestgehend liegen gelassenen Potenziale zur Entfaltung zu bringen. Entsprechend legte die Kooperation kürzlich ein 1 Quelle: https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente- Fokus-Volkswirtschaft/Fokus-2019/Fokus-Nr.-238-Januar-2019-Sozialunternehmer.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6913 2 gemeinsames Positionspapier unter dem Titelarbeiten „Gesellschaftlicher Fortschritt braucht soziale Innovation“ vor. Auf Bundesebene scheint die schwarz-rote Koalition zumindest das Potenzial wahrgenommen zu haben. So heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD auf Bundesebene: „Social Entrepreneurship spielt bei der Lösung aktueller gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen eine zunehmend wichtige Rolle. Social Entrepreneurship wollen wir noch stärker als bisher fördern und unterstützen.“2 Im Gegensatz dazu finden Social Entrepreneurs, Social Startups oder junge Sozialunternehmer im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP in NRW keine Berücksichtigung. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2611 mit Schreiben vom 16. Juni 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister für Finanzen, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie definiert die Landesregierung „Social Entrepreneurship“, „junge Sozialunternehmen“ oder „Social Startups“? Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffes „Social Entrepreneur-ship“. Im Allgemeinen versteht die Landesregierung unter „Social Entrepreneurship“ unternehmerische Aktivitäten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, soziale und/oder gesellschaftliche Probleme durch unternehmerische Ansätze zu lösen. Somit stehen beim Sozialunternehmertum sowohl ökonomische als auch soziale und mitunter ökologische Aspekte im Vordergrund. 2. Welche Bedeutung misst die Landesregierung dieser Art von Gründungen und jungen Unternehmen bei? (Bitte nach ökonomischer, sozialer, ökologischer und politischer Bedeutung differenzieren) Nach Auffassung der Landesregierung schaffen Social Entrepreneurs einen wichtigen Mehrwert zur Lösung von sozialen, gesellschaftlichen und/ oder ökologischen Herausforderungen durch unternehmerische Ansätze mit teilweiser hoher Innovationskraft. Sozialunternehmen umfassen sowohl gewinnorientierte Unternehmen als auch gemeinwohlorientierte Organisationsformen, sodass sich die jeweilige ökonomische, soziale und ökologische Bedeutung je nach Unternehmensform unterscheidet. Sozialunternehmen beinhalten folglich sowohl Elemente der kommerziellen Wirtschaft als auch der Sozialwirtschaft3. 2 Quelle: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1 3 Maaß, F. und Schneck, S. (2017), ‘Soziales Unternehmertum‘, Institut für Mittelstandsforschung Bonn. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6913 3 3. Sieht die Landesregierung im Vergleich zu Startups oder anderen Unternehmensgründungen z.B. im Handwerk oder der Industrie hier einen gesonderten Förder- und Beratungsbedarf? Nordrhein-Westfalen weist mit rund 82.000 Gründungen im Jahr 2018 eine breite und vielgestaltige Gründungslandschaft auf. Ziel ist, jeder Gründung – vom Handwerk oder Gewerbe bis zu neuen Technologien oder in Zukunftsdienstleistungen – die spezifische Unterstützung zu geben, die sie benötigt. Die 75 STARTERCENTER NRW, die sechs vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Initiative DWNRW geförderten DigitalHubs sowie die vom Land geförderten neuen sechs Startup-Exzellenzcenter bieten eine qualifizierte Beratung für alle Gründerinnen und Gründer in der Start- und Aufbauphase. Mit der von der Landesregierung entwickelten neue Gründerinitiative NeueGründerzeit.NRW strebt die Landesregierung für das Gründerland Nordrhein-Westfalen in allen Bereichen weitere Verbesserungen an, dies gilt auch für soziale und ökologische Gründungsvorhaben. So unterstützt die Landesregierung als Teil der ressortübergreifend angelegten Umweltwirtschaftsstrategie innovative, umweltorientierte Unternehmen dabei, sich mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen am Markt zu etablieren. 4. Welche Förderprogramme im Zuständigkeitsbereich der Ministerien für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration bzw. Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW können aus Sicht der Landesregierung für Social Entrepreneurs, junge Sozialunternehmen bzw. Social Startups geöffnet werden? Die überwiegend trägerorientieren Förderprogramme im Bereich des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sowie deren Zielstellungen eröffnen gewöhnlich keinen unmittelbaren Zugang zur Förderung junger Sozialunternehmer. Sofern Social Entrepreneurs, junge Sozialunternehmen bzw. Social Startups jedoch die formalen und inhaltlichen Anforderungen von Förderprogrammen erfüllen, können sie von diesen grundsätzlich profitieren. Die unterschiedlichen Förderprogramme des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales stehen grundsätzlich allen Unternehmen und Einrichtungen offen. Social Entrepreneurs, junge Sozialunternehmen oder Social Startups können sich - wie andere Unternehmen und Einrichtungen auch - an den Förderprogrammen beteiligen, soweit sie die jeweiligen Vorgaben erfüllen. 5. Das Land Berlin hat gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin beschlossen, Social Entrepreneurs zu stärken, indem sie die Wirtschaftsförderprogramme für sie öffnen. Inwiefern plant die Landesregierung dem Vorbild des Landes Berlin zu folgen und entsprechende Programme der NRW.Bank und des Landes für Social Entrepreneure zu öffnen? Die Förderprogramme der Landesregierung stehen allen Gründerinnen und Gründern aus Nordrhein-Westfalen offen, sofern sie die Vorgaben der jeweiligen Programme erfüllen. Das Gründerstipendium.NRW können beispielsweise alle volljährigen Gründerinnen und Gründer aus Nordrhein-Westfalen erhalten, unabhängig davon, ob sie eine technische Neuerung oder eine neue Dienstleistung in eine Unternehmensgründung umsetzen wollen. Entscheidend ist ausschließlich der Innovationsgehalt der Geschäftsidee. Gleichfalls stehen die Angebote der DWNRW-Hubs sozialen und ökologischen Entrepreneuren mit digitalen Geschäftsmodellen bereits heute offen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6913 4 Die Entwicklung dieser Unternehmen zu fördern, ist auch eine wichtige Zielsetzung der NRW.BANK als Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen aufgrund des hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrags, den Sozialunternehmen in den Bereichen Kultur, Bildung und Forschung, Gesundheitswesen, Soziale Dienste, Natur- und Umweltschutz sowie Industrie und Handwerk stiften. Alle Förderprogramme für gewerbliche Unternehmen stehen grundsätzlich auch für soziale Unternehmen offen, deren Geschäftstätigkeit auf ein geregeltes Markteinkommen im Wettbewerb mit anderen Anbietern ausgerichtet ist.