LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6915 16.07.2019 Datum des Originals: 16.07.2019/Ausgegeben: 19.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2658 vom 26. Juni 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6671 Terrorismusbekämpfung in NRW: Wann steht die neue Abteilung des LKA? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem Bericht des WDR1 habe das nordrhein-westfälische Innenministerium am 20.06.2019 mitgeteilt, dass in NRW aktuell 250 Menschen als islamistische Gefährder registriert seien, wobei etwa 100 der Gefährder als "aktionsfähig" eingestuft werden. Mindestens vier Gefährder haben die NRW-Behörden in diesem Jahr bislang in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Die Gefährder seien in drei Risikoklassen eingeteilt: moderates, auffälliges und hohes Risiko. Zum Jahresbeginn hatte im Landeskriminalamt eine neue Abteilung "Terrorismusbekämpfung" zur Überwachung der rund 30 gefährlichsten Islamisten ihre Arbeit aufgenommen. Dort sollen nach Angaben des NRW-Innenministeriums etwa 250 Mitarbeiter zusammengezogen werden. Die Umsetzung sei noch nicht ganz abgeschlossen. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2658 mit Schreiben vom 15. Juli 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie lassen sich die jeweiligen Risikoklassen beschreiben? 2. Wie hoch ist die Anzahl der Gefährder je Risikoklasse? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. 1 https://www1.wdr.de/nachrichten/islamistische-gefaehrder-100.html , aufgerufen am 21.06.2019. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6915 2 Seit Sommer 2017 wird bundesweit das Instrument „Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus (RADARi TE)“ eingesetzt, das den Polizeien in Bund und Ländern aufgrund einheitlich festgelegter Kriterien eine Bewertung des Risikopotenzials ermöglicht, das von Personen des militantsalafistischen Spektrums ausgeht. Mit RADAR-iTE wird eine Person, zu der eine Mindestmenge an Informationen zu Ereignissen aus ihrem Leben vorliegt, hinsichtlich des von ihr ausgehenden Risikos, in Deutschland eine schwere Gewalttat zu verüben, bewertet und einer Risikoskala zugeordnet, um darauf aufbauend Interventionsmaßnahmen zu priorisieren. Die Risikobewertung wird mit Hilfe eines Risikobewertungsbogens mit standardisierten Fragen und Antwortkategorien durchgeführt. Die im Risikobewertungsbogen enthaltenen Fragen bilden sowohl risikosteigernde als auch -senkende Merkmale ab. Nach festgelegten Regeln wird die bewertete Person einer dreistufigen Risikoskala zugeordnet. Diese unterscheidet zwischen einem hohen, einem auffälligen und einem moderaten Risiko. Im Anschluss wägt die sachbearbeitende Dienststelle die Handlungsoptionen ab und wählt anhand der festgestellten Risiko- und Schutzbereiche individuell passende Interventionsmaßnahmen im rechtlich zulässigen und tatsächlich möglichen Rahmen. Das Instrument unterliegt einer fortlaufenden Evaluierung durch die Sicherheitsbehörden. Darüber hinausgehende Informationen können im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht erteilt werden, um den Erfolg sicherheitsbehördlicher Maßnahmen nicht zu gefährden. 3. Weshalb ist die Abteilung Terrorismusbekämpfung noch nicht vollständig zusammengeführt? 4. Kann die Landesregierung, obwohl die Abteilung Terrorismusbekämpfung noch nicht ganz zusammengeführt ist, die bisherige Arbeit der Abteilung bewerten? Wenn ja, wie fällt die Zwischenbilanz der Landesregierung aus? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) wurde im Juli 2018 beauftragt, die aufbau- und ablauforganisatorischen Strukturen des Polizeilichen Staatsschutzes in Nordrhein-Westfalen neu auszurichten. Zu den wesentlichen Eckpunkten der Neuausrichtung gehören die Konzentration der Gefährdersachbearbeitung und die Einrichtung einer Abteilung Terrorismusbekämpfung im LKA NRW. Die Umsetzung der Veränderung der aufbau- und ablauforganisatorischen Strukturen des Polizeilichen Staatsschutzes in Nordrhein-Westfalen ist ein komplexer Prozess und wird daher voraussichtlich noch bis in die Jahre 2020/2021 andauern. Sie wird sukzessive in Abhängigkeit von notwendigen Rahmenbedingungen wie Personalgewinnung und -qualifizierung sowie der Schaffung von logistischen Voraussetzungen erfolgen, um den Umsetzungsprozess qualitätsgesichert durchzuführen. Gleiches gilt für den Prozess der Organisationsänderung des LKA NRW, bei dem neben notwendigen Personalmaßnahmen insbesondere auch Fragen der Raumplanung besonders zu berücksichtigen sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6915 3 Mit der Einrichtung der Abteilung Terrorismusbekämpfung im LKA NRW entwickelt Nordrhein- Westfalen seine führende Rolle im Bereich der Terrorismusbekämpfung weiter. Die Abteilung Terrorismusbekämpfung wird das polizeiliche Terrorabwehrzentrum für Nordrhein-Westfalen darstellen und eng mit der Zentralstelle Terrorismusverfolgung der Justiz Nordrhein-Westfalen, dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum im Bund und der Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen zusammenarbeiten. Neben der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus sind auch die anderen Phänomenbereiche der Politisch motivierten Kriminalität, insbesondere der Rechts- und Linksextremismus, im Fokus der Sicherheitsbehörden. Der rechtsextremistische Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, rechte Hetze im Internet, wachsender Antisemitismus und gewalttätige Ereignisse im Hambacher Forst haben gezeigt, dass auch diese Phänomenbereiche weiter eine konsequente Aufklärung und Strafverfolgung erfordern. Durch die Bündelung der Kompetenzen und Zuständigkeiten für die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in der neuen Abteilung Terrorismusbekämpfung gewinnt die Bekämpfung der weiteren Phänomene der Politisch motivierten Kriminalität an Profil und Tiefe in der dann ebenfalls neu gegliederten Abteilung Staatsschutz des LKA NRW. Die Umsetzung aller geplanten Änderungen hat bereits im Januar 2019 mit der Einrichtung der Koordinierungsstelle (KoSt) Gefährder begonnen, die schon jetzt alle Maßnahmen gegen Gefährder im Land koordiniert und verantwortlich auf die Einhaltung aller Qualitätsstandards überprüft. Die KoSt Gefährder nimmt im Zusammenhang mit dem islamistisch-terroristischen Personenpotential darüber hinaus unter anderem folgende Aufgaben wahr: Verfahrensbegleitende und -initiierende Auswertung und Analyse Erstellung von Lagebildern und Berichten Ein- und Ausstufungen von Gefährdern und Relevanten Personen Kontrolle der mittels RADAR-iTE durchgeführten Bewertungen Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten