LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6927 17.07.2019 Datum des Originals: 17.07.2019/Ausgegeben: 22.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2626 vom 6. Juni 2019 der Abgeordneten Alexander Langguth, Frank Neppe und Marcus Pretzell FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6566 Wie „divers“ ist NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Deutsche Bundestag kam am 13. Dezember 2018 einer Forderung des Bundesverfassungsgerichtes nach, indem er die Einführung eines dritten Geschlechtseintrages beschloss. Seit dem 01.01.2019 ist es damit möglich im Geburtenregister den Personenstand „divers“ eintragen zu lassen. Ziel des Gesetzes war es, intersexuellen Menschen, also biologisch nicht eindeutig als Mann oder Frau einzuordnende Personen, die Möglichkeit zu eröffnen, das Geschlecht „divers“ im Personenstandsrecht anzugeben und den Vornamen zu ändern. Der § 45b Abs. 1 PStG spricht hier von „Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“. Damit sind, wie auch das Bundesinnenministerium ausdrücklich herausstellte, nicht transsexuelle Menschen gemeint. Bei diesen ist das biologische Geschlecht eindeutig, für sie ist nach wie vor das Transsexuellengesetz maßgeblich. Der Deutsche Ethikrat schätze die Zahl intersexueller Menschen in Deutschland auf etwa 80.000, das Bundesverfassungsgericht beriefe sich bei seiner Beschlussfassung auf eine Quelle, nach der es ca. 160.000 Intersexuelle geben könne.1 Der Spiegel berichtete am 26. April 2019, basierend auf einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, dass seit Anfang 2019 nur 220 Personen in 14 Bundesländern eine Änderung des Personenstandes von „männlich“ zu „weiblich“ (114) oder andersherum (106) beantragt haben.2 Voraussetzung für die Genehmigung ist gemäß § 45b Abs. 3 PStG eine entsprechende ärztliche Bescheinigung, welche die Intersexualität bestätigt oder eine Versicherung an Eides 1 https://www.tagesschau.de/investigativ/divers-105.html (abgerufen am 06.06.2019) 2 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/transsexuelle-nutzen-gesetzesluecke-aenderung-dergeschlechtsangabe -per-attest-a-1264542.html (abgerufen am 06.06.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6927 2 statt, falls ein Nachweis nach und in Folge einer medizinischen Behandlung nicht mehr oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung nachgewiesen werden kann. Die Tagesschau berichtete am 9. Mai 2019 leicht abweichend, dass etwa 250 den Personenstand von „männlich“ zu „weiblich“ oder umgekehrt gewechselt haben, 69 haben sich den Personenstand „divers“ eintragen lassen.3 Abweichend von Ziel und Wortlaut des Personenstandsgesetzes geht der Spiegel in seiner Berichterstattung davon aus, dass das geänderte Gesetz „offenbar gegen die Absicht des Gesetzgebers von transsexuellen Personen genutzt [wird], um ihre Geschlechtsangabe zu ändern“4. In diesem Gesamtzusammenhang haben wir bereits am 26. März 2019 eine Kleine Anfrage (17/5579; Antw. 17/5909) gestellt, um zu erfragen, welche Auswirkungen das neue Personenstandsgesetz für Bewerbungsverfahren bei Landesbehörden hat. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2626 mit Schreiben vom 17. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1. Wie viele Personenstandsänderungen wurden seit dem 1. Januar 2019 mit dem Ziel einer Änderung des Geschlechtsstatus in NRW beantragt? (Bitte nach „männlich zu weiblich“, „weiblich zu männlich“, „männlich zu divers“ und „weiblich zu divers“) 2. Wie viele Personenstandsänderungsanträge wurden seit dem 1. Januar 2019 mit dem Ziel einer Änderung des Geschlechtsstatus in NRW genehmigt? (Bitte nach „männlich zu weiblich“, „weiblich zu männlich“, „männlich zu divers“ und „weiblich zu divers“) 3. Wie verteilen sich die Fälle aus Frage 1 und Frage 2 auf die Standesämter in NRW? 4. In wie vielen Fällen aus Frage 1 und Frage 2 handelte es sich um minderjährige Personen? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs und der besseren Darstellbarkeit der Fallzahlen gemeinsam beantwortet: § 45b Personenstandsgesetz (PStG) regelt das Verfahren bezüglich der Abgabe von Erklärungen zur Geschlechtsgabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Hierbei handelt es sich indessen nicht, wie die Fragestellungen nahelegen, um ein Verfahren, in dem das Standesamt auf entsprechenden Antrag hin über ein nach dem Gesetz genehmigungsbedürftiges Bürgeranliegen zu entscheiden hat. Dies berücksichtigend sind die nordrhein-westfälischen Standesämter aus Anlass der Kleinen Anfrage gebeten worden, unter Berücksichtigung der von den Fragestellern konkret erbetenen Kategorisierung zu den in der Zeit vom 1. Januar bis zum 15. Juni 2019 abgegebenen Erklärungen zur Änderung der Geschlechtsangabe nach § 45b Personenstandsgesetz (PStG) 3 https://www.tagesschau.de/investigativ/divers-105.html (abgerufen am 06.06.2019) 4 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/transsexuelle-nutzen-gesetzesluecke-aenderung-dergeschlechtsangabe -per-attest-a-1264542.html (abgerufen am 06.06.2019) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6927 3 und den von ihnen in diesem Zusammenhang im Geburtenregister vorgenommenen Beurkundungen von Änderungen der Geschlechtsangabe zu berichten. Im Berichtszeitraum sind danach in 80 der 397 nordrhein-westfälischen Standesämter (Stand 12/2018) Erklärungen zur Änderung der Geschlechtsangabe nach § 45b PStG abgeben worden. Bezüglich des Ergebnisses der Abfrage wird auf den Inhalt der Anlage verwiesen. Vor dem Hintergrund des möglichen Abgleichs von personenbezogenen Daten auf Grund der Registrierung der beurkundeten Erklärungen wird aus datenschutzrechtlichen Gründen die Anzahl dieser Erklärungen als Gesamtzahl für jeden Regierungsbezirk und für das Land Nordrhein-Westfalen insgesamt dargestellt. 5. Sind der Landesregierung Fälle von Missbrauch bekannt, in denen Antragsteller/ Antragstellerinnen / Antragstellende versucht haben, das Transsexuellengesetz zwecks Änderung des Personenstandes zu umgehen? Aus dem Kreis der 80 Standesämter, in denen in Nordrhein-Westfalen im Berichtszeitraum Erklärungen zur Änderung der Geschlechtsangabe nach § 45b PStG abgeben wurden, ist von insgesamt 12 Fällen berichtet worden, in denen Personen eine Änderung der Geschlechtsangabe nach § 45b Personenstandsgesetz (PStG) zu erreichen suchten, ohne zum Adressatenkreis der Norm zu gehören. Regierungsbezirk Wie viele Erklärungen zur Geschlechtsangabe nach § 45b PStG wurden im Zeitraum 01.01.2019 bis 15.06.2019 beurkundet? von m auf w (davon mj)* von w auf m/ (davon mj)* von m auf d/(davon mj)* von w auf d/(davon mj)* Gesamtzahl/ (davon mj)* Gesamtzahl/ (davon mj)* Arnsberg 12/(1) 15/(6) 3/(0) 5/(0) 35/(7) 21/(5) Standesamt Dortmund 2/(0) 2/(0) Standesamt Hagen 2/(0) 1/(0) 3/(0) Standesamt Hamm 1/(0) 1/(0) Standesamt Herne 1/(0) 1/(0) Standesamt Ennepetal 1/(1) 1/(1) Standesamt Hattingen 1/(0) 1/(0) Standesamt Schwelm 2/(0) 2/0) Standesamt Witten 1/(0) 1/(0) Standesamt Hemer 1/(0) 1/(0) Standesamt Meinerzhagen 2/(1) 2/(1) Standesamt Menden 1/(0) 1/(0) Standesamt Attendorn 2/(0) 2/(0) Standesamt Olpe 2/(1) 1/(0) 3/(1) Standesamt Kreuztal 1/(0) 2/(0) 3/(0) Standesamt Siegen 3/(0) 3/(0) Standesamt Soest 1/(0) 1/(0) Standesamt Wickede 1/(1) 1/(1) Standesamt Holzwickede 1/(0) 1/(0) Standesamt Lünen 1/(0) 1/(1) 2/(1) Standesamt Schwerte 3/(2) 3/(2) Standesamt Werne Detmold 6/(0) 12/(3) 3/0) 2/(0) 23/(3) 12/(4) Standesamt Bielefeld 1/(0) 6/(1) 1/(0) 8/(1) Standesamt Herford 1/(1) 1/(1) Standesamt Gütersloh 1/(0) 1/(1) 2/(1) Standesamt Versmold 1/(0) 1/(0) Standesamt Warburg 1/(0) 1/(0) 2/(0) Standesamt Oerlinghausen 1/(0) 1/(0) Standesamt Lemgo 1/(0) 1/(0) 2/(0) Standesamt Paderborn 1/(0) 1/(0) Standesamt Salzkotten 1/(0) 1/(0) Standesamt Espelkamp 1/(0) 1/(0) Standesamt Bad Oeynhausen 1/(0) 1/(0) Standesamt Lübbecke 1/(0) 1/(0) Standesamt Minden 1/(0) 1/(0) Düsseldorf 22/(3) 10/(3) 2/(0) 2/(1) 37/(7) 25/(4) Standesamt Düsseldorf 6 (0) 1 (0) 7/(0) Standesamt Essen 3/(0) 1/(0) 1/(0) 5/(0) Standesamt Krefeld 1/(0) 1/(0) Standesamt Mönchengladbach 1/(0) 2/(0) 3/(0) Standesamt Oberhausen 3/(2) 3/(2) Standesamt Remscheid 2/(1) 2/(1) 4/(2) Standesamt Solingen 2/(0) 2/(0) Standesamt Wuppertal 2/(0) 2/(0) 4/(0) Standesamt Emmerich am Rhein 1/(0) 1/(0) Standesamt Kleve 1/(1) 1/(1) Standesamt Haan 1/(0) 1/(0) Standesamt Neuss 2/(0) 2/(0) Standesamt Viersen 1/(1 ) 1/(1 ) Standesamt Dinslaken 1/(0) 1/(0) Standesamt Kamp-Lintfort 1/(1 ) 1/(1 ) Wie viele Erklärungen zur Geschlechtsangabe nach § 45b PStG wurden im Zeitraum 01.01.2019 bis 15.06.2019 mit dem Ziel die Geschlechtsangabe zu ändern, abgegeben? Anlage zur Antwort auf die Kleine Anfrage 2626; Drs 17/6566 vom 17.06.2019 Regierungsbezirk Wie viele Erklärungen zur Geschlechtsangabe nach § 45b PStG wurden im Zeitraum 01.01.2019 bis 15.06.2019 beurkundet? von m auf w (davon mj)* von w auf m/ (davon mj)* von m auf d/(davon mj)* von w auf d/(davon mj)* Gesamtzahl/ (davon mj)* Gesamtzahl/ (davon mj)* Wie viele Erklärungen zur Geschlechtsangabe nach § 45b PStG wurden im Zeitraum 01.01.2019 bis 15.06.2019 mit dem Ziel die Geschlechtsangabe zu ändern, abgegeben? Anlage zur Antwort auf die Kleine Anfrage 2626; Drs 17/6566 vom 17.06.2019 Köln 14/(0) 19/(3) 1/(0) 5/(0) 39/(3) 27/(2) Standesamt Aachen 1/(0) 2/(0) 1/(0) 4/(0) Standesamt Berg. Gladbach 1/(0) 2/(0) 3/(0) Standesamt Wermelskirchen 1/(1) 1/(1) Standesamt Düren 3/(1) 3/(1) Standesamt Jülich 1/(0) 1/(0) Standesamt Geilenkirchen 1/(0) 1/(0) Standesamt Bergheim 1/(1) 1/(0) 2/(1) Standesamt Köln 7/(0) 3/(0) 1/(0) 11/(0) Standesamt Würselen 1/(0) 1/(0) Standesamt Stolberg 2/(0) 1/(0) 3/(0) Standesamt Radevormwald 1/(0) 1/(0) Standesamt Waldbröl 1/(0) 1/(0) Standesamt Bonn 2/(0) 5/(0) 7/(0) Münster 12/(5) 13/(3) 2/(0) 2/(0) 29/(8) 21/(3) Standesamt Gelsenkirchen 2/(0) 2/(0) Standesamt Münster 3/(1) 4/(1) 2/(0) 9/(2) Standesamt Ahaus 1/(0) 1/(0) Standesamt Bocholt 1/(0) 1/(0) Standesamt Gronau 1/(1) 1/(1) Standesamt Coesfeld 1/(0) 1/(0) Standesamt Herten 1/(0) 1/(0) Standesamt Castrop-Rauxel 1/(1) 1/(1) Standesamt Gladbeck 1/(0) 1/(0) Standesamt Dorsten 1/(0) 1/(0) Standesamt Haltern am See 2/(0) 2/(0) Standesamt Marl 1/(0) 1/(0) Standesamt Ochtrup 1/(0) 1/(0) Standesamt Rheine 1/(1) 1/(1) Standesamt Ibbenbüren 2/(0) 2/(0) Standesamt Steinfurt 1/(1) 1/(1) Standesamt Ahlen 1/(1) 1/(1) Standesamt Warendorf 1/(1) 1/(1) NRW gesamt 66/(9) 70/(18) 11/(0) 16/(1) 163/(28) 106/(18) *) m = männlich, w = weiblich, d = divers, mj = minderjährig