LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6941 18.07.2019 Datum des Originals: 18.07.2019/Ausgegeben: 23.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2641 vom 17. Juni 2019 der Abgeordneten Nadja Lüders SPD Drucksache 17/6622 Wie ordnet die Landesregierung die europäischen Netzwerke unter Rechtsextremisten ein? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Antwort auf die Kleine Anfrage 2359 (Drucksache 5822) beschreibt die Landesregierung ein umfassendes Netzwerk unter rechtsextremen Parteien in weiten Teilen der Europäischen Union. Der Grad der Vernetzung sei in den vergangenen Jahren laut nordrhein-westfälischem Verfassungsschutz zudem als steigend einzuordnen. Erwähnt werden zudem Verbindungen zwischen sogenannten „Kampfsportgruppen“, also rechtsaffinen Gruppierungen mit zusätzlich hohem Gewaltpotenzial. Die Landesregierung gibt in ihrer Antwort weiterhin an, dass man von der Teilnahme Dortmunder Neonazis an dem sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest am 09.02.2019 ausgegangen sei. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2641 mit Schreiben vom 18. Juli 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Inwiefern ist der Landesregierung bekannt, ob – ähnlich wie es bei den mittlerweile „Wehrsportgruppen“ üblich war – gegebenenfalls im Ausland militärähnliche „Manöverübungen“ oder Kampftrainings durchgeführt werden? Es ist bekannt, dass deutsche Rechtsextremisten die Besuche bei ausländischen rechtsextremistischen Gruppierungen auch genutzt haben, um örtliche Schießanlagen zu besuchen und dort legale Schießübungen durchzuführen. Militärähnliche „Manöverübungen“ oder ähnliches sind nicht bekannt geworden. 2. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Intensivierung der länderübergreifenden europäischen Zusammenarbeit hinsichtlich der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6941 2 Beobachtung und Beurteilung dieser rechtsextremen Netzwerke und Zusammenkünfte? Nach § 5 Abs. 5 Bundesverfassungsschutzgesetz obliegt dem Bundesamt für Verfassungsschutz der für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden erforderliche Dienstverkehr mit zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz steht hierbei in engem Austausch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz. 3. Welche Verbindungen unterhält der Dortmunder Kreisverband der Partei „Die Rechte“ zu Vertretern der Neonaziszene in Italien? Diese Frage wurde wortgleich bereits mit Frage 3 in der Kleinen Anfrage 2359 gestellt. Die weiterhin gültige Antwort (LT-Drs. 17/6130) lautete: „Italienische Rechtsextremisten sind nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes ebenfalls Teil eines europäischen Netzwerks rechtsextremistischer Gruppierungen. In diesem Kontext bestehen auch Kontakte zur Partei „Die Rechte“ in Dortmund. Darüber hinaus ist bekannt, dass es Verbindungen innerhalb der Kampfsport-Szene nach Italien gibt.“ 4. Wenn die Landesregierung von der Teilnahme nordrhein-westfälischer Neonazis an Veranstaltungen wie dem sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2019 ausging, warum wurden die in Frage kommenden Personen nicht über entsprechende Auflagen von der Ausreise abgehalten? Als einzige Auflage zur Verhinderung der Ausreise kommt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Meldeauflage in Betracht. Eine Meldeauflage wird in Nordrhein- Westfalen auf die Allgemeinklausel des § 8 Absatz 1 Polizeigesetz gestützt. Danach hätte es einer im einzelnen Falle bestehenden, konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung in Nordrhein-Westfalen bedurft, die durch die Meldeauflage hätte abgewehrt werden können. Voraussetzung ist also zum einen, dass die hohen rechtlichen Hürden von § 8 Absatz 1 Polizeigesetz erfüllt sind – die bloße Kundgabe des Ausreisewillens nach Budapest genügt hierfür nicht. Zum anderen müssen im Vorfeld Reisende, Reiseziel und Reisezweck bekannt sein. 5. Wie beurteilt die Landesregierung grundsätzlich die potenziellen Gefahren eines europäischen Neonazi-Netzwerks? Die Gefahren einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit von Neonazis liegen auf mehreren Ebenen. Erstens stärkt sie die Attraktivität der rechtsextremistischen „Erlebniswelt“, weil sie den Rechtsextremisten die Teilnahme an „besonderen“ Events der Szene ermöglicht. Dazu zählen beispielsweise der Lukov-Marsch in Bulgarien, der IMIA-Gedenkmarsch in Griechenland, der „Tag der Ehre“ in Ungarn, aber auch Rechtsrockveranstaltungen. Zweitens suggeriert die internationale Zusammenarbeit den Rechtsextremisten das Gefühl, Bestandteil einer größeren Bewegung zu sein, die Bedeutung habe. Dies bestätigt und bestärkt Rechtsextremisten. Drittens gelingt es Rechtsextremisten, durch internationale Zusammenarbeit mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren. Viertens wird die internationale Zusammenarbeit genutzt, um Repressionsmaßnahmen des Staates LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6941 3 auszuweichen und Gewinne zu optimieren. Dies gilt insbesondere für die rechtsextremistische Musikszene. So wurden die rechtsextremistischen Konzerte am 15. Oktober 2016 in Wildhaus (Schweiz) mit 5.000 Teilnehmern und am 16. März 2017 in Nonsard-Lamarche (Frankreich) mit 1.500 Teilnehmern maßgeblich von deutschen Rechtsextremisten organisiert und besucht. Fünftens birgt die Zusammenarbeit insbesondere mit militanten rechtsextremistischen Gruppen im Ausland das Potenzial, eine Radikalisierung deutscher Rechtsextremisten zu befördern. Vor diesem Hintergrund werden die potenziellen Gefahren einer internationalen Zusammenarbeit sehr ernst genommen, weil sie zu einer Stärkung des Rechtsextremismus beitragen können.