LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6950 Datum des Originals: 19.07.2019/Ausgegeben: 24.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2648 vom 21. Juni 2019 der Abgeordneten Arndt Klocke, Horst Becker und Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6639 Probleme durch laute Motorräder Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In vielen Erholungsgebieten in NRW wie die Eifel, das bergische Land oder das Sauerland gibt es Probleme mit zu lauten Motorrädern. Die Anwohnerinnen und Anwohner wie Touristinnen und Touristen fühlen sich durch die lärmenden Motorengeräusche empfindlich gestört und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Deshalb hat jetzt ein Bündnis der Kommunen und Kreise in der Nationalparkregion Eifel eine bundesweite Kampagne gegen Motorradlärm gestartet. Das Bündnis fordert zum Beispiel, lärmsteuernde Auspuffklappen zu verbieten und neue EU- Verfahren für die Zulassung von Motorradtypen vorzuschreiben, um die tatsächlichen Geräuschemissionen zu berücksichtigen. Außerdem sollen Manipulationen an Motorrädern härter bestraft werden, ebenso wie zu hohe Geschwindigkeiten. Verursacht wird der Lärm vor allem durch Klappenauspuffanlagen, mit denen manche Motorrädern ausgestattet sind und die sich erst bei höheren Drehzahlen öffnen und dann entsprechend Lärm verursachen. Deshalb soll auch das Messverfahren bei den zuständigen Prüfstellen verändert werden, denn gegenwärtig werden Lärmmessungen bei etwa 50 Kilometer pro Stunde gemacht und sind damit wenig aussagekräftig, wenn Raser mit entsprechendem Tempo unterwegs sind. Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 2648 mit Schreiben vom 19. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern sowie der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6950 2 1. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher ergriffen, um die Menschen in NRW vor Motorradlärm zu schützen? Alle Kraftfahrzeuge, die zum Straßenverkehr zugelassen werden sollen, müssen im Rahmen einer Typprüfung spezifische Geräuschemissionsgrenzwerte einhalten. Diese Grenzwerte sind für den gesamten Bereich der EU verbindlich festgelegt. Der Inhaber einer EU- Typgenehmigung (Fahrzeughersteller oder Generalimporteur) bestätigt für alle neu zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuge deren Einhaltung. Veränderungen, beispielsweise durch das Entfernen oder die Manipulation von Bauteilen an Endschalldämpfern, die zu abweichenden Geräuschemissionen führen, sind unzulässig und führen in der Regel zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Die Kontrolle verdächtiger Motorräder im fließenden Verkehr, folglich auch derer, die im Zusammenhang mit Geräuschemissionen stehen, obliegt der Polizei. Die Polizei Nordrhein- Westfalen bekämpft aus Verkehrsverstößen resultierende Lärmbelästigungen mit verschiedenen Maßnahmen. Zum einen wird eine konsequente Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Motorradfahrende sowie eine sachkundige Überprüfung der verkehrswidrigen Veränderungen von technischen Einrichtungen (insbesondere an Schalldämpfern) an Motorrädern vorgenommen. Für die Polizei besteht die Möglichkeit, im Verdachtsfall Motorräder sicherzustellen und die Geräuschpegelmessung mittels Sachverständigengutachtens beweiserheblich dokumentieren zu lassen. Darüber hinaus können die örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörden bereits heute auf Grundlage des § 45 Abs. 1 Nr. 3 und 1b) Nr. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Verbindung mit § 45 Abs. 9 StVO u.a. zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs anordnen, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Ggf. weitergehende Änderungen der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften obliegen jedoch dem Bundesgesetzgeber als Verordnungsgeber der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften. Die kommunalen Straßenbaubehörden können zur Eindämmung hoher Fahrgeschwindigkeiten und damit auch zur Verringerung der Lärmemissionen durch den Motorradverkehr straßenbauliche Maßnahmen ergreifen, um Straßen für den Motorradverkehr möglichst unattraktiv zu gestalten, wie z. B. durch Fahrbahneinengungen oder Fahrbahnversätze, durch Fahrbahnaufpflasterungen, durch Rüttelstreifen vor engen Kurvenbereichen, Straßenmöblierungen (Poller, Betonelemente, Pflanzkübel etc.). Damit werden die straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm unterstützt. 2. Wie unterstützt die Landesregierung die betroffenen Kommunen in dem Bemühen, durch Motorräder verursachte Lärmemissionen zu verringern? Aufgrund des Sachzusammenhangs wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 verwiesen. 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung darüber hinaus zu ergreifen? Die Kreispolizeibehörden sind aufgefordert, sich bei der Verkehrsüberwachung auf die Bekämpfung der Ursachen von Verkehrsunfällen mit Personenschaden, insbesondere Geschwindigkeit, Alkohol/Drogen und missbräuchliche Benutzung eines elektronischen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6950 3 Gerätes während der Fahrt, zu konzentrieren. Durch die Fachstrategie Verkehr sind die Behörden neben den landesstrategischen Vorgaben gefordert, die örtliche Verkehrsunfallsituation zu analysieren und Ansätze zur Verbesserung zu erarbeiten. Nach erkannten Verkehrsverstößen werden Betroffene angehalten und einer ganzheitlichen Verkehrskontrolle unterzogen. Mit den beschriebenen polizeilichen Maßnahmen wird deshalb auch zukünftig bei Lärmemissionen ein konsequentes polizeiliches Einschreiten im Kontext der Verkehrsunfallbekämpfung sichergestellt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist der diesjährige Beschluss der Verkehrsministerkonferenz, Bußgeldregelsätze für Verkehrsverstöße mit besonderem Gefährdungspotential anzuheben. Aber auch für andere Verkehrsverstöße, insbesondere relevante Verstöße gegen § 30 Abs. 1 StVO (unnützes Hinund Herfahren, unnötige Lärm- und Abgasemissionen), könnte eine Erhöhung des Sanktionsniveaus - unter Beachtung des Gesamtgefüges der verkehrsrechtlichen Bußgeldvorschriften - zweckdienlich sein, um dem Problem mit lauten Motorrädern entgegenzuwirken. 4. Setzt sich die Landesregierung beim Bund und bei der EU für eine Veränderung der Lärmmessungen ein? 5. Setzt sich die Landesregierung beim Bund und bei der EU für ein Verbot von lärmsteuernden Auspuffklappen ein? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Geräuschverhalten von Kraftfahrzeugen ist in den Vorschriften der Europäischen Union und in internationalen Vorschriften der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) sowie im nationalen Recht, der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), geregelt. Da jedoch das nationale Recht der StVZO nur noch im Falle von Einzelabnahmen (§ 21 StVZO) und Änderungen an Fahrzeugen (§ 19 StVZO) Anwendung findet und zudem in der StVZO auf das internationale Recht verwiesen wird, sind letztlich allein die Vorschriften der EU – auch mit ihren Verweisen auf UN-Regelungen – zu beachten. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) setzt sich seit Jahren in den internationalen Gremien der EU und der UNECE dafür ein, dass Schlupflöcher in den Vorschriften geschlossen werden. Ziel ist es, die Regelungen so zu gestalten, dass die Fahrzeuge nicht nur bei der Typprüfung, sondern auch im normalen Fahrgeschehen leiser werden (Real Driving Additional Sound Emission Provisions). Das BMVI fordert dazu in den internationalen Gremien folgende Änderungen in den Typprüfvorschriften: • Pkw und Motorräder sollen künftig in allen Getriebestufen, Fahrmodi, Klappenstellungen bis zu einer Geschwindigkeit von 100 km/h die Geräuschgrenzwerte einhalten müssen - “Real Driving additional sound emission provisions (RD-ASEP)”. Diese Regelung soll auch für Austauschschalldämpfer gelten. Das reale Fahrgeschehen soll dadurch besser abgebildet werden. • Bessere Definition und Verbot von Abschalteinrichtungen, die zu höheren Geräuschwerten führen. • Die Prüfung zusätzlicher Geräuschanforderungen (RD-ASEP) für leistungsstarke Motorräder nicht durch den Hersteller selbst, sondern nur noch durch eine neutrale LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6950 4 Stelle. Eine Verabschiedung dieser Anforderung erfolgte in der Sitzung der WP.29 (UNECE) im März 2019 und tritt im Oktober 2019 in Kraft. • Einführung auch von elektronischen Anti-Manipulationsvorschriften und Verbesserung der erhöhten Anforderungen an das Geräuschverhalten besonders leistungsstarker Motorräder in der EU-Typgenehmigungsverordnung. Die Aufnahme der mechanischen Anti-Manipulationsvorschriften aus der UN-Regelung Nr. 92 erfolgte auf Vorschlag des BMVI im Herbst 2016. • Aufbau einer Datenbank für genehmigte Motorräder und Austauschschalldämpfer zur Nutzung bei Verkehrskontrollen durch die Polizei. Die Landesregierung hat sich im Rahmen der Umweltministerkonferenz und der Verkehrsministerkonferenz wiederholt für Verbesserungen des Schutzes vor Motorenlärm eingesetzt. Vor diesem Hintergrund begrüßt sie die Vorhaben des Bundes ausdrücklich. Bund und Länder haben durch eine gemeinsame Initiative auf nationaler Ebene eine Regelungslücke im EU-Recht geschlossen, die es bisher ermöglicht hat, bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge legal mit nachträglich eingebauten bzw. veränderten Klappensteuerungen oder Soundgeneratoren auszustatten, die zu einem überhöhten Lärmpegel im realen Betrieb führen können. Hierdurch ist u.a. eine Nachrüstung von Fahrzeugen mit Soundgeneratoren nicht mehr zulässig. Auf Initiative des BMVI wurde ebenfalls die UN-Regelung Nr. 92 für Austauschschalldämpfer geändert. Die UN-Regelung Nr. 92 ist ab Oktober 2019 über deren Verankerung in den EU-Vorschriften verbindlich in der EU anzuwenden. Austauschschalldämpfer für Motorräder dürfen hiernach zukünftig bei allen Klappenstellungen, Fahrmodi und Betriebszuständen (Vollast-, Teillastbeschleunigung, Konstantfahrt) im eingebauten Zustand nicht lauter sein als das Fahrzeug im Serienzustand. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung in Absprache mit den Ländern für eine weitere Absenkung der Geräuschgrenzwerte und die Fortentwicklung der Geräuschvorschriften ein. Bei der regelmäßigen Technischen Überwachung von Kraftfahrzeugen (Hauptuntersuchung) wird die Lärmemission seit einigen Jahren stärker überprüft. Hierfür wurden ein spezielles „Nahfeldmessverfahren" und die „Richtlinie für die Überprüfung des Standgeräusches von Krafträdern im Rahmen der regelmäßigen technischen Überwachung nach § 29 StVZO sowie zur Kontrolle der Geräuschemission im Verkehr befindlicher Krafträder“ entwickelt. Durch die vorgenannte Richtlinie ist die Einhaltung der Standgeräuschwerte auch abseits genormter Messstrecken mit ihren beeinflussenden Parametern (Beschaffenheit des Fahrbahnbelags, Bebauung (Lärmreflexion) und Windverhältnisse) möglich.