LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/6982 24.07.2019 Datum des Originals: 24.07.2019/Ausgegeben: 29.07.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2645 vom 17. Juni 2019 der Abgeordneten Nadja Lüders SPD Drucksache 17/6626 Unterwandern Rechtsextremisten unerkannt den Öffentlichen Dienst? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nicht erst mit dem Auftauchen eines Aufklebers der „Identitären Bewegung“ in einem Einsatzwagen der Duisburger Polizei1 muss die Frage gestellt werden, inwiefern Mitglieder von rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Organisationen bisher unbemerkt Teil des öffentlichen Dienstes sein konnten. Bereits 2014 wurde ein Dortmunder Polizist als „Reichsbürger“ identifiziert und aus dem Dienst suspendiert2, bundesweit sind seither noch mehrere dieser Fälle offenbar geworden3. Das grundsätzliche Problem der möglichen Unterwanderung durch Rechtsradikale betrifft allerdings nicht nur die Polizei, sondern alle staatlichen Institutionen. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2645 mit Schreiben vom 24. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. 1 s. z.B.: https://rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/duisburg-razzia-im-polizeipraesidium-nachhinweisen -auf-identitaere-bewegung_aid-38515571 2 https://www.spiegel.de/panorama/justiz/polizei-dortmund-suspendiert-beamten-wegen-mutmasslichrechter -gesinnung-a-1004968.html 3 https://www.welt.de/politik/deutschland/article158997853/Warum-Reichsbuerger-keine-Beamtensein -duerfen.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6982 2 1. Ist der Landesregierung bekannt, ob auch Mitglieder der Partei „Die Rechte“ im Öffentlichen Dienst beschäftigt sind? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob Mitglieder der Partei "Die Rechte" im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Es gibt keine Verpflichtung für Beschäftigte des Landes, dem Dienstherrn oder Arbeitgeber die Mitgliedschaft in einer Partei mitzuteilen und es gibt keine rechtliche Grundlage für den Dienstherrn oder Arbeitgeber, systematisch Angaben von seinen Beschäftigten zu einer Mitgliedschaft in einer Partei zu erheben. 2. Ist der Landesregierung bekannt, ob Mitglieder anderer vom Verfassungsschutz beobachteter Gruppierungen im Öffentlichen Dienst beschäftigt sind? 3. Zur Fragen 2 und 3; falls ja: welche behördlichen Ebenen (z.B. Ministerium, Schuldienst, Polizeidienst etc.) sind in welcher Zahl betroffen? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet Da die Mitgliedschaft in vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen von im öffentlichen Dienst beschäftigten Personen nicht systematisch erhoben wird (siehe Antwort zu Frage 1), erhält der Dienstherr in der Regel nur dann davon Kenntnis, wenn aufgrund der Mitgliedschaft ein Disziplinarverfahren gegen die Beamtin/den Beamten eingeleitet und im Rahmen der bestehenden Berichtspflicht durch die gem. § 17 Landesdisziplinargesetz (LDG NRW) zuständige Stelle berichtet wird. Aktuell sind vier Disziplinarverfahren gegen Polizeibeamte im Zusammenhang mit Aktivitäten der „Reichsbürgerbewegung“ bekannt. Alle Beamte sind für die Dauer des Disziplinarverfahrens vom Dienst suspendiert bzw. bereits im Ruhestand. Seit 2016 sind im Geschäftsbereich des Ministeriums für Schule und Bildung drei Fälle bekannt geworden, in denen der Verdacht bestand, dass beim Land Nordrhein-Westfalen beschäftigte Lehrkräfte Mitglieder in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung waren. Die erforderlichen disziplinar- bzw. arbeitsrechtlichen Schritte wurden eingeleitet. Auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 30 der Abgeordneten Verena Schäffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird hingewiesen (LT-Drs. 17/265). Darüber hinaus werden im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern zwei Fälle wegen des Verdachts von Kontakten zu rechtsextremistischen Personen oder Organisationen rechtlich geprüft. 4. Wie geht die Landesregierung mit den ihr bekannten Fällen um? Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Für Beschäftigte ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder die Pflicht, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen. Diese Verpflichtung ist umfassend und betrifft dienstliches wie außerdienstliches Verhalten gleichermaßen. Sie gilt unabhängig von einer Parteizugehörigkeit. Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft in einer Partei sowie eine parteipolitische Betätigung außerhalb des Dienstes erlaubt, solange es sich nicht um eine durch das Bundesverfassungsgericht verbotene Partei handelt und die beamtenrechtlichen Grenzen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/6982 3 beachtet werden. Die Beamtin / der Beamte muss sich jedoch von einer Organisation oder einer Partei, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbare Ziele verfolgt, distanzieren. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens kommt erst in Betracht, wenn aufgrund der politischen Betätigung der Beamtin oder des Beamten, also konkreter Handlungen/Aktivitäten, zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens, d. h. einer schuldhaften Verletzung der Treuepflicht, rechtfertigen. Gemäß § 5 Abs. 1 LDG NRW kommen als Disziplinarmaßnahmen gegen aktive Beamtinnen und Beamte Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und schließlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. In einem Disziplinarverfahren gegen eine Beamtin oder einen Beamten bei Verdacht auf Verstoß gegen die Pflicht zum Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung kann je nach Lage des Einzelfalles auch zu prüfen sein und unter Umständen gerichtlich festgestellt werden, ob eine Organisation, die keine verbotene politische Partei ist, mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbare Ziele verfolgt. Dies bedarf einer eingehenden Überprüfung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles. Dafür reicht nicht die Bewertung der Organisation durch den Verfassungsschutz im Rahmen seines Verfassungsschutzberichtes aus. 5. Wie können zukünftig bei der Einstellung bzw. Rekrutierung ähnliche Fälle vermieden werden? Als Beamtin oder Beamter darf nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG). Bei der Einstellung in den nordrhein-westfälischen Landesdienst unterzeichnen die Bewerberinnen und Bewerber daher grundsätzlich eine Erklärung über den Inhalt ihrer Beamtenpflichten mit einem eindeutigen Hinweis auf die freiheitliche demokratische Grundordnung. Bei Zweifeln an der Verfassungstreue kann eine Anfrage beim Verfassungsschutz gestellt werden. Seit 2018 unterliegen Polizeibewerberinnen und -bewerber in Nordrhein-Westfalen einer Regelabfrage beim Verfassungsschutz (§ 18 Abs. 3 Datenschutzgesetz NRW). Darüber hinaus werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zugang zu geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten erhalten oder in besonders sicherheitsempfindlichen Bereichen arbeiten sollen, einer sogenannten Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz NRW (SÜG NRW) unterzogen. Diese findet zunächst bei der Einstellung und dann in regelmäßigen Abständen wieder statt. Betroffen sind hiervon etwa die Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbehörde.