LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7019 29.07.2019 Datum des Originals: 29.07.2019/Ausgegeben: 01.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2691 vom 28. Juni 2019 des Abgeordneten Christian Loose AfD Drucksache 17/6717 „Biogasanlagen – Tickende Gülle-, Mais- und Abfallbomben?" Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 27.05.2019 schreibt SPIEGEL-ONLINE von einem bisher unveröffentlichten Papier des Bundesumweltamtes, in dem dieses vor Gefahren für Menschen, Pflanzen und Tiere durch den Betrieb von Biogasanlagen warnt.1 Die Anlagen dienen der Gewinnung und Nutzung von Energie in der Form, dass das dort erzeugte Biogas hauptsächlich direkt an der Biogasanlage zur dezentralen gekoppelten Stromund Wärmeerzeugung in Blockheizkraftwerken genutzt wird, einer von der Landesregierung als Pfeiler der sog. Energiewende betrachteten Energiegewinnung und -verwendung. Die Biogasanlagen stehen unter verschiedenen Aspekten in der Kritik. Zum einen, weil durch die benötigten großen Flächen zum Anbau des im Wesentlichen zur Gaserzeugung verwendeten Maises sog. Maismonokulturen überhandnehmen: Die Landschaft verödet und der Boden wird ausgelaugt. Zum anderen verteuern die so genutzten Flächen das Angebot an übrigem Ackerland, Gärreste belasten bei Ausbringung auf Äckern die Böden mit Nitrat und auch die langen Transportwege des Maises konterkarieren die Bezeichnung „Bio“. Hinzu kommen zunehmend wirtschaftliche Probleme der Anlagenbetreiber, die einem Traum von „Bio“-Energieerzeugung einen Strich durch die Rechnung machen. Ohne dauerhafte Subvention aus Steuermitteln sind die Anlagen nicht wirtschaftlich zu betreiben.2 Mangelnde Rentabilität könnte einer der verhängnisvollen Treiber vermehrter Störfälle sein, denn Anlagen, die 1 Vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/umweltbundesamt-warnt-vor-gefahren-durch-biogasanlagen -a-1269091.html. Abgerufen am 18.06.2019. 2 Vgl. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiewende-zu-teuer-und-politisch-ungewollt -die-biogas-branche-kaempft-ums-ueberleben/23658942.html?ticket=ST-683028-rk4agkto 9raTrYy73Orx-ap4. Abgerufen am 18.06.2019. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7019 2 sich nicht mehr rechnen, werden nicht immer ordentlich instand gehalten, das Unfallrisiko steigt. Zwischenzeitlich hat das Bundesumweltamt selbst verlautbart: „Biogasanlagen müssen sicherer und emissionsärmer werden“, und spricht unter anderem an, dass Biogasanlagen auch erhebliche klimarelevante Methangasemissionen produzieren. In der Gesamtbetrachtung verursachen sie sogar mehr Emissionen an klimaschädlichen Gasen als sie einsparen. Eine umfassende Verminderung von Emissionen und Betriebsstörungen bei Biogasanlagen ist aus Sicht des Umweltbundesamtes nur durch eine rechtsverbindliche Biogasanlagen-Verordnung zu erreichen.3 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2691 mit Schreiben vom 29. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Der Betrieb von Biogaslanlagen ist nicht immer unproblematisch. Deshalb hat die damalige Landesregierung bereits im Jahr 2009 einen „Anforderungskatalog Biogasanlagen“ herausgegeben , in dem als zentrale wasserwirtschaftliche Maßnahmen eine wiederkehrende Prüfung durch Sachverständige und eine Umwallung vorgegeben werden. Auch bestehende Anlagen sind in der Folge vielfach mit einer Umwallung nachgerüstet worden. Das hat dazu geführt, dass in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren nur wenige Schadensfälle aufgetreten sind, die zu einer Beeinträchtigung von Oberflächengewässern geführt haben. 1. Wie viele Unfälle in Biogasanlagen haben seit 2011 jährlich in NRW zu Tötungen oder schweren Verletzungen von Menschen geführt? Bei Biogasanlagen sind, wie in anderen Lebensbereichen auch, Unfälle z.B. bei der Durchführung von Arbeiten leider nicht auszuschließen. Für den Zeitraum seit 2011 ist der Landesregierung ein Unfall bekannt, der als für eine Biogasanlage spezifisch angesehen werden kann: Im Kontext mit dem Betrieb einer Biogasanlage wurde im Jahr 2018 ein LKW-Fahrer bei der Anlieferung von Mais vor dem Fahrsilo verschüttet und ist erstickt. 2. Wie viele Unfälle in Biogasanlagen haben seit 2011 jährlich in NRW zu sogenannten „Gülle-Tsunamis“ geführt? Unter dem Begriff „Gülle-Tsunami“ versteht das Umweltbundesamt in seinem Hintergrundpapier „Biogasanlagen - Sicherheitstechnische Aspekte und Umweltausswirkungen“ Unfälle, bei denen Substrat, Gülle oder Gärreste in zum Teil großen Mengen (bis zu 14.000 m³) freigesetzt werden und die Gebäude fluten, Fischsterben in Gewässern auslösen und Schutzgebiete erheblich schädigen können. 3 Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/biogasanlagen-muessen-sicherer-emissionsaermer. Abgerufen am 18.06.2019. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7019 3 In Nordrhein-Westfalen kam es gemäß der Definition des Umweltbundesamtes seit 2011 zu vier Unfällen mit entsprechenden Umweltauswirkungen. 3. Welchen Umfang – in Litern an Jauche, Gülle, Silagesickersäften oder Gärsubstraten – hatten seit 2011 entsprechende Leckagen? Unfall 1 (2012) : ca. 250 - 300 m³ Gärsubstrat Unfall 2 (2012) : ca. 35 - 40 m3 Gärsubstrat Unfall 3 (2015) : ca. 200 - 300 m3 Gärrest Unfall 4 (2016) : ca. 30 m³ Silagesickersaft 4. Welche Initiative hat die Landesregierung seit Juni 2017 ergriffen, um die Sicherheit von Biogasanlagen in NRW zu verbessern? Für den Klimaschutz ist es von herausragender Bedeutung, dass die Biogasanlagen nach dem Stand der Technik betrieben und alle notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung von Gasemissionen getroffen werden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein -Westfalen hat daher im Auftrag der Landesregierung das Arbeitsblatt „Verminderung von Methanaustritten bei Biogasanlagen“ erarbeitet, das den Vollzugsbehörden in Nordrhein- Westfalen seit 2018 zur Verfügung steht. Die Minderung der Methanemissionen erhöht auch die Explosionssicherheit von Biogasanlagen. Auf Initiative der Kommission für Anlagensicherheit (KAS) wurde die Technische Regel für Anlagensicherheit „Sicherheitstechnische Anforderungen an Biogasanlagen“ (TRAS 120) unter Mitwirkung von Vertreterinnen und Vertretern der Landesverwaltung erarbeitet, zwischenzeitlich verabschiedet und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Bundesanzeiger veröffentlicht. 5. Inwieweit können Biogasanlagen, die in offenbar relevantem Umfang das Treibhausgas Methan frei setzen, Lösung des Problems sein, das die Landesregierung in der Freisetzung von Treibhausgasen erkennt? Biogasanlagen leisten durch ihre Energieerzeugung grundsätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, weil durch die Substitution konventionell erzeugter Energie die Freisetzung erheblicher Mengen an Kohlendioxid vermieden wird. Eine Biogasanlage kann bis zu einer Freisetzung von ca. 5 - 8 % der durch sie erzeugten Methanmenge als insgesamt klimapositiv angesehen werden, d. h. sie trägt stärker zur Vermeidung von Treibhausgasen bei als sie selbst Treibhausgase freisetzt. Daher ist insbesondere bei der Vergärung von Gülle und Wirtschaftsdünger, durch die Vermeidung der auf natürlichem Wege ohnehin entstehenden Methanemissionen dieser Stoffe, von einer positiven Klimabilanz auszugehen. Bei Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Regelungen und Beachtung der Technischen Regelwerke sind bei Biogasanlagen nur geringfügige Methanemissionen zu erwarten. Eine absolute Null-Emission ist auf Grund des technisch bedingten unvermeidlichen Methanschlupfs am Gasmotor derzeit nicht erreichbar. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7019 4 Nach vorliegenden Erkenntnissen liegt bei den meisten Biogasanlagen der Anteil der freigesetzten Methanmenge bei unter 5 % der erzeugten Methanmenge, was die Klimabilanz hinsichtlich eingesparter Kohlendioxidemissionen deutlich positiv ausfallen lässt.