LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7025 30.07.2019 Datum des Originals: 30.07.2019/Ausgegeben: 02.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2713 vom 5. Juli 2019 des Abgeordneten Josef Neumann SPD Drucksache 17/6825 Allgemeinverbindlichkeit des neuen Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in NRW – Was tut die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bekanntermaßen haben sich die Gewerkschaft NGG Landesbezirk NRW und der DEHOGA Nordrhein-Westfalen e.V. Ende des Jahrs 2018 auf einen gemeinsamen Tarifabschluss einigen können. Seit seiner Entstehung stellt dieser Entgelttarifvertrag ein Mindestentgeltsystem für die Branche sicher, das sowohl den berechtigten Interessen der Beschäftigten Rechnung trägt und gleichzeitig auch den Unternehmen und Betrieben zugutekommt. Die NGG und der DEHOGA leisten als Tarifvertragsparteien einen gemeinsamen, wichtigen Beitrag, weil der Flächentarif in NRW einheitliche Standards setzt, die Betriebe in puncto Lohnkosten nicht gegeneinander in Wettbewerb treten, die Betriebe große Planungssicherheit haben und die Beschäftigten von tariflich abgesicherten Löhnen profitieren. Leider konnten sich beide Vertragsparteien bis heute nicht darauf einigen, einen gemeinschaftlichen Antrag zur Feststellung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages beim zuständigen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu stellen. Während die NGG die Allgemeinverbindlichkeit uneingeschränkt unterstützt, lehnt der DEHOGA eine gemeinsame Erklärung ohne nähere Kenntnis über die Gründe hierfür ab. Die bisherigen Erfolge im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes in NRW würden bei einem Nichtzustandekommen der Allgemeinverbindlichkeit grundsätzlich in Frage gestellt. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2713 mit Schreiben vom 30. Juli 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7025 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Fragen 2 und 3 werden auf der Basis von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit beantwortet. Datenstand ist der Monat Juni 2019 mit dem Berichtsstichtag 31.12.2018. Die Antworten enthalten ausschließlich die Beschäftigtenzahlen zu den im Land Nordrhein- Westfalen ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen. Eine Abfrage von Zahlen zu Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen, die von den durch den Bund ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen profitieren, war in der für die Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 1. Wie viele Anträge auf Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen liegen aktuell in NRW vor beziehungsweise sind bereits für allgemeinverbindlich erklärt worden? Aktuell liegen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein- Westfalen keine Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) eines Tarifvertrages vor. In diesem Jahr wurden bereits zwei Allgemeinverbindlicherklärungen ausgesprochen: Der Tarifvertrag für Auszubildende für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein- Westfalen vom 12. Oktober 2018 wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2019 und der Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 24 Oktober 2018 wurde mit Wirkung vom 1. April 2019 für allgemeinverbindlich erklärt. Seit dem Jahr 2000 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 82 Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gestellt. 63 Allgemeinverbindlicherklärungen wurden auf dieser Grundlage ausgesprochen, 10 Anträge wurden abgelehnt. Insgesamt 9 Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung wurden von den Tarifvertragsparteien im Verfahren zurückgenommen. 2. Wie viele Beschäftigte und Unternehmen in NRW profitieren von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen? Von den für das Land Nordrhein-Westfalen ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen profitieren insgesamt 462.217 Beschäftigte. In dieser Zahl sind 16.789 Auszubildende enthalten. Die Zahl der Betriebe, die von den Allgemeinverbindlicherklärungen profitieren, beläuft sich auf 52.919. 3. Wie sieht die Lage differenziert nach Wirtschaftsbranchen aus? Differenziert nach Wirtschaftsbranchen stellt sich die Lage bezogen auf die in Nordrhein- Westfalen ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen wie folgt dar: 1. Friseurhandwerk Im Bereich des Friseurhandwerks wurden neben den Vergütungstarifverträgen auch die Manteltarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Von diesen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen profitieren insgesamt 43.190 Beschäftigte in 11.094 Betrieben. In der Beschäftigtenzahl sind die insgesamt 4.421 Auszubildende und 31.126 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte enthalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7025 3 2. Gaststätten- und Hotelgewerbe Im Jahr 2016 wurde der Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen für allgemeinverbindlich erklärt. Hiervon profitieren 318.630 Beschäftigte (einschließlich der Auszubildenden) in 39.014 Betrieben. Vom allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für Auszubildende im Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen profitieren ausschließlich die insgesamt 9.245 Auszubildenden, die in 2.808 Betrieben beschäftigt sind. 3. Wach- und Sicherheitsdienste Insgesamt 42.116 Beschäftigte in 1.134 Betrieben profitieren von de Allgemeinverbindlicherklärung des Lohntarifvertrages sowie des Manteltarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen. Hierunter sind insgesamt 33.085 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. 4. Bäckerhandwerk: Im Jahr 2018 wurde der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in NRW für allgemeinverbindlich erklärt. Hiervon profitieren in den 1.677 Betrieben insgesamt 58.281 Beschäftigte. In dieser Zahl sind 41.578 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 3.123 Auszubildende enthalten. 4. Wie bewertet die Landesregierung die o.g. Darstellung, wonach der DEHOGA sich einer gemeinsamen Beantragung der Allgemeinverbindlichkeit des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in NRW verschließt? Die Möglichkeit der Tarifvertragsparteien, einen gemeinsamen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages zu stellen ist Ausfluss der grundrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz geschützten Tarifautonomie. Ob die Tarifvertragsparteien einen Antrag stellen entscheiden sie jedoch unbeeinflusst und selbstständig. Nach Auskunft des DEHOGA konnte für einen AVE Antrag für den Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Nordrhein-Westfalen in den abgelaufenen Tarifverhandlungen keine Mehrheit in der Tarifkommission gefunden werden. Für den ebenfalls abgeschlossenen Tarifvertrag für die Auszubildenden im Hotel-und Gaststättengewerbe wurde ein Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit gestellt. Entscheidungen für oder gegen eine AVE seien immer Einzelentscheidungen, die die Große Tarifkommission zum jeweiligen Abschluss am Ende der Verhandlungen trifft. 5. Welche eigenen Handlungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung, um in Interesse aller Beteiligten für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes in NRW zu einer Lösung zu kommen? 6. Es hat sich bewährt, dass die Tarifpartner in Deutschland autonom verhandeln und um Lösungen zum Wohle von Unternehmen und Belegschaften ringen. Unternehmen und ihre Belegschaften, Gewerkschaften und Unternehmerverbände verstehen sich nicht als Gegner, sondern als Partner. Sozialpartnerschaft, Tarifautonomie und Tarifbindung sind untrennbar mit der Sozialen Marktwirtschaft verbunden, die eine der innovativsten Wirtschaftsformen der Welt ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7025 4 Dennoch sinkt die Tarifbindung seit Jahren und es ist zu befürchten, dass die Tarifautonomie eine Funktionsschwäche entwickelt. Der Bundesrat hat deshalb auf Antrag Nordrhein- Westfalens die Bundesregierung am 7.Juni aufgefordert, in einem ersten Schritt – unter Einbeziehung der Tarifregister des Bundes und der Länder und der Expertise der jeweiligen Vorsitzenden der Tarifausschüsse aus den obersten Arbeitsbehörden – eine Strategie zur Stärkung der tariflichen Ordnung zu erarbeiten. Diese soll den Prinzipien der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie gerecht werden und in einem zweiten Schritt unter Einbeziehung der Sozialpartner mit dem Ziel bewertet werden, dem Gesetzgeber Vorschläge zur Veränderung der Rahmenbedingungen vorzulegen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Regelungen zum Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen überprüft und berücksichtigt werden. Die geltenden Regelungen zur Allgemeinverbindlicherklärung sehen in § 5 des Tarifvertragsgesetzes zwingend vor, dass die Tarifvertragsparteien einen gemeinsamen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung stellen müssen. Ein Initiativrecht, aufgrund dessen der zuständige Arbeitsminister eine Allgemeinverbindlichkeit ohne Antragsstellung aussprechen könnte, gibt es nicht. Erforderlich ist deshalb, dass sich die Tarifvertragsparteien selbst dazu entschließen, einen Antrag zu stellen. Die Landesregierung kann hierauf keinen Einfluss nehmen.