LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7026 30.07.2019 Datum des Originals: 30.07.2019/Ausgegeben: 02.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2707 vom 28. Juni 2019 des Abgeordneten Sven W. Tritschler AfD Drucksache 17/6813 Fordert die Landesregierung den Ausschluss von Ungarn und Polen aus der EU? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales wird in der Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 28. Juni 2019 anlässlich der Übergabe des Vorsitzes in der Europaministerkonferenz folgendermaßen zitiert: „NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner hat deutliche Worte an Polen und Ungarn gerichtet: Länder, die Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit nicht akzeptieren, können nicht dauerhaft in der EU bleiben(…).“ Da der Minister Miteigentümer der Zeitung ist, dürften am Wahrheitsgehalt der Berichterstattung keine Zweifel bestehen. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales hat die Kleine Anfrage 2707 mit Schreiben vom 30. Juli 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Betrifft dies neben Ungarn und Polen noch weitere EU-Mitgliedstaaten? Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit gehören zu den Werten des Art. 2 EUV, sie sind für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7026 2 2. Welche Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit wirft der Minister Polen und Ungarn bzw. weiteren EU-Mitgliedstaaten im Einzelnen vor? Die Europäische Kommission hat am 20. Dezember 2017 dem Rat einen Vorschlag zur Annahme eines Beschlusses nach Art. 7 EUV unterbreitet. Sie begründet dies mit 13 Gesetzen, die sich auf die gesamte Struktur des polnischen Justizsystems auswirken. Damit seien Exekutive und Legislative systematisch befähigt worden, politischen Einfluss auf die Zusammensetzung, Befugnisse, Verwaltung und Arbeitsweise der Judikative auszuüben. Der EuGH hat am 24. Juni 2019 zur Unabhängigkeit der Richter des polnischen Obersten Gerichts geurteilt und entschieden, dass die Senkung des Wahlalters auf 65 Jahre und die dem Präsidenten Polens eingeräumte und nicht weiter überprüfbare Befugnis zur Verlängerung der Amtszeit nach freiem Ermessen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter beeinträchtigt, der untrennbar mit ihrer Unabhängigkeit verknüpft ist. Das Europäische Parlament hat am 12. September 2018 ein Verfahren nach Art. 7 EUV gegen Ungarn eingeleitet. Die Bedenken des Parlaments betreffen unter anderem die Funktionsweise des Verfassungs- und Wahlsystems, die Unabhängigkeit der Justiz, die Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Korruption und Interessenkonflikte. 3. Welchen Zeitrahmen stellt sich der Minister vor, wenn er von „nicht dauerhaft“ spricht? 4. Vertritt der Minister hier eine Einzelmeinung oder spricht er für die gesamte Landesregierung? 5. Wie lassen sich diese – offenbar sehr hohen – Ansprüche an Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit mit dem immer noch laufenden Aufnahmeverfahren mit der Türkei in Einklang bringen? Die Fragen 3 – 5 werden gemeinsam beantwortet: Gemäß Art. 49 EUV kann „jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt“ beantragen, Mitglied der Union zu werden. Dies zeigt, dass sich eine Missachtung der Werte des Art. 2 EUV und eine Unionsmitgliedschaft nicht miteinander vereinbaren lassen. Die genannte Aussage erinnert somit an eine Selbstverständlichkeit. Sie enthält nicht die Forderung, nun bestimmte Länder aus der EU auszuschließen, sondern fordert die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit zu akzeptieren. Wenn ein EU-Mitgliedstaatlichkeit die Rechtsstaatlichkeit schwerwiegend und anhaltend verletzt, muss dies sanktioniert werden. Zu diesem Zweck sieht Artikel 7 EUV ein abgestuftes Verfahren vor, das bei Gefährdung der in Artikel 2 EUV genannten Werte zunächst versucht, im Dialog mit dem betreffenden Mitgliedstaat eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu erreichen und das bis zum Entzug bestimmter Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Mitgliedstaates führen kann. Auf Initiative Nordrhein-Westfalens hat der Bundesrat am 28. Juni 2019 einen entsprechenden Beschluss gefasst, der die Erforderlichkeit eines solchen Mechanismus in einer Rechtsgemeinschaft betont. Dies ist die Auffassung der gesamten Landesregierung.