LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7058 02.08.2019 Datum des Originals: 02.08.2019/Ausgegeben: 07.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2728 vom 11. Juli 2019 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/6862 Inobhutnahmen durch Jugendämter in Nordrhein-Westfalen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zwischen Kindern und ihren Eltern besteht normalerweise ein enges Band der Liebe und des Vertrauens, das auch von zentraler Wichtigkeit ist für die gelingende Erziehung des Kindes zu einer selbstbewussten wie auch sozial agierenden Person. Dass es in den Familien und in den Eltern-Kind-Beziehungen immer mehr Missstände gibt, darauf deutet unter anderem die Zahl der steigenden Sorgerechtsentziehungen hin – allein von 2017 auf 2018 um 5,6%.1 Demgegenüber stehen jedoch auch immer wieder Fälle eines möglicherweise vorschnellen Eingreifens in das elterliche Erziehungsrecht mit dann traumatischen Auswirkungen auf Kinder und Eltern.2 Der Minister für Kinder; Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 2728 mit Schreiben vom 2. August 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie viele Kinder und Jugendliche befanden sich in den vergangenen zehn Jahren in Obhut des Jugendamtes? (Bitte für jedes Jahr einzeln und für Kinder und Jugendliche getrennt die Zahlen ausweisen.) Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst nicht die Zahl der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen, sondern die Zahl der Inobhutnahmen als vorläufige Schutzmaßnahmen der Jugendämter als Jahressumme. Die entsprechenden Fallzahlen sind Tabelle 1 zu entnehmen. Aktuell liegen Zahlen zu den Schutzmaßnahmen bis zum Jahr 2017 vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7058 2 Tabelle 1: Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII nach Altersgruppen (NRW; 2008-2017; Angaben absolut) Jahr Gesamtzahl der Inobhutnahmen Inobhutnahmen von Kindern (0 bis unter 14 J.) Inobhutnahmen von Jugendlichen (14 bis unter 18 J.) 2008 9347 3318 6029 2009 9932 3472 6460 2010 10438 3763 6675 2011 10617 3790 6827 2012 11475 4514 6961 2013 12259 4911 7348 2014 13198 4948 8250 2015 16649 4797 11852 2016 22193 5743 16450 2017 13484 5155 8329 Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen; verschiedene Jahrgänge; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik 2. Wie viele der in den vergangenen zehn Jahren in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen fallen jeweils in die Kategorie Selbstmelder und Fremdmelder? (Bitte für jedes Jahr einzeln und für Kinder und Jugendliche getrennt die Zahlen ausweisen.) Tabelle 2: Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII nach Anregendem der Maßnahme und Altersgruppen (NRW; 2008-2017; Angaben absolut) Jahr Angeregt durch das Kind, die/den Jugendliche/-n selbst Angeregt durch andere1 Kinder (0 bis unter 14 J.) Jugendliche (14 bis unter 18 J.) Kinder (0 bis unter 14 J.) Jugendliche (14 bis unter 18 J.) 2008 317 1985 3001 4044 2009 304 2090 3168 4370 2010 422 2238 3341 4437 2011 459 2242 3331 4585 2012 360 2175 4154 4786 2013 455 2407 4456 4941 2014 422 2773 4526 5477 2015 337 3279 4460 8573 2016 421 4325 5322 12125 2017 323 1545 4832 6784 1) Eltern/Elternteil, soziale Dienste/Jugendamt, Polizei/Ordnungsbehörde, Lehrer/-in, Erzieher/-in, Ärztin/Arzt, Nachbarn/Verwandte, Sonstige Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen; verschiedene Jahrgänge; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7058 3 3. Wie verteilen sich aktuell die Fallzahlen der Inobhutnahmen auf Ursachen wie Anzeichen für Misshandlungen oder für sexuellen Missbrauch, drohende Gewalt, Vernachlässigung, Überforderung der Eltern, schwerwiegende Beziehungsprobleme, Integrationsprobleme in der Pflegefamilie oder im Heim, Kriminalität, Suchtprobleme, Probleme in der Schule und Sonstiges? (Bitte nach Jahren und Ursachen getrennt ausweisen.) Der Anlass „drohende Gewalt“ wird in der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik nicht erfasst und deshalb in Tabelle 3 nicht ausgewiesen. Tabelle 3: Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII nach Anlass der Maßnahme (NRW; 2008-2017; Angaben absolut; Mehrfachnennungen1) Jahr 2017 2016 2015 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 Gesamt 13484 22193 16649 13198 12259 11475 10617 10438 9932 9347 Anzeichen für Misshandlung 1326 1298 1132 1130 1075 994 993 937 871 769 Anzeichen für sexuellen Missbrauch 199 149 141 151 177 167 200 178 147 157 Vernachlässigung 1307 1248 1111 1174 1107 1265 1121 1173 913 926 Überforderung der Eltern/ eines Elternteils 4171 4362 4581 5209 4875 5084 4560 4706 4289 4153 Beziehungsprobleme 1304 1347 1953 2175 2191 1998 1838 1989 1945 2087 Integrationsprobleme in Pflegefamilie/ Heim 683 956 1038 1094 1089 853 750 633 703 774 Delinquenz des Kindes/Straftat des/der Jugendlichen 1099 1153 995 1171 1186 1007 789 669 696 685 Suchtprobleme des Kindes/ der/des Jugendlichen 391 360 344 403 354 294 275 281 254 234 Schul- /Ausbildungsprobleme 357 336 341 371 365 403 389 428 413 332 Sonstiges2 10392 17143 12338 7193 6323 5424 4109 4036 3908 3401 1) Pro Inobhutnahme können bis zu zwei Anlässe ausgewählt werden. 2) Unbegleitete Einreise aus dem Ausland, Trennung und Scheidung der Eltern, Wohnungsprobleme, sonstige Probleme Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen; verschiedene Jahrgänge; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7058 4 4. Wie viele der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen sind aktuell jeweils in einer Jugendschutzstelle, im Heim, in einer Bereitschaftspflegefamilie oder in einer anderen betreuten Wohnform untergebracht? Die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik differenziert die Unterbringungsform bei der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII nach den Kategorien „bei einer geeigneten Person“, „in einer Einrichtung“ und „in einer sonstigen betreuten Wohnform“. Die aktuellsten Angaben dazu sind Tabelle 4 zu entnehmen. Tabelle 4: Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII nach Unterbringung während der Maßnahme und Altersgruppen (NRW; 2017; Angaben absolut) Unterbringung während der Maßnahme bei einer geeigneten Person in einer Einrichtung in einer sonstigen betreuten Wohnform Kinder (0 bis unter 14 J.) 1552 3088 515 Jugendliche (14 bis unter 18 J.) 656 7036 637 Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen; 2017; Zusammenstellung Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich fehlerhafter Inobhutnahmen vor? (wenn möglich, bitte quantifizieren Sie diese Erkenntnisse.) Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich fehlerhafter (im Sinne von rechtswidriger) Inobhutnahmen vor. Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden keine Daten erhoben, ob Inobhutnahmen rechtswidrig erfolgt sind.