LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7157 15.08.2019 Datum des Originals: 15.08.2019/Ausgegeben: 20.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2756 vom 12. Juli 2019 der Abgeordneten Karl Schultheis und Michael Hübner SPD Drucksache 17/6900 Eingriff auf den Strommarkt zur Reduktion von CO2? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Um einen Klimawandel mit unüberschaubaren Folgen für Mensch und Umwelt zu verhindern und die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, muss der weltweite CO2- Ausstoß drastisch reduziert werden. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den CO2- Ausstoß in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent und bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren. Der Kohlekraftwerkspark in Deutschland ist einer der größten CO2-Verursacher. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist zum Schutz des Klimas deshalb zwingend notwendig. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, müssen kurzfristig substanzielle CO2- Einsparungen umgesetzt werden. Zugleich muss ein hohes Niveau an Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben. Ein nachhaltiges Energiesystem benötigt aber neben einem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien auch eine Anpassung des Stromnetzes. Da es notwendig ist, noch vor einem ausreichenden Netzausbau auf der Erzeugerseite schnell und umfassend CO2 einzusparen, bedarf es einer „Klammer“ zwischen den beiden Zielen der CO2-Reduktion und der Versorgungssicherheit. Eine solche Klammer könnte ein klimaoptimierter Systembetrieb von Kohlekraftwerken sein. Das bedeutet, dass die Kohlekraftwerke nicht mehr rein marktgeführt betrieben werden, sondern nur für einen stromsystemseitig zwingend notwendigen Ausgleich, beispielsweise bei einer Dunkelflaute oder einer Hitzewelle, genutzt werden. Denn entgegen der prominenten Diskussion muss das Ziel nicht ein möglichst früher Ausstieg aus der Kohleverstromung, sondern eine möglichst rasche Reduktion des CO2-Austoßes sein. Ein ausschließlicher Betrieb der Kohlekraftwerke zum Ausgleich von fehlendem Strom aus erneuerbaren Energien könnte eine schnelle und deutliche CO2-Emissionsminderung bei gleichzeitigem Erhalt des hohen Niveaus an Versorgungssicherheit ermöglichen. Dies schafft den nötigen Übergangszeitraum, um einen ausreichenden Netzausbau umzusetzen und die Kohleverstromung geordnet zu beenden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7157 2 Die vorgenannte Maßnahme des klima- und systemoptimierten Kraftwerksbetriebs stellt einen Markteingriff dar, ebenso wie die auf klimapolitischen Druck angestrebten Stilllegungszeitpunkte konkreter Kraftwerksblöcke. Nur der erstgenannte Ansatz ermöglicht es, in kritischen Situationen ausreichend gesicherte Leistung bereit zu stellen. Technisch ist dieses Konzept unmittelbar möglich, indem die Kraftwerke dem Systemführer (Übertragungsnetzbetreiber) unterstellt werden. Das Energiesystem würde dann mit der Zielvorgabe maximale CO2Vermeidung gesteuert – ökologisch, klimaschonend und nicht rein betriebswirtschaftlich bzw. marktbasiert. Die finanzielle Ausgestaltung ist eine politische und regulatorische Aufgabenstellung, da die Regeln für den Strommarkt geändert werden müssten. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2756 mit Schreiben vom 15. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wurde diese Überlegung von der Landesregierung im Rahmen der WSB- Kommission in die Diskussion eingebracht? 2. Ist die Landesregierung bereit, diese Möglichkeit fachlich zu prüfen bzw. prüfen zu lassen? 3. In welchem Ausmaß ließen sich CO2-Emissionen einsparen, sollten die nordrheinwestfälischen Kohlekraftwerke auf den beschriebenen klima- und systemoptimierten Betrieb umgestellt werden? 4. Welchen Einfluss hätte ein solcher Betrieb auf den Strompreis? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Der Vorschlag der Fragesteller, den Kohlekraftwerkspark in Deutschland im Rahmen eines „klima- und systemoptimierten Kraftwerksbetriebs“ aus dem Markt zu nehmen und den Betrieb mit dem Ziel eines geringeren CO2-Ausstoßes den Übertragungsnetzbetreibern zu unterstellen, ist nach Ansicht der Landesregierung nicht vereinbar mit den im Jahr 2009 durch die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG eingeführten Regelungen zur eigentumsrechtlichen Entflechtung (sog. Unbundling), die die Unabhängigkeit der Netzbetreiber von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sicherstellen soll. Die Regelungen wurden mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in nationales Recht umgesetzt und sind am 4. August 2011 in Kraft getreten. Aufgrund dieser Unvereinbarkeit mit europäischem Recht wurde der Vorschlag von Seiten der Landesregierung nicht in die Diskussion im Rahmen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ eingebracht. Eine gesonderte Prüfung dieses Vorschlags ist daher, ebenso wie Berechnungen über etwaige Auswirkungen auf die CO2-Emissionen oder den Strompreis, nicht geplant.