LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7170 19.08.2019 Datum des Originals: 19.08.2019/Ausgegeben: 22.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2778 vom 23. Juli 2019 der Abgeordneten Johannes Remmel und Arndt Klocke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6965 Frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung 46sieben Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit dem vergangenen Jahr führt Straßen.NRW eine informelle sogenannte frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung für das stark umstrittene Projekt 46sieben (Bau der A46 sowie einer Bundesstraße B7n von Hemer durch Menden bis nach Wickede/Arnsberg/A445) durch. Unterstützt wird Straßen.NRW dabei durch das Moderationsunternehmen IFOK, das den Prozess des Verfahrens organisiert und moderiert. In den bisherigen Dialogforen des Beteiligungsverfahrens ist klargestellt worden, dass es dabei nicht mehr um grundsätzliche Alternativen zu den Planungen der A46/B7n geht. Die Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG über die Strategische Umweltprüfung (SUP), die im Wesentlichen mit den §§ 14 ff. UVPG in deutsches Recht umgesetzt wurde, verlangt allerdings, dass im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung und der Planungsausführung durch die Länderverwaltungen eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durchzuführen ist, mit dem Ziel, Alternativen zu einem Zeitpunkt zu prüfen, an dem die Planung noch nicht zu sehr verfestigt ist, um in Frage kommende Konzept-, Standort- oder Trassenalternativen ergebnisoffen zu diskutieren. Laut der einschlägigen Rechtsprechung sind im Rahmen der SUP Alternativen zur Gesamtheit des Plans als auch zu einzelnen Vorhaben und Projekten zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Der Bundesverkehrsminister betont in seinem Beteiligungsbericht über die Bürgerbeteiligung (BMVI 2016, S 55 f.), dass die Bundesländer ebenfalls dieser Pflicht zur Bürgerbeteiligung unterliegen: „Bei Straßenprojekten erfolgte eine vorhabenbezogene Alternativenprüfung vor der Projektanmeldung durch die Länder. Aufgrund der Planungskompetenzen der Länder wurden diese verpflichtet, vor der Anmeldung von Straßenprojekten "alternative Lösungsmöglichkeiten" zu prüfen. Insbesondere bei Umweltkonflikten war darzustellen, ob Alternativplanungen, insbesondere der Ausbau bestehender Strecken statt eines Neubaus, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7170 2 erwogen worden sind, und warum eine solche Lösung ggf. nicht angemeldet wurde. Soweit es sinnvoll war, sollte auch auf Verkehrsträgeralternativen eingegangen werden.“ In seine Stellungnahme vom 2.5.2016 hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Rahmen der SUP-Beteiligung eine Netzalternative zum Neubau der A 46 Hemer- Menden-Neheim vorgeschlagen. Diese wurde im Rahmen des BVWP-Bewertungsverfahren zwar beschrieben und teilweise bewertet. Sie kostet ein Siebtel der Neubauvariante, ist umweltschonend und hat ein wesentlich besseres Nutzen-Kosten-Verhältnis als die Neubaualternative. Auf einen Einstufungsvorschlag wurde jedoch verzichtet mit dem Argument, es handele sich „nur um eine Alternative“. Für den Autobahnneubau wurde dagegen im BVWP-Entwurf ein Vordringlicher Bedarf gesehen. Nach Rechtsprechung des EuGH erstreckt sich die Ermittlungspflicht auf alle Alternativen, die nicht offensichtlich fernliegen. Darüber hinaus sind auch unterschiedliche Plankonzeptionen in Betracht zu ziehen, die geeignet sind, die Planziele zu erreichen. Eine weitere gesetzlich vorgeschriebene Alternativenprüfung ist bei Beeinträchtigungen von Natura-2000 Gebieten vorzunehmen. Gem. Art. 6 Abs. 2 FFH-RL (RL 92/43/EWG) hat die Bundesrepublik Deutschland die Pflicht, Verschlechterungen der natürlichen Lebensräume und Habitate der Arten sowie Störungen von Arten zu vermeiden. Gleiches gilt gem. Art. 4 der Vogelschutz-RL (2009/147/EG) für Schutzgebiete für Vögel und für geschützte Vogelarten. Keiner diese Schritte ist bei der A 46/B7n bisher erfolgt. Der Minister für Verkehr hat die Kleine Anfrage 2778 mit Schreiben vom 19. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Umwelt; Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Zuge der Bundesverkehrswegeplanung 2015 wurde vom Bundesverkehrsministerium eine großräumige strategische Netzplanung mit Strategischer Umweltprüfung betrieben. Hier sind für die Verbindung „Hemer – Arnsberg“ drei vom Land Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Varianten untersucht worden, darunter die Netzalternative des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dabei hat der Bund dargelegt, dass zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der großräumigen Verbindung zwischen Hagen/Arnsberg/Paderborn der Kombination A 46 / B 7 der Vorzug gegenüber der Netzlösung im Zuge der Bundesstraßen B 7, B 63 undB 233 zu geben ist. Verbunden ist damit der Ausbau dieser Achse mit dem Ziel, die Erreichbarkeit insgesamt zu verbessern. Letztlich hat der Bundesgesetzgeber den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen beschlossen und den Linienzug A 46 / B 7 im Vordringlichen Bedarf ausgewiesen. Damit besteht für die Auftragsverwaltung des Landes ein gesetzlicher Planungsauftrag. Aktuell befindet sich das Projekt in der Linienfindung. In dieser Planungsstufe sind Korridore zu identifizieren, in denen Trassenverläufe denkbar sind. Alle im Rahmen des Planungsauftrags hier ernsthaft in Frage kommenden Alternativen sind mit ihrem verkehrlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Nutzen und den Auswirkungen auf Natur und Umwelt zu untersuchen und gegeneinander abzuwägen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7170 3 1. Welche Kriterien haben den Ausschlag gegeben, das Unternehmen IFOK für das Beteiligungsverfahren 46sieben auszusuchen? Für die Durchführung der Maßnahmen der Open.NRW Strategie hat bereits die vorherige Landesregierung im Jahr 2015 Rahmenverträge mit externen Dienstleistern abgeschlossen. Das Unternehmen IFOK GmbH hat den Zuschlag im Los 2 „Partizipation“ im Rahmenvertrag „Unterstützungsleistung / Beratung zur Umsetzung der OPEN.NRW Strategie“ erhalten. Der Zuschlag erfolgte in einem offenen Vergabeverfahren. Das Auswahlverfahren basierte auf den Zuschlagskriterien Preis (40 %), inhaltliche Qualität des Konzepts (40 %) und Präsentation (20 %). Für die Öffentlichkeitsbeteiligung „46sieben“ wurden bezüglich der Auswahl des Dienstleisters keine abweichenden Kriterien zugrunde gelegt. 2. Wie ist der Projektauftrag an IFOK formuliert? Die Planung der A 46 / B 7 wurde mit folgender Beschreibung in das Vorhaben Open.NRW aufgenommen: „Mit der Durchführung eines Beteiligungs-Scopings sollen durch eine frühzeitige Beteiligung die Stakeholder in die Planung eines zweiten (Anmerkung neben der Planung der A 553) Modellprojekts eingebunden werden. Zudem dient dieses zweite Modellprojekt dazu, das Format in der Praxis zu etablieren und in den Regelbetrieb zu bringen.“ 3. Welche Laufzeit hat der mit IFOK abgeschlossene Vertrag? Der Auftrag ist ein Einzelabruf aus dem im Jahr 2015 europaweit ausgeschriebenen Rahmenvertrag mit der IFOK GmbH. Es handelt sich um das Projekt „Weiterführung der Dialogmaßnahmen Modellprojekt Beteiligungs-Scoping zur A 46 im Rahmen des ‚Bündnis für Mobilität‘“. Die Beauftragung ist bis Ende 2019 erfolgt. Hierzu gehört auch das Projekt „Öffentlichkeitsbeteiligung 46sieben“, dessen Projektlaufzeit davon nicht abweicht. Zurzeit wird beim Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen eine Ausschreibung zur Fortführung des Beteiligungsverfahrens durchgeführt. 4. Mit welchen Gesamtkosten für das „Beteiligungsverfahren“ rechnet das Ministerium? Die bislang angefallenen Kosten (Stand Juli 2019) belaufen sich auf rund 350.000 €. Die weiteren Kosten hängen u.a. von der ausstehenden Ausschreibung ab. 5. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund der beschrieben europäischen und deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung rechtlich den Ausschluss der Prüfung von grundsätzlichen Alternativen zum Projekt 46sieben im Rahmen der laufenden frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung? Die Planung des Landesbetriebs folgt den Vorgaben des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen (vgl. Vorbemerkung).