LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7183 20.08.2019 Datum des Originals: 20.08.2019/Ausgegeben: 23.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2792 vom 25. Juli 2019 der Abgeordneten Christina Weng SPD Drucksache 17/6993 Verpasst die Landesregierung im Zuge der Pflegeberufereform die Gelegenheit soziale Härten abzubauen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 2012 hat die damalige SPD-geführte Landesregierung ein umlagebasiertes Ausgleichssystem zur Finanzierung der Ausbildung im Bereich der Altenpflege eingeführt. Dieses System bildet inzwischen auch die Finanzierungsgrundlage des auf Bundesebene angestoßenen Prozesses der Reform der Pflegeberufe. Angesichts des gravierenden Fachkräftemangels stellt diese Maßnahme ein adäquates und bewährtes Instrument zur Steigerung der Ausbildungstätigkeit im Sektor dar. Ein Nachteil der Ausbildungsumlage ist, dass sie die Pflegebedürftigen doppelt belastet. Zum einen finanzieren sie das System über ihre Beiträge zur Pflegeversicherung, zum anderen werden ihnen die Ausbildungskosten vom Einrichtungsträger in Rechnung gestellt (in NRW für 2019 4,32 Euro pro Tag). Die Höhe dieses Beitrags unterscheidet sich zwischen den einzelnen Bundesländern, die ebenfalls Ausbildungsumlagen erheben teilweise um mehrere 100%. Exemplarisch sei auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 1852 (DS 17/4818) verwiesen, in der die gravierenden Unterschiede der monatlichen Kosten für die Ausbildung an verschiedenen Standorten deutlich wird. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2792 mit Schreiben vom 20. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen der Kleinen Anfrage 2792 wird auf das umlagebasierte Ausgleichsystem in der Altenpflege zur Finanzierung der Kosten der Ausbildungsvergütung, die entsprechenden Kostenunterschiede zwischen den Ländern und den Maßnahmen des Landes zur Kosten- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7183 2 reduzierung Bezug genommen. Entsprechend beziehen sich die nachfolgenden Antworten zur Kleinen Anfrage ausschließlich auf die Kosten der Ausbildungsvergütung. 1. Wie erklärt die Landesregierung die erheblichen Unterschiede in dem den zu pflegenden Patienten in Rechnung gestellten Anteil an den Ausbildungskosten? Das Altenpflegegesetz bestimmt, dass zur Aufbringung der Mittel für die Kosten der Ausbildungsvergütung Ausgleichsbeträge erhoben werden können, wenn ein Mangel an Ausbildungsplätzen verhindert oder beseitigt werden soll. Von dieser Möglichkeit hat die damalige SPD-geführte Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2012 zur Beseitigung des Mangels an praktischen Ausbildungsplätzen Gebrauch gemacht. Auch die Länder Baden- Württemberg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben eine entsprechende Umlage eingeführt. Die übrigen Länder haben dieses Instrument nicht eingeführt, so dass dort nur die ausbildenden Einrichtungen die Ausbildungskosten in den Entgelten und Vergütungen für ihre Leistungen berück-sichtigen. Nichtausbildende Einrichtungen erheben keine zusätzliche Umlage, so dass diese einen Wettbewerbsvorteil haben. Bereits aus dieser Sachlage ergeben sich Unterschiede zwischen Ländern mit einer Ausbildungsumlage, die von den umlage-beteiligten Pflegeeinrichtungen den Pflegebedürftigen gleichermaßen in Rechnung gestellt werden, und Ländern ohne Ausbildungsumlage, wo nur die ausbildenden Einrichtungen die Ausbildungskosten in den Entgelten und Vergütungen für ihre Leistungen berücksichtigen. Ziel der Umlage ist die Steigerung der Zahl der Auszubildenden. In Nordrhein-Westfalen sind dank der Umlage die Altenpflege-schülerzahlen von 11.473 (2011) auf aktuell 19.300 gestiegen. Das bedingt eine Steigerung der umzulegenden Kosten. Zudem wird im Vergleich zu den übrigen ausbildungsstärksten Ländern in NRW besonders viel ausgebildet:1 Land: Schülerzahlen 2017/2018: Nordrhein-Westfalen 18.854 (aktuell 19.300) Baden-Württemberg 9.776 Bayern 7.429 Niedersachsen 7.269 Sachsen 4.526 Hessen 4.187 1 Quelle: AOK Pflege-Report 2019 2. Welche Entwicklung erwartet die Landesregierung bei diesen Unterschieden nach 2020? Die Landesregierung erwartet, dass Unterschiede zwischen den Ländern weiterhin bestehen werden, da - die Ausbildungszahlen und die Anzahl der Pflegebedürftigen zwischen den Ländern nicht im selben Verhältnis stehen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7183 3 - die Ausbildungsbudgets zur Finanzierung der Ausbildungskosten nach dem Pflegeberufegesetz in jedem Land unterschiedlich sind. Im Pflegeberufegesetz ist geregelt, dass durch den Ausgleichsfonds nicht nur die Kosten der Ausbildungsvergütung finanziert werden, sondern auch die Kosten der Pflegeschulen und der praktischen Ausbildung. Von der Gesamthöhe der Ausbildungskosten werden gut 30 Prozent durch die Pflegeeinrichtungen finanziert. 3. In der Antwort auf die Kleine Anfrage 1852 (Drucksache 17/4818) zählt die Landesregierung in der Beantwortung von Teilfrage 4 diverse Maßnahmen zur Senkung der Kostenbelastung für Pflegebedürftige auf. Wie steht es um die Umsetzung der geforderten Verlagerung der Finanzierungsregelungen aus dem SGB XI ins SGB V? 4. Welche weiteren eigenen Maßnahmen oder Initiativen plant die Landesregierung um die Belastung der Pflegepatienten in NRW, insbesondere auch mit Ausbildungskosten, zu verringern? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des engen Sachzusammen-hangs gemeinsam beantwortet: Die künftige Ausbildungskostenfinanzierung nach der Pflegeberufereform basiert auf den bundesrechtlichen Vorgaben nach dem Pflegeberufegesetz. Das Land ist ein Verhandlungspartner für die Kostenträgerseite. Neben dem Land sind Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und die Pflegeversicherung mit jeweils unterschiedlichen prozentualen Anteilen an der Finanzierung beteiligt. Dabei ist es dem Land wichtig, dass die Ausbildungs-pauschalen es einerseits den Leistungserbringern ermöglichen, eine qualitativ hochwertige und attraktive Ausbildung anzubieten. Gleichzeitig ist es andererseits geboten, die Kosten unter diesen Bedingungen zu beschränken, um die Belastungen bei den Pflegebedürftigen möglichst gering zu halten. Grundlage für die Ermittlung der Höhe der jährlichen Ausbildungs-kosten ist die Summe aller Ausbildungsbudgets, die aus den von Kostenträgern und Leistungserbringern verhandelten Pauschalen je Auszubildendem und den Ausbildungsvergütungen berechnet wird. Die Umsetzung des Sofortprogramms zur Schaffung von 13.000 neuen Stellen zur Erbringung von Behandlungspflege gemäß § 8 Absatz 6 SGB XI erfolgt bundesweit nur sehr zögerlich. Auch in NRW wird von Pflegeeinrichtungen der bürokratische Aufwand beanstandet, der mit der Beantragung der zusätzlichen Stellen verbunden ist. Ursächlich hierfür sind insbesondere Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes, die ohne Beteiligung der Länder getroffen worden sind. Da es sich hier um eine Angelegenheit der Pflegeselbstverwaltung handelt, bestehen keine unmittelbaren Eingriffsmöglichkeiten seitens der Landesregierung. Um trotzdem zu einer befriedigenden Lösung zu kommen, hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 24. Juli 2019 die in Nordrhein-Westfalen federführenden Kassen angeschrieben, um mit diesen in einen Dialog hinsichtlich einer möglichst unbürokratischen Umsetzung in Nordrhein-Westfalen einzutreten. Die grundsätzliche Zuständigkeit für weitere Finanzierungs-regelungen hinsichtlich der Behandlungspflege in Heimen liegt auf der Bundesebene. Konkrete weitere Reformüberlegungen sind derzeit noch nicht bekannt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7183 4 Zusätzlich lässt sich die Durchführungsverordnung Pflegeberufegesetz (DVO-PflBG NRW) und die darin festgelegte Lehrer – Schüler – Relation von 1:25 als eine Maßnahme der Landesregierung nennen, die sich kostensenkend für die Pflegebedürftigen auswirken wird. Zu den Hintergründen der Regelung verweise ich auf die Vorlage 17/2177 vom 14. Juni 2019. Die DVO-PflBG NRW (Drucksache 17/7128) soll am 1. Januar 2020 in Kraft treten. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Option mittels einer Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge im Pflegebereich das enorme Lohngefälle zwischen den einzelnen Bundesländern auszugleichen? Die Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche werden seit langem als unzureichend kritisiert. Dies gilt sowohl für die Personalausstattung in den Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten, als auch für die Entlohnungsbedingungen der Pflegekräfte. Das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben deshalb im Jahr 2018 die Konzertierte Aktion Pflege ins Leben gerufen. Es wurden fünf Arbeitsgruppen eingerichtet, um gemeinsam mit allen in der Branche beteiligten Akteuren Lösungen zu finden, die den Arbeitsalltag von Pflege-kräften spürbar verbessern. Die Arbeitsgruppe 5, in der Nordrhein- Westfalen vertreten war, hat sich mit den Entlohnungsbedingungen in der Pflege beschäftigt. Ziel war es, Vorschläge für konkrete Maßnahmen zu erarbeiten, wie unter Wahrung der Tarifautonomie und des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts eine angemessene Entlohnung gesichert werden kann. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe 5 der Konzertierten Aktion Pflege sind auf der Internetseite der beteiligten Bundesministerien abrufbar. Auch die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen wurde in diesem Zusammenhang als möglicher Weg diskutiert. Die Landes-regierung ist der Ansicht, dass es sich bewährt hat, dass die Tarifpartner in Deutschland autonom verhandeln und um Lösungen zum Wohle von Unternehmen und Belegschaften ringen. Unternehmen und ihre Belegschaften, Gewerkschaften und Unternehmerverbände verstehen sich nicht als Gegner, sondern als Partner. Die Allgemeinverbindlicherklärung ist in diesem Zusammenhang ein bewährtes Instrument, um die Tarifbindung in der Fläche und den Wettbewerb über die Qualität zu stärken. Voraussetzung für eine Allgemeinverbindlicherklärung ist nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes jedoch zwingend, dass ein Tarifvertrag vereinbart wird und die Tarifvertragsparteien sich zu einer gemeinsamen Antragsstellung entscheiden. Können sich die Sozialpartner in der Pflegebranche in diesem Sinne einigen, dann wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über den Antrag entscheiden. Dies ist bislang nicht der Fall gewesen.