LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7185 21.08.2019 Datum des Originals: 21.08.2019/Ausgegeben: 26.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2814 vom 30. Juli 2019 des Abgeordneten Martin Börschel SPD Drucksache 17/7029 Kein Plan für NRW: Unterstützt der Gesundheitsminister den Kahlschlag in der Gesundheitsversorgung durch Schließung von Krankenhäusern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einem Interview mit dem „Spiegel“ vom 20.07.2019 erklärte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, dass es in den lokalen Ballungszentren teilweise eine „Überversorgung“ an stationärer Gesundheitsversorgung gebe. Seiner Meinung nach reiche es, wenn ein Rettungswagen innerhalb von 30 Minuten eine Intensivstation erreiche. Für spezielle Krankheiten könne es nicht „vor jeder Haustür eine Fachklinik geben“. Hintergrund des Interviews ist die Studie „Zukunftsfähige Krankenhausversorgung. Simulation und Analyse einer Neustrukturierung der Krankenhausversorgung am Beispiel einer Versorgungsregion in Nordrhein-Westfalen“ im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) hatte für die Studie insbesondere die Krankenhaus-Landschaft in der Region um Köln und Leverkusen untersucht. Die Studie rät u. a. dazu, 800 Krankenhäuser in Deutschland zu schließen und die verbleibenden 600 zu Großkliniken auszubauen. Experten und Expertinnen im Gesundheitswesen schlugen daraufhin Alarm und warnten u. a. vor der Zerstörung sozialer Infrastruktur. Laumann kündigte in seinem Interview unterdessen ein eigenes Gutachten seines Ministeriums über „die Unter- und Überversorgungen“ in NRW an. Die Aussagen Laumanns geben schon eine Stoßrichtung vor, die in dieselbe Richtung wie die Bertelsmann-Studie geht. Angesichts der geplanten Neuaufstellung des Krankenhausbedarfsplans im Jahr 2020 sind dies besorgniserregende Nachrichten für die Gesundheitsversorgung in NRW. Es steht zu befürchten, dass die Lösung in der Schließung von Krankenhäusern gesucht wird, statt sich intensiv mit dem Fachkräftemangel und dem steigenden Behandlungsbedarf zu beschäftigen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7185 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2814 mit Schreiben vom 21. August 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Auf welche Ballungszentren konkret auf Basis welcher Erkenntnisse bezieht Minister Laumann seine Feststellung, es liege „in Ballungszentren teilweise eine Überversorgung“ vor? Anlass des zitierten Interviews mit dem Spiegel war die von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studie „Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft“. Die Bertelsmann- Studie hatte exemplarisch für den Großraum Köln-Leverkusen Simulationen und Analysen durchgeführt. In dem Interview hat Minister Laumann unabhängig von der Bertelsmann-Studie auf (einzelne) Erfahrungen aus Verfahren der Krankenhaus-Planung und des Bundesstrukturfonds Bezug genommen. 2. Welchen Einfluss hat die Bertelsmann-Studie auf die Fragestellungen und den Untersuchungsgegenstand des durch den nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister aufgetragenen neuen Gutachtens, das als Grundlage für einen neuen Krankenhausplan fungieren soll? Das vom Ministerium in Auftrag gegebene Gutachten soll die Versorgungslandschaft in Nordrhein-Westfalen analysieren. Dies ist eine wichtige Diskussionsgrundlage, um zu klären, bei welchen Versorgungsangeboten eine (partielle) Über-, Unter- und Fehlversorgung vorliegt. Zudem soll eine Alternative zur bisherigen reinen Bettenplanung vorgeschlagen werden. Dieses Gutachten ist bereits vor der Veröffentlichung der Bertelsmann-Studie beauftragt worden und wird die Diskussionsgrundlage für den künftigen Krankenhausplan sein. Dennoch wurde die Bertelsmann-Studie - ebenso wie das Gutachten von dem Sachverständigenrat, das RWI Gutachten zur Reform der Krankenhausstrukturen, der AOK Krankenhaus-Report und viele weitere Studien - interessiert zur Kenntnis genommen und dient zur Meinungsbildung im fachlichen Austausch. 3. Welche Versorgungsparameter legt das Land für die künftige medizinische Grundversorgung zugrunde, die auch im Gutachten untersucht werden sollen? Das Gutachten wird erstmals eine umfassende Versorgungsanalyse für Nordrhein-Westfalen präsentieren und Über-, Unter- und Fehlversorgung auf regionaler Ebene analysieren. Daneben soll eine Alternative zur bisherigen Planung vorgeschlagen werden. Es ist Aufgabe der Gutachter, hier eine Alternative mit Instrumenten, Verfahren und den künftigen Parametern zu entwickeln. 4. Da der Landesregierung einschneidende Veränderungen der Krankenhaus- Landschaft in NRW vorschweben: Inwieweit plant das Gesundheitsministerium, die Kommunen und die Interessenverbände frühzeitig in den Prozess um die Bedarfsfeststellungen im Krankenhausbereich einzubinden? Bei der geplanten Neufassung des Krankenhausplans handelt es sich um Änderungen der Rahmenvorgaben. Diese werden gemeinsam mit dem Landesausschuss für LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7185 3 Krankenhausplanung erarbeitet. Der Landesausschuss für Krankenhausplanung besteht aus den nach § 15 Abs. 1 des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW) unmittelbar Beteiligten. Kreisfreie Städte und Kreise gehören nicht direkt zu diesem Mitgliedskreis, werden aber über Vertreter der kommunalen Spitzenverbände vertreten. Auch die Interessenverbände werden hierbei beteiligt. Grundsätzlich ist es dem Ministerium wichtig, transparent mit dem Entstehungsprozess für die neuen Vorgaben umzugehen. Auf Grundlage der neu entwickelten Rahmenvorgaben folgen die regionalen Planungsverfahren, bei denen die konkreten Versorgungsangebote auf regionaler Ebene verhandelt und bewertet werden. Hier werden neben den Interessenverbänden entsprechend des KHGG NRW auch die jeweiligen kreisfreien Städte und Kreise beteiligt. 5. Wie werden sich die Pläne der Konzentration von Krankenhäusern auf die Förderstrukturen der Landesregierung und des Eigenanteils der Kommunen auswirken? Das oberste Ziel ist eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten. In Anbetracht begrenzter finanzieller Ressourcen und des Fachkräftemangels sind auch in der Krankenhauslandschaft ressourcenschonende Strukturen notwendig. Dabei geht es um Qualitätsverbesserungen und um eine sinnvolle, zukunftssichere Aufstellung der Krankenhauslandschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, werden sicherlich auch Konzentrationen eine Rolle spielen. Gleichzeitig steht aber auch die Stärkung von Strukturen im Fokus; vor allem mit Blick auf den ländlichen Raum. Vor diesem Hintergrund wurden die diesjährigen Förderschwerpunkte der Einzelförderung nach § 21a KHGG NRW festgelegt. Neben dem Abbau doppelt vorgehaltener Leistungsstrukturen liegt der Fokus auch auf der Stärkung der ländlichen Versorgung. Insgesamt stehen in der Förderperiode 2019 66 Mio. Euro zur Verfügung. Wie bei den pauschalen Investitionsfördermitteln werden die Kommunen auf Grundlage des § 17 Satz 3 KHGG NRW mit einem Anteil von 40 % an den entsprechenden Ausgaben beteiligt. Neben der Einzelförderung und der bewährten pauschalen Investitionsförderung gibt es noch den Krankenhausstrukturfonds nach § 12a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), der vom Bundesgesetzgeber im Jahr 2019 neu aufgelegt worden ist. Er dient der Förderung von Vorhaben der Länder zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung. Im Rahmen der Krankenhausstrukturfondsförderung stehen dem Land Nordrhein-Westfalen von 2019 bis 2022 jährlich 210 Mio. Euro zur Verfügung. Diese Mittel setzen sich zusammen aus 105 Mio. Euro des Strukturfonds, der sich wiederum aus Mitteln des Gesundheitsfonds speist, 95 Mio. Euro Kofinanzierungsmitteln des Landes und dem Eigenanteil der Krankenhausträger in Höhe von rund 10 Mio. Euro. Eine Finanzierungsbeteiligung der Kommunen ist nicht vorgesehen. Dem offiziellen Antragsverfahren ist ein Interessensbekundungs- verfahren vorgeschaltet. Dieses Verfahren läuft aktuell bis zum 30. September 2019. Im Anschluss folgt die erste Antragsfrist für die Krankenhäuser vom 01. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020.