LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 23.08.2019 Datum des Originals: 23.08.2019/Ausgegeben: 28.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2770 vom 18. Juli 2019 der Abgeordneten Josefine Paul und Verena Schäffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/6937 Gewalt gegen LSBTI* - Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung gegen Hasskriminalität aufgrund sexueller und/oder geschlechtlicher Identität Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Als Hasskriminalität werden politisch motivierte Straftaten bezeichnet, bei denen das Opfer des Delikts vom Täter vorsätzlich nach dem Kriterium der wirklichen oder vermuteten Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe gewählt wird und sich die Tat gegen die gewählte Gruppe als Ganze bzw. in diesem Zusammenhang gegen eine Institution, Sache oder ein Objekt richtet. Vorbehalte und Vorurteile gegenüber unterschiedlichen Lebensentwürfen führen auch weiterhin zu Diskriminierung bis hin zu Gewalt gegen LSBTI*-Personen. Hierbei haben sie primär eine Stellvertreterfunktion inne, d.h. sie werden angegriffen, weil sie vermeintlich oder tatsächlich einer bestimmten gesellschaftlichen Minderheit angehören, gegenüber der der Täter Ablehnung bis hin zu Hass empfindet. Gleichzeitig ist die Anzeigenbereitschaft der Opfer gering, u.a. aus Scham oder Angst möglicherweise durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht nicht ernstgenommen zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass durch das Auswahlkriterium die Tat spezielle Auswirkungen nicht nur auf das Opfer selbst hat, sondern es gegenüber der gesamten Gruppe einen einschüchternden Effekt hat, der die psychische Gesundheit der Gruppenmitglieder beeinträchtigen kann, was sich sogar auf Mitglieder anderer Minderheiten auswirken kann. Insgesamt, so zeigen Untersuchungen, werden LSBTI*-Menschen häufiger Opfer von Gewalttaten als der Bevölkerungsdurchschnitt. Der „NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“ führt in seinen Maßnahmen zum Gewaltschutz die Fortbildung und Sensibilisierung von Justiz und Polizei auf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 2 Verschiedene Bundesländer haben spezielle Ansprechpersonen für LSBTI* bei Polizei und Justiz eingerichtet. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2770 mit Schreiben vom 23. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung sowie dem Minister der Justiz beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Anzahl Menschen vor, die Opfer eines Gewaltdeliktes auf Grund ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität wurden? Die Erfassung von Straftaten, Tatverdächtigen und Opfern in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfolgt nach bundeseinheitlichen, jährlich mit den beteiligten Gremien abgestimmten Richtlinien. Daten zu Gewalttaten gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst. Gleichwohl erfolgt eine bundeseinheitlich abgestimmte statistische Erfassung dieser Straftaten im Rahmen des Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD PMK). Demnach wurden im Zeitraum von 2016 bis 2019 (Stand: 19.07.2019) insgesamt drei Gewaltdelikte zur Kategorie „Sexuelle Orientierung“ für das Land Nordrhein-Westfalen registriert. Die vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) geförderte Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in Nordrhein- Westfalen erfasst und dokumentiert die ihr bekannt gewordenen homo- und trans* - feindlich motivierten Gewalttaten. Diese werden der Fachstelle u. a. über deren Beratungsnetzwerk und den beiden so genannten „Schwulen Überfalltelefonen“ in Köln und Düsseldorf gemeldet. Seit dem 01.07.2018 wird von den Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen die Anzahl der Ermittlungsverfahren erfasst, die der Hasskriminalität zuzuordnen sind. Für das 2. Halbjahr 2018 weist die Gesamtstatistik neun Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Orientierung oder Identität aus. Nordrhein-Westfalen führt aktuell landesweit eine repräsentative Bürgerbefragung zum Thema „Sicherheit und Gewalt in Nordrhein-Westfalen“ (fachsprachlich Viktimisierungssurvey) durch, bei der 60.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger zu ihren Gewalterfahrungen und ihrem Sicherheitsgefühl befragt werden. Hierbei wird unter anderem auch das Themenfeld „Hasskriminalität“ im Zusammenhang mit der geschlechtlichen Identität in den Blick genommen. Ergebnisse dieser Befragung sind im Jahr 2020 zu erwarten. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Gründe für die Anzeige oder Nichtanzeige von Übergriffen und Erfahrungen bei einer Anzeigenerstattung vor? Das Anzeigeverhalten der Bevölkerung wird generell von verschiedenen Faktoren beeinflusst. So steigt die Anzeigebereitschaft beispielsweise mit der Schwere der Straftat oder wenn bei Eigentumsdelikten ein Nachweis für die Versicherung benötigt wird. Dies gilt für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter* und queer* (LSBTIQ*) - Menschen ebenso. Jedoch zeigen offensichtlich LSBTIQ* Straftaten im Vergleich zur LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 3 Gesamtbevölkerung seltener an. Ein in Befragungen von LSBTIQ* häufig genannter Grund für die Nichtanzeige einer Straftat ist die Annahme, dass die Polizei im Falle der erlebten Straftat kaum bzw. keine Handlungsmöglichkeiten hat. Gleiches zeigt sich auch im Rahmen von Befragungen der Gesamtbevölkerung durch das Bundeskriminalamt, zuletzt beim Deutschen Viktimisierungssurvey 2017. Als Gründe für den Verzicht auf eine Strafanzeige wird von LSBTIQ* darüber hinaus häufig die Furcht vor dem Bekanntwerden der sexuellen Orientierung und vor dem Verhalten der mit der Anzeigenaufnahme betrauten Polizeibeamtinnen und - beamten benannt. Auch die Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in Nordrhein-Westfalen berichtet aus ihrer praktischen Arbeit vor Ort, dass sich immer noch viele LSBTIQ* nicht trauen, Strafanzeige zu erstatten. Darüber hinaus gebe es noch zu wenig Wissen darüber, welche Straftaten/Delikte angezeigt werden können. Um Opfer und potentielle Opfer homo- und transfeindlicher Gewalt zu ermutigen, Strafanzeige zu stellen, hat die Landeskoordination Anfang 2019 landesweit die vom MKFFI geförderte Kampagne „ICH ZEIGE DAS AN!“ gestartet. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) und alle weiteren Polizeibehörden des Landes unterstützen diese Initiative. Seit Mitte des Jahres 2019 registriert die Landeskoordination eine deutliche Resonanz in Form von erhöhten Beratungsnachfragen und bietet landesweit Beratungen zur Strafanzeigenerstattung an. 3. Inwieweit werden die Maßnahmen des „NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“ in Bezug auf Fortbildung und Sensibilisierung von Justiz und Polizei umgesetzt? Die Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* hat ihre Kooperation mit der Polizei Nordrhein-Westfalen weiter ausgebaut. Das LKA NRW ist im Beirat der Fachstelle vertreten. So hat die Landeskoordination 2018 an einer Fortbildung der Opferschutzbeauftragten der Polizei Nordrhein-Westfalen sowie einem Vortrag zur Sensibilisierung für die Lebensrealitäten von LSBTIQ* teilgenommen. Die Landeskoordination arbeitet zudem vor Ort mit der Polizei zusammen. So beispielsweise anlässlich der Aktionstage für Vielfalt 2018 in Gütersloh. Gesellschaftliche Diversität ist gelebter Alltag für die Polizei Nordrhein-Westfalen und in der Aus- und Fortbildung fest verankert. Im Rahmen der polizeilichen Ausbildung (Bachelor-Studium) werden die Kommissaranwärterinnen und -anwärter für die Problematik homophober und transphober Gewalt sensibilisiert und bezüglich der speziellen Belange der Anzeigenerstattung und Opferhilfe, u. a. bei häuslicher Gewalt, ausgebildet. Zudem sind sozialpsychologische Aspekte, wie die Entstehung, Auswirkung von und Umgang mit Vorurteilen, Gegenstand des Studiums. Die polizeilichen Opferschutzbeauftragten aller Kreispolizeibehörden werden in ihren zielgruppenspezifischen Fortbildungen durch das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) u. a. zum Umgang mit homophober und transphober Gewalt ausgebildet, auch um dieses Thema als Multiplikatoren innerhalb ihrer Behörde mit unterschiedlichen Zielgruppen zu erörtern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 4 Das LKA NRW hat gemeinsam mit der Landeskoordination der Anti Gewalt Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in NRW und dem LAFP NRW den Flyer „Homo- und transphobe Gewalt – Informationen für Betroffene“ erstellt. Mit Hilfe dieses Flyers soll die Anzeigebereitschaft gefördert werden. Die Opfer homo- und transphober Gewalt erhalten darüber hinaus von der Polizei Informationen zu entsprechenden Beratungsangeboten. Das LAFP NRW führt regelmäßig mit Unterstützung der Landeskoordination Anti-Gewalt- Arbeit für Lesben und Schwule und Trans* in Nordrhein-Westfalen und Rubicon e. V. Fortbildungsmaßnahmen durch. Themenleitend sind dabei u. a. die Opferrechte in Ermittlungs- und Strafverfahren und damit auch die Zugangsmöglichkeiten zu einer Psychosozialen Prozessbegleitung. Ergänzend zu den spezifischen Fortbildungsseminaren führt das LAFP NRW jährlich in Kooperation mit dem LKA NRW eine Fortbildungsveranstaltung mit allen Opferschutzbeauftragten des Landes durch und thematisiert dort rechtliche Neuerungen und spezifische Problemstellungen. Zudem sind die Fragen des polizeilichen Diskriminierungsschutzes Gegenstand unterschiedlicher Fortbildungsformate (u.a. Interkulturelle Kompetenz, Bearbeitung von Sexualdelikten, Umgang mit häuslicher Gewalt, Polizeilicher Opferschutz). In der „Zentralen Einführungsfortbildung“ für die kriminalpolizeiliche Sachbearbeitung werden neu in Kriminalkommissariaten, Stabs- und Führungsstellen bzw. Fahndungsgruppen Staatsschutz verwendete Ermittlungsbeamtinnen und -beamte in einem Zeitraum von insgesamt 12 Wochen kriminalfachlich spezialisiert fortgebildet. Auch das Thema Diversität wird dabei einbezogen. Gewalt gegen LSBTIQ* thematisiert das LAFP NRW als Hasskriminalität bzw. politisch motivierte Straftaten u.a. in den Unterrichtseinheiten „Staatsschutz“, „Erster Angriff bei Sexualdelikten“, „Opferschutz“ und „Vernehmung rechtliche Grundlagen – Zeugen“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der o. g. Fortbildungen werden dabei bzgl. des Umgangs mit Opfern von Straftaten mit LSBTIQ*-Hintergrund fortgebildet. Im Zuge der weiteren Entwicklung der berufsethischen Reflexion „Grenzgang“ wird das LAFP NRW, in dem Themenraum „Sind in der Gesellschaft wirklich alle gleich?“ das Thema „Gesellschaftliche Diversität“ mit den Inhalten „Homosexualität, Transgender, Migration sowohl als mein Gegenüber und auch in den eigenen Reihen“ einbeziehen. Dabei berücksichtigt das LAFP NRW die polizeirelevanten Inhalte des „NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“. Auf der Bildungsplattform der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen ist der benannte NRW-Aktionsplan veröffentlicht. Ergänzend sind alle Referentinnen und Referenten, die in Fortbildungen der Justiz zum „Umgang mit dem Publikum“ bzw. zur „Personalführung“ eingesetzt werden, auf dieses Thema hingewiesen und gebeten worden, es in geeigneter Form in die Seminare zu integrieren. In einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen, z. B. zum Umgang insbesondere mit Opfern oder zur Vernehmung von Opferzeugen, erfolgen entsprechende Hinweise. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 5 4. Plant die Landesregierung die Einrichtung spezieller Ansprechpersonen für LSBTI*- Personen bei Polizei und Justiz? Eine Einrichtung spezieller Ansprechpersonen für LSBTIQ* bei der Polizei ist nicht geplant. Diese Aufgabe ist landesweit beim polizeilichen Opferschutz verortet. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (JM NRW) hat die Beauftragte für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen bereits Anfang 2018 gebeten, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und in welcher Form das Berliner Modell, besondere Beauftragte für Straftaten gegen die LSBTIQ*-Community einzusetzen, auf das Flächenland Nordrhein-Westfalen übertragbar ist. Die Beauftragte für den Opferschutz hat hierzu in ihrem Ende März 2019 vorgelegten ersten Bericht ausgeführt: „Ob nach dem Vorbild der Staatsanwaltschaft Berlin auch Sonderdezernate für Straftaten zum Nachteil von Homosexuellen, Lesben und Transgender eingerichtet werden sollten, vermag das Team der Beauftragten für den Opferschutz - zumindest derzeit - nicht zu beurteilen. In dem ersten Jahr unserer Tätigkeit sind erste Gespräche mit Fachberatungspersonen geführt worden. Aus der Gruppe möglicher Betroffener sind mit dem Team kaum Kontakte erfolgt.“ Ein Erfordernis spezieller Ansprechpersonen im Geschäftsbereich des JM NRW ist auch vorerst nicht erkennbar. 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen, um Betroffene über ihren Anspruch auf Psychosoziale Prozessbegleitung zu informieren? Das MKFFI hat insbesondere die landesgeförderten Beratungsstellen für LSBTIQ* und ihre Angehörigen über das Thema Psychosoziale Prozessbegleitung informiert, damit die Beratungsstellen Ratsuchende auf diese Möglichkeit hinweisen können. Darüber hinaus ist die Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in Nordrhein-Westfalen in der Expertengruppe Opferschutz vertreten und hat über das Thema mehrfach in ihrem Beratungsnetzwerk berichtet. Zu den Maßnahmen der Landesregierung verweise ich des Weiteren auf den Bericht der Landesregierung zur 31. Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 27.03.2019 (Vorlage 17/1864). Die Fachabteilung des JM NRW hat bereits vor Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung zum 01.01.2017 verschiedenste Maßnahmen auf den Weg gebracht, um sicherzustellen, dass die betroffenen Professionen und insbesondere die Verletzten selbst umfassend über das neue Instrument informiert sind. Sie ist dabei durch die Mitglieder der seit Juni 2016 unter Federführung des JM NRW eingerichteten interdisziplinären „Koordinierungsstelle psychosoziale Prozessbegleitung Nordrhein-Westfalen" sachverständig beraten worden. An deren regelmäßigen Sitzungen nehmen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter anderer Ressorts, der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis, des ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz, der nordrhein-westfälischen Anwaltschaft, der Hochschule Düsseldorf, der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen, verschiedener Opferschutzverbände - unter anderem des WEISSEN RINGS und der Frauenhilfeinfrastruktur - und des Bundesverbandes Psychosoziale Prozessbegleitung e. V. teil. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 6 Diese dienen nicht zuletzt auch als Multiplikatoren für die weitere Bekanntmachung der psychosozialen Prozessbegleitung in ihrem jeweiligen Fachbereich. Auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelungen tagt die Koordinierungsstelle weiterhin regelmäßig, um die Entwicklung der psychosozialen Prozessbegleitung in Nordrhein-Westfalen im Blick zu halten. Zur Information der Praxis und der Verletzten dient beispielsweise der gemeinsam mit der Koordinierungsstelle entwickelte nordrhein-westfälische Informationsflyer, der bereits seit Ende des Jahres 2016 über die Homepage des JM NRW abgerufen bzw. als Printversion bestellt werden kann und den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie dem WEISSEN RING in großer Stückzahl unmittelbar zur Verfügung gestellt wurde. Diese Flyer wurden auch allen Kreispolizeibehörden in Nordrhein-Westfalen zur Weitergabe an die Opfer und zur Auslage in Dienststellen mit Publikumsverkehr zur Verfügung gestellt. Informationen zur psychosozialen Prozessbegleitung sind zudem in das „Merkblatt über die Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren" (AVR 32), das in den polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Systemen zwecks Unterrichtung der Verletzten nach § 406i Strafprozessordnung auch in elektronischer Form hinterlegt ist, sowie in das unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bundeseinheitlich gestaltete „Merkblatt für Opfer einer Straftat" aufgenommen worden, das jedem Opfer einer Straftat bei einer Anzeigenerstattung auszuhändigen ist. Unter dem Kurzlink „www.prozessbegleitung.nrw.de“ hat das JM NRW zudem eine Website mit ausführlichen Informationen zur psychosozialen Prozessbegleitung, insbesondere zu den rechtlichen Grundlagen, eingerichtet. Darüber erhalten Bürgerinnen und Bürger sowie interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Anbieter von Aus- und Weiterbildungen Hinweise zur Qualifikation und Tätigkeit der psychosozialen Prozessbegleitung. Eine auf der Website verlinkte Datenbank ermöglicht Opfern einer Straftat eine nach örtlichem und sachlichem Tätigkeitsschwerpunkt gefilterte Suche nach für sie passenden anerkannten psychosozialen Prozessbegleiterinnen und psychosozialen Prozessbegleitern. Darüber hinaus können sie sich online unter „www.opferschutz.nrw.de“ über die psychosoziale Prozessbegleitung informieren. Der gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Praxis hat das JM NRW die Neuerungen in einem umfangreichen Erlass dargestellt und die Behördenleitungen dabei auch darum gebeten, die Entstehung und den Ausbau örtlicher Netzwerke der psychosozialen Prozessbegleitung in ihrem Geschäftsbereich durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen. Eine in der Koordinierungsstelle tätige Rechtsanwältin hat in Abstimmung mit dem JM NRW durch verschiedene Publikationen in einschlägigen Zeitschriften die Rechtsanwaltschaft für das neue Instrument sensibilisiert. Die 2017 eingerichtete Stelle der Beauftragten für den Opferschutz des Landes Nordrhein-Westfalen beschäftigt in ihrem Team auch eine zur psychosozialen Prozessbegleiterin ausgebildete Mitarbeiterin, die das Thema in den Netzwerken bewirbt und Schnittstellenprobleme aufgreift. Zudem haben Vertreterinnen und Vertreter des JM NRW bei verschiedenen Veranstaltungen, z. B. bei der Jahrestagung des WEISSEN RINGS, beim LAFP NRW und bei Frauenberatungsstellen, über die neuen Regelungen und die praktische Umsetzung informiert. Besondere Bedeutung hatte dabei die Schulung der polizeilichen Opferschutzbeauftragten aller Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen einer landesweiten Dienstbesprechung zur Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung in das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7221 7 Strafverfahren zum 01.01.2017 wurden diese speziell geschulten Beamtinnen und Beamten jeweils über die praktische Umsetzung der Regelungen informiert. Die polizeilichen Opferschutzbeauftragten haben Zugriff auf die Datenbank der psychosozialen Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter, um passgenaue psychosoziale Prozessbegleitung vermitteln zu können. Bei den Auswahlkriterien ist auch die Begleitung von Personen mit bestimmten sexuellen Orientierungen aufgeführt. Die Opferinformationen des bundesweiten Internetauftritts des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) „https://www.polizeiberatung .de/opferinformationen“ informieren über einen (möglichen) Anspruch auf Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung.