LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7227 26.08.2019 Datum des Originals: 26.08.2019/Ausgegeben: 29.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2810 vom 30. Juli 2019 der Abgeordneten Verena Schäffer, Horst Becker und Oliver Keymis BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7023 Morddrohungen gegen Journalistinnen und Journalisten Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Morddrohungen gegen den Journalisten Georg Restle haben in der vergangenen Woche zu Recht für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Restle erhielt nach seinem Kommentar in den Tagesthemen zur vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingeordneten Identitären Bewegung und der inhaltlichen Nähe der AfD zu dieser Organisation neben einer Vielzahl von Anfeindungen auch eine rechtsextrem motivierte Morddrohung. Hiergegen hat der WDR am 19. Juli 2019 eine Strafanzeige gestellt.1 In dieser Morddrohung wird auch ein Bezug genommen auf den Mord an Dr. Walter Lübcke, der ganz offenbar aus rechtsextremen und rassistischen Motiven verübt wurde. In einem Interview mit Deutschlandfunk Nova vom 24. Juli 2019 macht Georg Restle deutlich, dass es wichtig ist, gegen solche Drohungen auch rechtlich vorzugehen. Denn es ginge bei solchen Drohungen nicht nur um die im konkreten Fall bedrohten Journalistinnen und Journalisten, sondern vor allem auch darum, Medienschaffende einzuschüchtern. Damit seien diese Drohungen als Angriff auf die Pressefreiheit zu verstehen. Restle ermutigt seine Kolleginnen und Kollegen, sich in ihrer Berichterstattung nicht von rechten Bedrohungen beeinträchtigen zu lassen und gleichzeitig darauf zu achten, sich nicht in Gefahrensituationen zu bringen.2 Leider handelt es sich bei der Drohung gegen Georg Restle nicht um einen Einzelfall. Anfang Juli gingen bei einem WDR-Journalisten und bei einem freien Journalisten aus Dortmund 1 https://presse.wdr.de/plounge/wdr/unternehmen/2019/07/20190719_strafanzeige_restle.html 2 https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/pressefreiheit-morddrohung-gegen-den-journalistengeorg -restle LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7227 2 Briefe mit weißem Pulver ein. Da diese beiden Journalisten zur rechtsextremen Szene im Ruhrgebiet und auch zur rechtsterroristischen Organisation „Combat 18“ recherchierten, gehe die Dortmunder Polizei auch dem Verdacht nach, dass „Combat 18“ für Drohungen gegen mehrere Journalisten verantwortlich sei.3 Nach Einschätzung von Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung steht hinter solchen Bedrohungen ein rechtsextremes Netzwerk. Neben der Verfolgung von Straftaten im Netz sieht sie einen Bedarf für weitere Strategien gegen Hassrede, wie Gegenrede und Solidarisierung mit Betroffenen, wie sie im Interview mit dem Deutschlandfunk sagt.4 Der Deutsche Journalisten-Verband fordert mit einer Mitteilung vom 23. Juli 2019 den Schutz von Personen, die auf sogenannten Feindeslisten von Rechtsextremen stehen. Er kritisiert dabei die unterschiedliche Praxis der Polizeibehörden in den Ländern bezüglich der Informierung der 200 Betroffenen, deren Namen auf einer solchen Feindesliste stehen.5 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2810 mit Schreiben vom 26. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten. sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben. durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. 3 https://www.tagesspiegel.de/politik/neonazis-bedrohen-journalisten-ein-verbot-der-rechtsextremengruppe -combat-18-rueckt-offenbar-naeher/24525316.html 4 https://www.deutschlandfunk.de/morddrohung-gegen-georg-restle-man-kann-sich-dasals .2907.de.html?dram%3Aarticle_id=454496&fbclid=IwAR0wOu9SafNDl-hmd8qZMV_X- KQB3OP5_bntsCIwoaN1J5DIB7oS4I0nj9I 5 https://www.djv.de/en/startseite/info/themen-wissen/pressefreiheit/news-detail/article/polizei-mussaufwachen .html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7227 3 Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet. Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK). 1. Wie viele politisch motivierte Bedrohungen und Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten sind in den letzten zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen verzeichnet worden? (Bitte aufschlüsseln nach politischer Motivation.) Der Begriff „Angriff“ wird nicht im KPMD erfasst. Deshalb erfolgt eine Darstellung der Straftaten zum Nachteil von Journalistinnen und Journalisten. Im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.07.2019 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 49 Straftaten im Themenfeld „Medien“ erfasst. Eine Einzelauswertung der Sachverhalte ergab, dass es sich dabei in 40 Fällen um Straftaten zum Nachteil von Journalistinnen und Journalisten handelte, darunter 7 Gewaltdelikte (Stand: 05.08.2019). Weitergehende Details bitte ich der Anlage 1 zu entnehmen. 2. Wie viele Journalistinnen und Journalisten aus Nordrhein-Westfalen werden in rechtsextremen Feindeslisten genannt? Die Fragestellung ist nicht automatisiert auswertbar und würde eine individuelle Einzelfallprüfung jedes Datensatzes erfordern, die aufgrund der Vielzahl der Datensätze in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. 3. Aufgrund welcher Kriterien wird entschieden, ob die betroffenen Personen über die Nennung ihres Namens auf einer solchen Liste informiert werden? Aus den bekannt gewordenen Listen werden zunächst die in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Personen und ansässigen Institutionen herausgefiltert. Anschließend erfolgt durch die zuständigen Kriminalinspektionen Staatsschutz (KI ST) auf Grundlage der jeweiligen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamts sowie eigener ergänzender Erkenntnisse eine einzelfallbezogene Prüfung. Sofern die Prüfung Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung ergibt, erfolgt immer eine unverzügliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Person oder Institution. 4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die Pressefreiheit zu schützen? Die Landesregierung ist sich der hohen Bedeutung der Pressefreiheit als Teil der Demokratie bewusst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7227 4 Sie wird stets den ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Handlungsspielraum ausschöpfen, um die ungehinderte Ausübung der Pressefreiheit zu gewährleisten. Bei einer konkreten Gefährdung werden gefahrenabwehrende Maßnahmen anlassbezogen durchgeführt. Auch Straftaten zum Nachteil von Journalistinnen und Journalisten werden konsequent verfolgt. 5. Welche Informations- und Beratungsangebote stellt die Landesregierung Journalistinnen und Journalisten, die Bedrohungen ausgesetzt sind, zur Verfügung? Betroffene Journalistinnen und Journalisten können sich bei Sicherheitsfragen jederzeit an die Polizeidienststellen des Landes Nordrhein-Westfalen wenden. Inhalte und Umfang der Beratungen von betroffenen Personen orientieren sich am konkreten Einzelfall und dem Informationsbedürfnis der betroffenen Person oder Institution. Bei Anhaltspunkten für eine konkrete Gefährdung erfolgt immer ein von der zuständigen Kreispolizeibehörde initiiertes Gefährdetengespräch. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Darüber hinaus verweise ich auf das seit März 2017 eingeführte Informationsblatt „Präventionshinweise für Personen des öffentlichen Lebens (z. B. Politikerinnen und Politiker)“6, welches im Internet veröffentlicht und daher allgemein zugänglich ist. Dieses kann analog auch Journalistinnen und Journalisten als Informationsgrundlage dienen. Das Informationsblatt ist als Anlage 2 beigefügt. 6 https://polizei.nrw/artikel/praeventionshinweise-fuer-personen-des-oeffentliche-lebens Anlage 1 zur Kleinen Anfrage 2810 - Straftaten zum Nachteil von Journalistinnen und Journalisten (Stand: 05.08.2019) NRW Ausländer Links Rechts Religiös Sonstige Gesamt Deliktsgruppen Anz. gekl. % Anz. gekl. % Anz. gekl. % Anz. gekl. % Anz. gekl. % Anz. gekl. % Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Branddelikte 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Sprengstoffdelikte 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Landfriedensbruchdelikte 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr etc. 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Körperverletzungsdelikte 0 0 0,0 3 2 66,7 4 4 100,0 0 0 0,0 0 0 0,0 7 6 85,7 Widerstandshandlungen 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Raub 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Erpressung 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Freiheitsberaubung 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Sexualdelikte 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Zwischensumme Gewaltdelikte 0 0 0,0 3 2 66,7 4 4 100,0 0 0 0,0 0 0 0,0 7 6 85,7 Bedrohungen/Nötigungen 1 0 0,0 2 0 0,0 5 2 40,0 0 0 0,0 1 0 0,0 9 2 22,2 Sachbeschädigungen 0 0 0,0 1 0 0,0 1 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 2 0 0,0 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Volksverhetzungen 0 0 0,0 0 0 0,0 2 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 2 0 0,0 Störung des öffentlichen Friedens 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Beleidigungen 3 2 66,7 3 0 0,0 12 3 25,0 0 0 0,0 0 0 0,0 18 5 27,8 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 0 0 0,0 sonstige Straftaten 0 0 0,0 0 0 0,0 1 0 0,0 0 0 0,0 1 0 0,0 2 0 0,0 Summe Gesamt 4 2 50,0 9 2 22,2 25 9 36,0 0 0 0,0 2 0 0,0 40 13 32,5 Anlage 2 zur Kleinen Anfrage 2810 - Präventionshinweise Leere Seite