LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7228 26.08.2019 Datum des Originals: 26.08.2019/Ausgegeben: 29.08.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2817 vom 30. Juli 2019 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/7033 „Wir kriegen euch alle“ – Ehrenamtler im Visier von Rechtsextremisten. Lässt die Landesregierung die Betroffenen allein? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Medienberichten kursieren seit Längerem sogenannte Feindeslisten in rechtsextremen Kreisen. Neben dem NSU sind weitere solcher Listen bei anderen rechtsextremen Gruppierungen gefunden worden. Laut Medienberichten sollen 25.000 Personen auf diesen Listen aufgeführt sein. Eine dieser Gruppen soll darüber hinaus konkrete Handlungen vorbereitet haben. Unter den auf diesen Listen aufgeführten Namen sollen auch kommunalpolitisch Aktive aufgeführt sein. In verschiedenen Medien wird davon berichtet, dass sich Betroffene eingeschüchtert und von den Behörden allein gelassen fühlen. Ob und wie Betroffene informiert würden, hänge demnach von den jeweils zuständigen Behörden ab. Auch die Gefährdungseinschätzung erfolge in den Behörden unterschiedlich. Kommunalpolitische Aktive sowie ehrenamtliche Aktive insgesamt bedürfen die besondere Unterstützung des Staates, für den sie sich in ihrer Freizeit engagieren. Wenn Menschen aufgrund ebendieses Engagements in das Visier von Extremisten geraten, muss eben jener Staat sie schützen. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2817 mit Schreiben vom 26. August 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die statistische Erfassung „Politisch motivierter Kriminalität" (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7228 2 und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Der PMK werden demnach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten. sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben. durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80a-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet. Datenquelle zur Beantwortung der Fragen ist der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen der Politisch motivierten Kriminalität (KPMD-PMK). 1. Wie viele kommunalpolitische Aktive aus NRW stehen auf den besagten Listen von Rechtsextremisten? (bitte nach Kommune und Geschlecht aufschlüsseln) Die Fragestellung ist nicht automatisiert auswertbar und würde eine individuelle Einzelfallprüfung jedes Datensatzes erfordern, die aufgrund der Vielzahl der Datensätze in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar ist. 2. Durch wen wurden die Betroffenen auf welchem Wege informiert? 3. Wie lange nach Kenntnis der Aufführung auf einer der Listen durch die Sicherheitsbehörden des Landes sind die Betroffenen informiert worden? 4. Wie erfolgte die Gefährdungseinschätzung durch die Polizei NRW in diesen Fällen bzw. welche Maßnahmen hat die Polizei ergriffen? Die Fragen 2 bis 4 werden zusammenhängend beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7228 3 Aus den bekannt gewordenen Listen werden zunächst die in Nordrhein-Westfalen wohnhaften Personen oder ansässigen Institutionen herausgefiltert. Anschließend erfolgt durch die zuständigen Kriminalinspektionen Staatsschutz (KI ST) auf Grundlage der jeweiligen Gefährdungsbewertung des Bundeskriminalamts sowie eigener ergänzender Erkenntnisse eine einzelfallbezogene Prüfung. Sofern die Prüfung Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung ergibt, erfolgt immer eine unverzügliche Kontaktaufnahme mit der betroffenen Person oder Institution. Neben einem Gefährdetengespräch werden gefahrenabwehrende Maßnahmen anlassbezogen durchgeführt. Auch Straftaten zum Nachteil von kommunalpolitisch aktiven Personen werden konsequent verfolgt. 5. Welche Beratungsangebote wurden den Betroffenen unterbreitet? Inhalte und Umfang der Beratungen von betroffenen Personen orientieren sich immer am konkreten Einzelfall und dem Informationsbedürfnis der betroffenen Person oder Institution. Das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen hat im Übrigen mit Wirkung vom 26. Juli 2019 die „Zentrale Ansprechstelle zu polizeilichen Sicherheitsfragen für politische Verantwortungsträger“ eingerichtet. Die Ansprechstelle ist organisatorisch beim Lagezentrum der Landesregierung angebunden und rund um die Uhr (24/7) erreichbar. Nach erfolgter Kontaktaufnahme eines betroffenen Verantwortungsträgers mit der Ansprechstelle erfolgt von dort die fernmündliche Unterrichtung der zuständigen Kreispolizeibehörde mit der Bitte um unverzügliche Kontaktaufnahme mit dem Verantwortungsträger, Benennung eines Ansprechpartners sowie Prüfung und ggf. Einleitung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und/oder Strafverfolgung. Im Nachgang zur fernmündlichen Unterrichtung erfolgt zudem die Übersendung eines Erlasses unter nachrichtlicher Beteiligung des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste sowie des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Die Aufgaben der Kreispolizeibehörden in diesem Zusammenhang bleiben unberührt. Seit Jahresbeginn ist infolge des im Januar 2019 bundesweit bekannt gewordenen Twitter Daten-Leaks beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eine Telefon-Hotline für (potentiell) Geschädigte eingerichtet. Darüber hinaus verweise ich auf das seit März 2017 eingeführte Informationsblatt „Präventionshinweise für Personen des öffentlichen Lebens (z. B. Politikerinnen und Politiker)“1, welches auch im Internet veröffentlicht und daher allgemein zugänglich ist. Das Informationsblatt ist als Anlage beigefügt. Betroffene Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker können sich bei Sicherheitsfragen jederzeit auch an die Polizeidienststellen des Landes Nordrhein-Westfalen wenden. 1 https://polizei.nrw/artikel/praeventionshinweise-fuer-personen-des-oeffentliche-lebens Anlage zur Kleinen Anfrage 2817 - Präventionshinweise Leere Seite