LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7315 04.09.2019 Datum des Originals: 04.09.2019/Ausgegeben: 09.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2853 vom 8. August 2019 des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD Drucksache 17/7119 Was hat die Landesregierung bisher unternommen um EU-Austauschprogramme wie Erasmus+ stärker auf Auszubildende auszurichten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Landesregierung „EU-Austauschprogramme wie Erasmus+ zur Stärkung des Europagedankens […] noch stärker auf Auszubildende“ (S. 115) auszurichten und damit die Europakompetenz von Nichtakademikerinnen und -akademikern zu fördern. Außerdem sollen Vergabe und Anerkennung von binationalen Berufsabschlüssen ermöglicht werden (S.116). Das Erasmus+-Programm der Europäischen Union trifft auf ein steigendes Interesse. Waren es im aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen 14,6 Milliarden Euro, die dem Programm zur Verfügung standen, werden von der Kommission eine Verdopplung der Mittel auf 30 Milliarden Euro1 für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 gefordert und vom Europäische Parlament gar eine Mittelverdreifachung auf 41 Milliarden Euro2. Es ist allerdings festzustellen, dass weiterhin vor allem Akademikerinnen und Akademiker von dem Angebot des europäischen Austausches Gebrauch machen. Auslandsaufenthalte von Auszubildenden sind nicht sehr verbreitet. Dem Mobilitätbericht 2017 der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB) kann man entnehmen, dass nur 4,2% der nordrhein-westfälischen Auszubildenden einen Lernaufenthalt im Ausland absolvieren und das, obwohl viele unserer europäischen Nachbarn uns geographisch sehr nah sind. Der Bundestag hat 2013 die Bundesregierung aufgefordert sich dafür einzusetzen, dass bis 2020 mindestens 10% der Auszubildenden während ihrer Ausbildung Auslandserfahrungen 1 https://ec.europa.eu/germany/news/20180530-erasmus_de (letzter Zugriff: 24.07.2019). 2 http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190222STO28402/zukunft-von-erasmus-mehrmoglichkeiten (letzter Zugriff: 24.07.2019). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7315 2 sammeln.3 In ihrer Beantwortung der Kleinen Anfrage 1714 vom 15. November 2018 (Drucksache 17/4598), sagt die Landesregierung, dass auch sie sich nach diesem Ziel richten möchten. In anderen Bundesländern ist die Bereitschaft unter den Auszubildenden für ein Praktikum ins Ausland zu gehen, deutlich höher, so zum Beispiel in Thüringen, Hamburg und Schleswig- Holstein – NRW befindet sich bundesweit im hinteren Mittelfeld. Bei den Auslandsaufenthalten stellt die NA im BIBB fest, dass diejenigen, die mit öffentlichen Fördermitteln finanziert werden, eine deutlich längere Dauer haben, als solche, die selbst finanziert werden müssen. Das unterstreicht ganz eindeutig die Wichtigkeit der Bezuschussung durch die öffentliche Hand. Mit Initiativen wie „Europa – Erleben und Lernen“ möchte die Landesregierung Unternehmen dazu bewegen, ihren Auszubildenden mehrwöchige Auslandsaufenthalte zu ermöglichen – unter Inanspruchnahme von Erasmus+-Mitteln.4 Die Initiative startete Ende März 2019 mit 14 Unternehmen, die die im Rahmen der Initiative vorgelegte Absichtserklärung unterzeichneten. Angesichts der 45.539 Betriebe, die 2018 in Nordrhein-Westfalen ausgebildet haben5, ist diese Zahl kaum der Rede wert. Ob die Initiative also eine reine PR-Maßnahme bleibt, oder ob sie einen nennenswerten Beitrag zur Stärkung der Europakompetenz von Auszubildenden in NRW leisten kann, bleibt abzuwarten. Die Versprechungen der schwarz-gelben Landesregierung bleiben auch knapp zweieinhalb Jahre nach Übernahme der Regierungsgeschäfte unkonkret und die Landesregierung selbst einen Nachweis über deren Verwirklichung oder zumindest die hierzu unternommenen Anstrengungen schuldig. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2853 mit Schreiben vom 4. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Wie viele Auszubildende in Nordrhein-Westfalen haben 2018 und im ersten Halbjahr 2019 einen Lernaufenthalt im Ausland absolviert? (Bitte auflisten nach Geschlecht, Alter und Berufssparten und Ausbildungsort) Valide statistische Daten zur Beantwortung dieser Frage liegen nicht vor, da Auslandsaufenthalte in der Berufsbildung in Deutschland von öffentlichen Programmen wie dem EU-Programm Erasmus+, ProTandem, Deutsch-Französisches Jugendwerk oder Interreg ebenso wie privat und/oder betrieblich sowie von Kammern und Stiftungen finanziert werden. Die Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung hat vor diesem Hintergrund im Jahre 2017 eigens eine Studie in Auftrag gegeben, die auf einer repräsentativen Stichprobe von Abgangs-klassen der Berufsbildung in Deutschland im Jahr 2017 basiert. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass sich bundesweit der Anteil international mobiler Auszubildender in den letzten Jahren deutlich erhöht hat. 3 Deutscher Bundestag, Drucksache 17/10986, S.5. 4 Siehe: https://mbei.nrw/de/initiative-europa-erleben-und-lernen 5 Siehe S. 12, Ausbildungsbericht 2019 der Industrie und Handelskammer in Nordrhein-Westfalen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7315 3 Laut Jahresbericht 2018 der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim Bundesinstitut für Berufsbildung nimmt bei den Mobilitäten innerhalb des Programms ERASMUS+ Nordrhein- Westfalen bundesweit mit 25,4% (2018) aller Teilnehmenden in der beruflichen Bildung eine Spitzenstellung ein. 2. Was unternimmt die Landesregierung, um ihr selbsterklärtes Ziel von 10% Auszubildender mit Auslandserfahrung bis 2020 in den verbleibenden Monaten noch zu erreichen? Die Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen können Schülerinnen und Schülern die Zusatzqualifikation „Internationale berufliche Mobilität“ vergeben und als Schule mit dem Zertifikat „10%-strategisch-beruflich-mobil“ ausgezeichnet werden. Als Voraussetzungen gelten, dass zum einen 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen berufsbezogenen Auslandsaufenthalt wahrnehmen und zum anderen die erweiterten curricularen Standards und strategischen Maßnahmen der Schule in das Schulprogramm aufgenommen werden. Der in Nordrhein-Westfalen entwickelte „Qualitätsrahmen und Leitfaden für Berufskollegs zur Durchführung von Lernaufen-thalten und Praktika im Ausland“ ergänzt diese Strategie um eine qualitative Komponente. Er dient der systematischen, strukturierten und geplanten Durchführung und Evaluation von Mobilitäten und dient damit der Qualitätssicherung. Um die betriebliche Seite zu erreichen, wirbt die Landesregierung bei den Partnern der beruflichen Bildung für die Unterstützung der Mobilität von Auszubildenden und entsprechender Projekte, beispielsweise im Rahmen von Informationsveranstaltungen mit Sozialpartnern und Kammern und im Ausbildungskonsens Nordrhein-Westfalen. Die Industrieund Handelskammern und die Handwerkskammern informieren seit Jahren durch spezielle Mobilitäsberater Auszubildende, Ausbilder und junge Fachkräfte über die Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten während der Ausbildung oder über Auslandspraktika. Aktuell hat sich der Verband Freier Berufe im Lande Nordrhein-Westfalen e. V. auf den Weg gemacht, Auslandsaufenthalte der Auszubildenden in der beruflichen Bildung - unterstützt durch Förderprogramme wie ERASMUS+ - künftig gezielt zu fördern. Darüber hinaus finden fachliche Austausche zwischen der Landes-regierung und Akteuren zur Förderung beruflicher Mobilität wie der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung statt. Die Internetauftritte der Landesregierung zu ERASMUS+ werden künftig um Informationen zu Auslandsaufenthalten für Auszubildende und ihre Betriebe erweitert. 3. Welche Mittel stellt die Landesregierung angesichts der nachgewiesenen Bedeutung öffentlicher Bezuschussung von Auslandsaufenthalten bereit, um die Europakompetenz von Auszubildenden zu stärken? (Bitte auflisten nach Höhe und Bereich) Durch EU-Programme wie ERASMUS+ stehen Mittel zur Verfügungen, die der Bezuschussung von Auslandsaufenthalten dienen. Die Landesregierung stellt keine zusätzlichen Mittel für diesen Zweck bereit. Das Ministerium für Schule und Bildung stellt darüber hinaus Stellen bei den EU- Geschäftsstellen der Bezirksregierungen bereit, um landesweite Fördermaßnahmen für Berufskollegs zu koordinieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7315 4 4. Wie viele Auszubildende werden aktuell bei den an „Europa – Erleben und Lernen“ teilnehmenden Unternehmen ausgebildet und haben damit die Möglichkeit von der Initiative zu profitieren? Der Landesregierung ist es wichtig, Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zu ermuntern, möglichst vielen Auszubildenden eine Zeit im Ausland zu ermöglichen. Dazu hat sie im Frühjahr dieses Jahres in Dortmund ihre Initiative „Europa – Erleben und Lernen“ vorgestellt. Diese stieß auf großes Interesse. Bis Ende August haben sich über 20 Unternehmen bereit erklärt, sich an der Initiative der Landesregierung zu beteiligen. Die Mehrzahl der Unternehmen stammt aus dem Maschinen- und Anlagenbau, einem Sektor, für den die Besetzung aller Ausbildungsplätze eine Herausforderung darstellt. Die Initiative der Landesregierung soll Jugendliche zusätzlich motivieren, sich für dieses Berufsfeld zu entscheiden. Der neue Ausbildungsabschnitt beginnt zum 01.09. bzw. 01.10.2019. Mithin können die Unternehmen noch nicht ermitteln, wie viele Auszubildende das Angebot einer Ausbildungszeit im Ausland in Anspruch nehmen können. 5. Was hat die Landesregierung unternommen, um die Vergabe und die Anerkennung von binationalen Berufsabschlüssen zu ermöglichen? Das Thema binationale Abschlüsse hat vor allem für Grenzregionen wie Aachen besondere Bedeutung. So hat die Handwerkskammer Aachen bereits im Jahre 2006 eigene Vereinbarungen mit niederländischen und belgischen Partnern zu einer "Tridiplomierung" im Ausbildungsberuf "Kfz-Mechatroniker" geschlossen. Ein seither aktuelles Problem ist jedoch das hohe Sprachniveau, das von niederländischer Seite für einen gemeinsam anerkannten Abschluss verlangt wird. Die Landesregierung ist hierzu im Austausch mit der niederländischen Seite. Erfolgreich werden aber seither zwischen Deutschland und Belgien gemeinsam Prüfungen abgenommen, die - bei Erfüllung der Bedingungen - mit dem jeweils belgischen und deutschen Gesellen-brief enden können. Im Jahre 2013 erfolgte eine Ausdehnung auf den Ausbildungsberuf "Friseur".