LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7323 05.09.2019 Datum des Originals: 05.09.2019/Ausgegeben: 10.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2843 vom 8. August 2019 der Abgeordneten Dietmar Bell, Stefan Kämmerling, Josef Neumann und Frank Sundermann SPD Drucksache 17/7109 Aus Entfesselung wird Rechtsunsicherheit für Kommunen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 31.07.2019 äußert Minister Pinkwart, dass „die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage steige, die Zahl der Klagen sinke“. Im gleichen Bericht beschreibt dahingegen der Handelsverband Nordrhein-Westfalen, dass es eine Verunsicherung bei den NRW-Kommunen im Bereich der Sonntagsöffnung gebe. Gleichzeitigt „müsse die Landesregierung nachbessern“. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 2843 mit Schreiben vom 5. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung In dem von einer Gewerkschaft angestrengten Normenkontrollverfahren gegen eine Rechtsverordnung der Gemeinde Eching (Bayern) zur Freigabe verkaufsoffener Sonn- und Feiertage aus Anlass von Märkten bejahte das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. November 2015 erstmals die Antragsbefugnis einer Gewerkschaft nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für einen Normenkontrollantrag gegen eine gemeindliche Rechtsverordnung, die gestützt auf § 14 LadSchlG eine Öffnung von Verkaufsstellen aus Anlass eines Marktes an einem Sonn- oder Feiertag zulässt (BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 – 8 CN 2/14 –, BVerwGE 153, 183-192). Dieses Urteil hat erhebliche Wirkung auf die Rechtsprechung zum Ladenöffnungsgesetz (LÖG NRW) entfaltet. Auch die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte und das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7323 2 Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster anerkennen seither die Antrags- und Klagebefugnis der Gewerkschaften, wenn diese geltend machen, durch die angegriffenen Bestimmungen einer umstrittenen Rechtsverordnung in ihren Rechten verletzt zu sein. Seit 2016 sind deshalb in Nordrhein-Westfalen vermehrt Gerichtsverfahren gegen kommunale Rechtsverordnungen zur Festsetzung verkaufsoffener Sonn- und Feiertage zu verzeichnen. Die Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung zur Freigabe von Verkaufsstellenöffnungen an Sonn- oder Feiertagen konnte bis Ende 2018 in der Hauptsache im Wege einer gegen den Normgeber gerichteten Feststellungsklage geklärt werden. Vorläufiger Rechtsschutz war bis Ende 2018 für derartige Feststellungsbegehren im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu gewähren. Zum 1. Januar 2019 wurde durch § 109a Justizgesetz (JustG NRW) in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle gegen das gesamte untergesetzliche Landesrecht eingeführt. Seitdem können ordnungsbehördliche Verordnungen über verkaufsoffene Sonn- und Feiertage in der Hauptsache nur noch nach § 47 Abs. 1 VwGO und damit erstinstanzlich vor dem OVG Münster angegriffen werden; einstweiliger Rechtsschutz ist seither im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zu gewähren. Rechtsmittel sind im Eilverfahren nicht zulässig. Allerdings kann ein unterlegener Antragsgegner beantragen, dass der Antragsteller ein Normenkontrollverfahren durchführt. Bei den nachstehenden Antworten zu den Fragen 1, 2 und 5 handelt es sich nicht um Daten einer amtlichen Statistik. Kommunen sind nicht verpflichtet, ihre verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage und Verfahren, die gegen ihre Rechtsverordnungen zu verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertagen angestrengt und durchgeführt werden, zu melden. Die nachstehenden Antworten zu den Fragen 1, 2 und 5 beruhen deshalb auf solchen Informationen, die die Landesregierung durch eigene Recherchen, freiwillige Unterrichtung durch die Kommunen oder deren freiwillige Beiträge zu jährlichen Statistikerhebungen über die Zahl der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage erhalten hat. 1. Wie hat sich die Zahl der gerichtlichen Verfahren zu verkaufsoffenen Sonntagen seit 2016 entwickelt? (bitte nach Jahr und Hauptsacheverfahren/einstweiligem Rechtsschutz aufschlüsseln) Nach Informationen der Landesregierung hat sich die Zahl der Verfahren, in denen ein Gerichtsbeschluss zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen vorliegt, seit 2016 wie folgt entwickelt: 2016 2017 2018 2019 (Stand: 15.08.2019) Einstweiliger Rechtsschutz * 13 27 46 5 Hauptsachev erfahren* 0 1 0 1 Insgesamt* 13 28 46 6 * Erläuterung: Liegt zu einem verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag sowohl ein Beschluss im Vorläufigen Rechtsschutzverfahren bei einem Verwaltungsgericht als auch beim OVG Münster vor, so sind diese Beschlüsse als ein Verfahren erfasst. Verfahren im Vorläufigen Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren sind getrennt erfasst. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7323 3 2. Wie viele Verfahren davon sind für die Kommunen verloren gegangen? (bitte nach Jahr und Hauptsacheverfahren/einstweiligem Rechtsschutz aufschlüsseln) Nach Informationen der Landesregierung hat sich die Zahl der Verfahren, in denen ein Gerichtsbeschluss zu verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen zu Lasten einer Kommune vorliegt, seit 2016 wie folgt entwickelt: 2016 2017 2018 2019 (Stand: 15.08.2019) Einstweiliger Rechtsschutz * 13 (100 Prozent) 23 (85,2 Prozent) 37 (80,4 Prozent) 2 (40 Prozent) Hauptsachev erfahren* 0 1 0 0 Insgesamt* 13 24 37 2 * Erläuterung: Liegt zu einem verkaufsoffenen Sonn- oder Feiertag sowohl ein Beschluss im Vorläufigen Rechtsschutzverfahren bei einem Verwaltungsgericht als auch beim OVG Münster vor, so sind diese Beschlüsse als ein Verfahren erfasst. Verfahren im Vorläufigen Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren sind getrennt erfasst. 3. Wie bewertet die Landesregierung die Aussage des Handelsverbandes, wonach die Landesregierung nachbessern müsse? Die Landesregierung ist im regelmäßigen Austausch mit dem Handelsverband und hat seine diesbezügliche Aussage zur Kenntnis genommen. Sie sieht keinen Nachbesserungsbedarf beim LÖG NRW. 4. Was beabsichtigt die Landesregierung zu unternehmen, um den NRW-Kommunen mehr Rechtssicherheit zu geben? Nach Einschätzung der Landesregierung findet das neue Ladenöffnungsgesetz mittlerweile eine gute Anwendung in den Kommunen. Dazu tragen auch die Anwendungshilfe des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie für die Kommunen und den Handel im Umgang mit dem neugefassten § 6 LÖG NRW, die regelmäßig an die aktuelle Rechtsprechung angepasst wird und die Informations- und Austauschveranstaltungen für die örtlichen Ordnungsämter und die Kreisordnungsbehörden bei. Auch das Ergebnis des ersten Hauptsacheverfahrens zum neuen LÖG NRW, das das OVG Münster am 17. Juli 2019 zu Gunsten der Stadt Mönchengladbach entschieden hat, hat die Rechtssicherheit weiter erhöht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7323 4 5. Wie hat sich die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage seit 2016 entwickelt? (bitte nach Jahren aufschlüsseln) Nach Informationen der Landesregierung hat sich die Zahl der verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage seit 2016 wie folgt entwickelt: 2016 2017 2018 2019* 1.627 1.380 1.298 1.317 * Erläuterung: bereits beschlossene und noch geplante verkaufsoffene Sonn- und Feiertage (Stand: 31.05.2019)