LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7333 05.09.2019 Datum des Originals: 05.09.2019/Ausgegeben: 10.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2846 vom 8. August 2019 des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD Drucksache 17/7112 Was hat die Landesregierung bisher unternommen, um die Europafähigkeit der nordrhein-westfälischen Kommunen zu stärken? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Landesregierung, die Europakompetenzen der Bürgerinnen und Bürger zu stärken (siehe S. 115 und 116). So soll die „Idee der europäischen Einigung in der nordrhein-westfälischen Zivilgesellschaft“ fester verankert werden. Darüber hinaus stellen die Koalitionsparteien in Aussicht, mehr Landesmittel zur Ko- Finanzierung von EU-Programmen bereitzustellen und parallel dazu die Dauer von Förderentscheidungen zu reduzieren. In ihren europapolitischen Prioritäten für das Jahr 2019 definiert die Landesregierung außerdem die „[besondere] Einbeziehung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen“ als ein weiteres Ziel ihrer europapolitischen Aktivitäten (siehe S. 20). Als kleinstes und am nächsten am Menschen verortetes Glied innerhalb des europäischen Mehrebenensystems spielt die Kommune eine zentrale Rolle bei der Vermittlung europäischer Werte und Ideen. Darüber hinaus wird eine Vielzahl von EU-Projekten und Programmen erst auf kommunaler Ebene für Menschen konkret und erlebbar – vor allem auch für Menschen ohne akademischen Hintergrund. Unlängst haben nicht nur kommunale Verbände Vorschläge für eine bessere Einbindung der Kommunen innerhalb des europäischen Mehrebenensystems gemacht (siehe „Positionspapier der Metropole Ruhr zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zu den Ausgabenprogrammen 2021-2027“ des RVR und „Kommunale Forderungen für die zukünftige Kohäsionspolitik der EU“ des RGRE). Auch die Europäische Kommission hat sich diesem Thema im Zuge der Einsetzung der „Taskforce Subsidiarität“ angenommen. Aus den Impulsen und Forderungskatalogen dieser Akteure wird klar: Eine effektive Stärkung der Europakompetenz der Bürgerinne und Bürger kann nicht nachhaltig stattfinden, ohne auch die Rolle der Kommunen innerhalb des europäischen Mehrebenensystems zu stärken. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7333 2 Leider finden sich keine konkreten Vorhaben für eine Stärkung der Europafähigkeit der nordrhein-westfälischen Kommunen innerhalb des Koalitionsvertrages wieder. Auch grundsätzlich bleiben eine Vielzahl von Versprechungen der schwarz-gelben Landesregierung auch knapp zweieinhalb Jahre nach Übernahme der Regierungsgeschäfte unkonkret und die Landesregierung selbst einen Nachweis über deren Verwirklichung oder zumindest die hierzu unternommenen Anstrengungen schuldig. Der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales hat die Kleine Anfrage 2846 mit Schreiben vom 5. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Welche Maßnahmen gibt es in den nordrhein-westfälischen Gemeinden und Kommunen zur Stärkung der Europakompetenz der Bürgerinnen und Bürger? (Bitte nach Städten und Gemeinden auflisten) Kommunen und zivilgesellschaftliche Akteure führen vielfältige und innovative Projekte, Initiativen und Veranstaltungen zur Stärkung der Europakompetenz der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen durch. Dies geschieht etwa auf Basis städtepartnerschaftlicher Arbeit oder durch die Mitwirkung in europäischen Projekten und Netzwerken. Die Kommunen und zivilgesellschaftlichen Akteure sind sehr wichtige Akteure der europapolitischen Kommunikation, sie orientieren ihre Aktivitäten nah an den Bedürfnissen der Bevölkerung vor Ort. Es ist der Landesregierung daher ein Anliegen, dieses Engagement zu ehren und zu ermuntern. Dies geschieht etwa durch die Auszeichnungen „Europaaktive Kommune“ und „Europaaktive Zivilgesellschaft“ und Wettbewerbe wie etwa die „Europawoche“ und „Europa bei uns zuhause“. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung steht es den Kommunen frei, mit welchen Angeboten sie auf ihre Bürgerinnen und Bürger zugehen. Die Landesregierung führt jedoch keine Übersichten über Maßnahmen der Kommunen zur Stärkung der Europakompetenz der Bürgerinnen und Bürger. 2. Welche Pläne der Landesregierung gibt es, Kommunen bei der EU- Fördermittelbeantragung, beispielsweise durch einen stärkeren Fokus auf die Einsetzung, Vernetzung und Unterstützung von Europabeauftragten in Zukunft bedarfsgerechter zu unterstützen? Regionalagenturen, unterschiedliche für das Land tätige Dienstleister und auch die Bezirksregierungen stehen in engem Kontakt zu Antragstellern und können damit individuell beraten. Des Weiteren werden Informationsveranstaltungen angeboten, um insgesamt eine breite Angebotsstruktur für Interessenten und Antragsteller zu bieten, die auch die Kommunen nutzen können. Die EU-Beauftragten der Kommunen werden im Rahmen von regelmäßigen Treffen und Informationen generell über europäische Themen und damit auch die Entwicklungen im Förderbereich informiert. Zudem organisiert die Landesregierung gemeinsam mit der Europäischen Kommission Besuche der EU-Beauftragten der Kommunen in Brüssel. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7333 3 3. Inwieweit plant die Landesregierung den Forderungen der nordrheinwestfälischen Kommunen, etwa in Bezug auf die Möglichkeit nach einer Anrechnung von Personalkosten als kommunaler Ko-Finanzierungsbeitrag oder eine frühzeitigere Einbeziehung der kommunalen Ebene in die Erstellung der Operationellen Programme entgegenzukommen? Die Kommunen werden wie alle anderen Akteure auch frühzeitig bei der Erstellung der neuen Operationellen Programme mit einbezogen. Darüber hinaus sind die Kommunen über ihre Vertretungen unmittelbar an der Programmsteuerung und -entwicklung der neuen Programme für Nordrhein-Westfalen durch die jeweiligen Begleitausschüsse beteiligt. Weiterhin bieten öffentliche Konsultationen die Möglichkeit für die Kommunen, sich inhaltlich einzubringen. Personalausgaben können ganz oder teilweise den Eigenanteil abdecken, soweit sie zuwendungsfähig sind. 4. Wer gehört den vor dem Hintergrund ihrer europapolitischen Prioritäten für 2019 definierten „sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen“ an (bitte aufschlüsseln nach Alter, Bildungsabschluss, Geschlecht und Wohnort). 5. Mit welchen Maßnahmen möchte die Landesregierung die Europakompetenz dieser Gruppen messbar steigern? Die Fragen 4. und 5.werden gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung hat es sich zur Aufgabe ihrer europapolitischen Kommunikation gemacht, noch stärker als bisher Bevölkerungsgruppen zu erreichen, die nicht bereits mit dem Europagedanken aufgewachsen sind oder in ihrem Umfeld bislang kaum oder keine Berührungspunkte mit Europa hatten. Durch breit gefächerte Kommunikationsmaßnahmen zu Europa sollen diese Bevölkerungsgruppen angesprochen werden, um die Sichtbarkeit europäischer Zusammenhänge und deren Bezüge zum täglichen Leben in Nordrhein- Westfalen zu verdeutlichen. Ziel ist es, möglichst allen Menschen in Nordrhein-Westfalen mehr Teilhabe an Europa zu ermöglichen. Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sollen dabei besonders mit einbezogen werden. Eine Kategorisierung nach Alter, Bildungsabschluss, Geschlecht und Wohnort wird nicht vorgenommen. Maßnahmen der Landesregierung zur Steigerung der Europakompetenz sind beispielsweise offene und niedrigschwellige Formate wie die Wettbewerbe „Europawoche“ und „Europa bei uns zuhause“, die sich durch einfache Antragsverfahren und geringe Ko- Finanzierungspflichten für die Antragsteller auszeichnen. Die Landesregierung hat gemeinsam mit dem Landtag durch das Projekt „Juniorwahl“ mehrere hundert Schulen nahezu aller Schulformen mit dem Thema Europa erreicht. Zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern wie etwa den Europe Direct Informationszentren und Akteuren der Zivilgesellschaft sind zudem vor der Europawahl gezielt gemeinsame Veranstaltungs-formate für Berufsschülerinnen und -schüler sowie Seniorinnen und Senioren durchgeführt worden. Auch Simulationen des Europäischen Parlaments gehörten dazu. Die Landesinitiative „Europa erleben und lernen“ setzt sich dafür ein, dass Auszubildende mittelständischer Unternehmen dabei unterstützt werden, im Ausland Europakompetenzen zu sammeln und auszubauen. Moderne, niedrigschwellige und digitale Formate der Landesregierung, wie die Broschüre „12 gute Gründe für Europa“ sowie die 360 Grad Video- App „VR Europe: Let’s vote NRW“ informieren interaktiv über europäische Themen. Sie unterstützen damit gezielt die europapolitische Bildungsarbeit. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7333 4 In den Bewerbungen für die Auszeichnung als „Europaaktive Kommune“ ist seit 2019 der Nachweis zu erbringen, dass die Europaarbeit der regional aktiven Zivilgesellschaft unterstützt wird und dabei auch Bevölkerungsgruppen erreicht werden, in deren Alltag die Auswirkungen der Europapolitik weniger wahrgenommen werden. Die Einbindung aller Teile der Bevölkerung in ein lebendiges und zukunftsfähiges Europa wird weiterhin Ziel der Bemühungen der Landesregierung sein.