LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7352 09.09.2019 Datum des Originals: 09.09.2019/Ausgegeben: 12.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2868 vom 15. August 2019 der Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt SPD Drucksache 17/7166 Was unternimmt die Landesregierung zur Sicherung des Fortbestandes von Kleinstbetrieben sowie ihrer Ausbildungsplätze? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Alljährlich veröffentlicht unter anderem das IfM die Ausbildungszahlen. Dabei zeigt sich zwar kontinuierlich, dass die Mehrzahl der Auszubildenden in Betrieben mit weniger als 500 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten einen Ausbildungsplatz findet. Allerdings ist ein gegenläufiger Trend bei den Kleinstbetrieben festzustellen, hier ist die Zahl der Auszubildenden rückläufig. Dieser Trend ist nicht nur arbeitsmarktpolitisch von Interesse, sondern auch aus wirtschaftspolitischer Sicht. Der fehlende Nachwuchs in Kleinstbetrieben gefährdet auf Dauer den Fortbestand derselben, denn die Gewinnung von potenziellen Nachfolgern basiert nicht zuletzt auf der Kenntnis der besonderen Situation in Kleinstbetrieben. Diese Kenntnis wird am ehesten durch die Ausbildung und Beschäftigung in diesen Betrieben gewonnen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 2868 mit Schreiben vom 9. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. 1. Welche Unterstützungsprogramme für Kleinstbetriebe hat die Landesregierung aufgelegt bzw. beabsichtigt sie aufzulegen? Die Landesregierung stellt über die landeseigene NRW.BANK grundsätzlich jedem mittelständischen Unternehmen Beratungs- und Finanzierungsprodukte für unterschiedliche betriebliche Anlässe und Zielrichtungen zur Verfügung. Kein Erfolg versprechendes Vorhaben soll an der Finanzierung scheitern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7352 2 Darüber hinaus werden zum Beispiel Handwerksbetriebe, hier haben rund die Hälfte aller Betriebe weniger als fünf Beschäftigte, durch die Meistergründungsprämie NRW gefördert. Ein weiteres Förderinstrument der Landesregierung, das zur Unterstützung von Kleinen und Mittelständischen Unternehmen eingeführt wurde, ist die Potentialberatung. Damit können KMU Betriebe eine finanzielle Unterstützung für eine Beratung entlang der fünf Themenbereiche Arbeitsorganisation, Qualifizierungsberatung und Kompetenzentwicklung, Demografischer Wandel, Digitalisierung und Gesundheit durch das Land Nordrhein-Westfalen erhalten. Betriebe können mithilfe der Potentialberatung ihre Stärken und Schwächen beteiligungsorientiert ermitteln und gemeinsam an betriebsspezifischen Lösungen arbeiten. Informationen und eine Beratung zum Förderprogramm gibt es bei den zugelassenen Beratungsstellen. Diese Beratungsstellen führen eine fachliche Beratung durch und geben eine Stellungnahme zum geplanten Beratungsvorhaben ab. Bei positiver Stellungnahme wird ein Beratungsscheck ausgestellt, um mit der Potentialberatung NRW beginnen zu können. Innerhalb von 36 Monaten kann ein Unternehmen bis zu 10 Beratungstage in Anspruch nehmen. Pro Beratungstag sind 50% der tatsächlichen Kosten, höchstens jedoch 500 € erstattungsfähig. Ein besonderer Fokus im Rahmen der Potentialberatung wird auf das Thema Qualifizierung gelegt. Daher wird seit April 2017 im Rahmen der Potentialberatung die Qualifizierungsberatung angeboten. Nur qualifiziertes Personal ist flexibel einsetzbar und in der Lage, betriebliche Veränderungen aktiv mitzugestalten. Systematische Weiterbildung ist ein wesentliches Element einer zukunftsfähigen Personalentwicklung. Qualifizierungsberatung verknüpft die unternehmerischen Modernisierungsziele mit der passenden Qualifizierungsstrategie und bedeutet: • Stärken und Schwächen bei der Personalentwicklung mit Blick auf die Unternehmensentwicklung analysieren • Die Beschäftigten einbeziehen, denn es geht um ihre Kompetenzentwicklung • Einen Plan für ein mitarbeiterorientiertes Qualifizierungsmanagement entwickeln • Informationen für eine vorausschauende Personalentwicklung vermitteln 2. Mit welchen Maßnahmen kann die Landesregierung künftige Auszubildende zum Abschluss eines Ausbildungsvertrages in einem Kleinstbetrieb motivieren? Eigene Maßnahmen der Betriebe sind vorrangig wichtig, um die eigene Sichtbarkeit und Attraktivität für Auszubildende zu erhöhen. Darüber hinaus sind soweit erforderlich gemeinsam mit Kammern, Innungen und Berufsverbände abgestimmte flankierende Maßnahmen sinnvoll, um grundsätzlich die Bereitschaft der Jugendlichen zu erhöhen, eine berufliche Ausbildung zu beginnen Die Landesregierung unterstützt mit unterschiedlichen Maßnahmen zur Förderung der Bildungsinfrastruktur Betriebe bei der Ausbildung und trägt so auch dazu bei, dass Kleinstbetriebe attraktive Ausbildungsbetriebe sein können. Überbetriebliche Bildungszentren übernehmen vor allem für Klein- und Kleinstbetriebe eine wichtige Rolle als ergänzender LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7352 3 Lernort in der Aus- und Weiterbildung. Die Landesregierung fördert Investitionen in die technische Ausstattung und die bauliche Modernisierung von überbetrieblichen Bildungszentren im Rahmen des Modernisierungspaktes Berufliche Bildung. Auch die in den Bildungszentren durchgeführten überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen in Handwerk und Industrie werden gefördert. Sie tragen dazu bei, die Ausbildungsfähigkeit von Kleinst- und Kleinbetrieben zu sichern und leisten einen Beitrag zu qualitativ hochwertiger dualer Ausbildung. Mit dem ESF-Förderprogramm Verbundausbildung wird Unternehmen zudem die Möglichkeit eingeräumt eine finanzielle Unterstützung zu erhalten, wenn sie die Ausbildung nur im Verbund durchführen können. 3. Welche strukturellen Probleme können Ursachen für den Rückgang an Ausbildungsverträgen mit Kleinstbetrieben sein und wie will die Landesregierung diesen begegnen? Die Hauptursache für die rückläufige Ausbildungsbeteiligung sind mangelnde Bewerberzahlen (IfM Bonn 2014). Da Kleinstbetriebe häufig nur einen einzigen Ausbildungsplatz besetzen, führt die Nichtbesetzung dazu, dass sie aus der Ausbildungsplatzstatistik herausfallen. Kleinstbetriebe sind für gut qualifizierte Ausbildungsplatzbewerber häufig weniger attraktiv als größere Betriebe. Ursachen hierfür sind unter anderem, dass Kleinstbetriebe häufig Ausbildungen in weniger beliebten technisch-gewerblichen Berufen anbieten, geringere Ausbildungsvergütungen zahlen als größere Betriebe und häufig auch anschließend schlechtere Verdienstmöglichkeiten bieten als größere Betriebe. Dies trägt dazu bei, dass Kleinstbetriebe schlechter qualifizierte Bewerber für Ausbildungsplätze anziehen, was es den Betrieben erschwert, geeignete Kandidaten für sich zu gewinnen. Demnach liegt ein Passungsproblem vor. Zudem sind Veränderungen im Berufswahlverhalten junger Menschen festzustellen. Die Zahl junger Menschen mit Abitur stieg im Jahr 2018 um 16.000 (3,4%). Sie entschieden sich häufiger für eine akademische Ausbildung als für eine duale Berufsausbildung. Abiturienten, die sich für eine berufliche Ausbildung entscheiden, interessieren sich in erster Linie für kaufmännische bzw. sekundäre Dienstleistungsberufe und weniger für Produktionsberufe, wovon besonders das Handwerk betroffen ist. Mit der Initiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ hat die Landesregierung eine umfassende Berufsorientierung etabliert, mit der die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung sichtbar gemacht wird. Die zunehmende Bedeutung neuer bzw. alternativer Ausbildungswege ist eine weitere strukturelle Ursache für den Rückgang von Ausbildungsverträgen in Kleinstunternehmen. Für Kleinstunternehmen kann ein Duales Studium aufgrund der zeitlichen Gestaltung der Ausbildung (Blockstudium, d.h. lange Abwesenheit aus dem betrieblichen Alltag) weniger geeignet sein. Mehr als ein Drittel derjenigen, die eine Ausbildung anfangen, schließen einen schulischen Ausbildungsvertrag ab. Insbesondere bei der Ausbildung in Gesundheits- und Sozialberufen ist aufgrund des demographischen Wandels die Nachfrage gestiegen. Kleinstbetriebe müssen besondere Anstrengungen vornehmen, um ihre Sichtbarkeit und Attraktivität zu erhöhen. Eine solche Unterstützung ist in erster Linie Aufgabe der jeweiligen Kammern, Innungen und Berufsverbände. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7352 4 4. Besteht von Seiten der Landesregierung Interesse an Kleinstbetrieben bzw. wie bringt sie dieses zum Ausdruck? Die über 700.000 mittelständischen Unternehmen sind das wirtschaftliche Fundament Nordrhein-Westfalens, darunter viele Klein- und Kleinstbetriebe. Rund 99,5% aller Unternehmen in Nordrhein-Westfalen zählen zum Mittelstand. Über die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind in mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Die Landesregierung verfolgt das klare Ziel, allen mittelständischen Unternehmen, insbesondere Klein- und Kleinstbetrieben, in Nordrhein-Westfalen unter anderem in Fragen der Ausbildung und Fachkräftebedarf, Finanzierung, Innovation und Digitalisierung sowie bürokratischen Entlastung bestmögliche Rahmenbedingungen zu ermöglichen.