LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7406 12.09.2019 Datum des Originals: 12.09.2019/Ausgegeben: 18.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2861 vom 14. August 2019 der Abgeordneten Heike Gebhard und Sebastian Watermeier SPD Drucksache 17/7146 Lehrerversorgung an Gelsenkirchener Schulen sichern und stärken! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat in der Sitzung am 23. Mai 2019 die Resolution zur Lehrerversorgung an Gelsenkirchener Schulen einstimmig verabschiedet. In der Resolution fordert der Stadtrat die Landespolitik auf, ein Sofortprogramm für alle Schulen ohne bürokratische Hürden und ohne übermäßigen Aufwand, analog zu den Talentschulen, aufzulegen. Zur Priorisierung sollte der schulscharfe Sozialindex dienen. Des Weiteren wird vorgeschlagen, dass der Gesetzgeber als Beispiel im § 55 LBesG NRW „Stellenzulagen für Lehrkräfte“ um den Passus „Lehrkräfte in Brennpunktregionen“ ergänzen könnte. Lehrkräfte, die in einer Brennpunktregion eingesetzt werden, sollen dann eine ruhegehaltfähige Zulage erhalten. Als weiteres Beispiel wird die Änderung des Lehrereinstellungsverfahrens genannt. Dieses könnte bei dem landesweiten Listenverfahren aufgestockt und durch einen schulscharfen Sozialindex ergänzt werden. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 2861 mit Schreiben vom 12. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet. 1. Wie positioniert sich die Landesregierung zur Resolution der Stadt Gelsenkirchen? Die Landesregierung hat die Resolution der Stadt Gelsenkirchen zur Kenntnis genommen. Das Ministerium für Schule und Bildung hat für die Landesregierung umfassend geantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7406 2 2. Wie bewertet die Landesregierung die Auferlegung eines Sofortprogramms zur Sicherung und Stärkung der Lehrerversorgung an Schulen, das sich nach dem schulscharfen Sozialindex orientiert? Die Landesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, im Bereich der Lehrerkräfteversorgung eine verlässliche Lehrerversorgung für das ganze Land sicherzustellen. Mit den bereits vorgestellten Maßnahmenpaketen zur Sicherstellung der Lehrerversorgung (s. www.bildungsportal.nrw.de) sind aufbauend auf einer neuen aktuellen Prognose zum Lehrerbedarf verschiedene Maßnahmen geprüft, entwickelt und weitgehend umgesetzt worden. Dies sind fünf Maßnahmen aus dem ersten Maßnahmenpaket (erweiterter Einsatz von Oberstufenlehrkräften an Grundschulen, Erweiterung des Seiteneinstiegs an Grundschulen, neue Studienplätze, umfangreiche Image- und Werbekampagne für den Schuldienst, privilegierte Ausschreibungen) und sechs Maßnahmen aus dem zweiten Maßnahmenpaket (Erweiterung des Kreises potentielle Lehrkräfte im Seiteneinstieg, Informationsveranstaltungen mit Einstellungsperspektiven, erleichterter und verlängerter Erwerb weiterer Lehramtsbefähigungen mit Verbeamtungsperspektiven, Verlängerung finanzieller Anreize für Pensionärinnen und Pensionäre, erweiterter Einsatz von Oberstufenlehrkräften für die Sekundarstufe I, zusätzliche Stellen für Oberstufenlehrkräfte an Gesamtschulen). Die Resolution der Stadt Gelsenkirchen spricht sich für eine Priorisierung der Sofortmaßnahmen im Schulbereich nach einem schulscharfen Sozialindex aus. Die Landesregierung hat die Anzahl der Stellen, die nach dem Kreissozialindex verteilt werden in den Bereichen Stellen gegen Unterrichtsausfall, Stellen für Multiprofessionelle Teams, Stellen für Sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase der Grundschulen und Integration seit 2017 von 1.346 auf 4.510 erhöht. Der Sozialindex misst die soziale Belastung von einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten und basiert auf vier soziodemografischen Merkmalen: Arbeitslosenquote, Sozialhilfequote, Migrationsquote und dem Anteil der Wohnungen in Einfamilienhäusern. Er wird regelmäßig aktualisiert und drückt die soziale Belastung eines Kreises bzw. einer kreisfreien Stadt auf einer Skala von 0 (keine Belastung) bis 100 (höchste Belastung) aus. Aktuell ist die Qualitäts- und Unterstützungsagentur - Landesinstitut für Schule NRW (QUA- LiS) beauftragt, mit wissenschaftlicher Begleitung einen Schulsozialindex zu entwickeln, der es erlaubt, die jeweilige soziale Belastung der einzelnen Schule zu bewerten. Mit einem solchen Schulsozialindex wäre eine weitergehende Steuerung bis auf die Ebene der einzelnen Schule möglich. Dies hätte den Vorteil, dass die obere und untere Schulaufsicht neben den vorhandenen Vor-Ort-Kenntnissen auch einen schulscharfen Sozialindex bei der Verteilung der Stellen an die einzelnen Schulen berücksichtigen könnte. Die Landesregierung wird, wenn dieser Schulsozialindex vorliegt, unter Beteiligung der oberen und unteren Schulaufsicht entscheiden, ob und in welcher Schrittigkeit ein Schulsozialindex künftig bei der Zuweisung von Lehrerstellen eingesetzt werden kann. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7406 3 3. Wie betrachtet die Landesregierung die Ergänzung im § 55 LBesG NRW um den Passus „Lehrkräfte in Brennpunktregionen“? Das Ministerium für Schule und Bildung prüft, wie die besoldungsrechtlichen und tarifrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, um Bewerberinnen und Bewerber mit Lehramtsbefähigung durch finanzielle Anreize zu motivieren, ausgeschriebene Stellen an unterversorgten Schulen zu besetzen. 4. Wie bewertet die Landesregierung eine Änderung des Lehrereinstellungsverfahrens, a. bei dem das landesweite Listenverfahren aufgestockt und durch einen schulscharfen b. Sozialindex ergänzt werden würde? Nordrhein-Westfalen bietet über eine Kombination aus Listenverfahren und Ausschreibungsverfahren den Schulen die Möglichkeit, Lehrkräfte zu gewinnen. Lehrkräfte haben die Möglichkeit der Bewerbung auf ausgeschriebene Stellen in Nordrhein-Westfalen. Nach Abschluss ihres Vorbereitungsdienstes, jeweils mit Ablauf des 30.4. und 31.10. des Jahres, bietet das Land den Lehramtsbewerberinnen und Lehramtsbewerbern eine nahtlose Anschlussbeschäftigung an. Es wird alles versucht, die in NRW ausgebildeten Lehrkräfte auch in Nordrhein-Westfalen zu halten. Weit vor den Einstellungsterminen und jeweils vor der Veröffentlichung von Ausschreibungen wird ein vorgezogenes Listenverfahren durchgeführt, um insbesondere schwerer zu versorgende Regionen und Schulen vorrangig mit Lehrkräften zu bedienen. Das vorgezogene Listenverfahren bietet den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern schon vor Abschluss ihres Vorbereitungsdienstes die Sicherheit einer Anschlussbeschäftigung. Voraussetzung ist das Bestehen der Staatsprüfung. In der Regel erhalten alle Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter mit einer Lehramtsbefähigung für die Grundschule und für die sonderpädagogische Förderung, die einen Wunsch für eine schwerer zu versorgende Region angeben, ein Einstellungsangebot. Erst nach dem vorgezogenen Listenverfahren veröffentlichen die Schulen ihre Stellenausschreibungen. Auf diese Ausschreibungen können sich ausgebildete Lehrkräfte aus Nordrhein-Westfalen und aus anderen Bundesländern bewerben. Soweit die Schulen dies wünschen, können sie mit ihrer Ausschreibung auch Lehrkräfte mit einer anderen Lehramtsbefähigung (z.B. Lehramtsbefähigung für Gymnasien und Gesamtschulen an Grundschulen) oder auch Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ohne lehramtsbezogenen Hochschulabschluss ansprechen. Auch nach den Ausschreibungsverfahren werden weitere Listenverfahren durchgeführt, um Lehrkräfte, die bisher noch kein Einstellungsangebot erhalten haben, oder Lehrkräfte aus anderen Bundesländern, die nicht rechtzeitig zum Auswahlverfahren ihre Unterlagen nachreichen konnten, zu gewinnen. Die Annahme, dass eine Beschränkung auf das Listenverfahren Lehrkräfte zwingen würde, ein Einstellungsangebot anzunehmen, das nicht ihren Wünschen entspricht, ist unrealistisch. Es führt dazu, dass Lehrkräfte sich nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten, z. B. in der freien Wirtschaft, umsehen und auch ggfs. Angebote anderer Bundesländer annehmen. Die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7406 4 Erfahrung hat gezeigt, dass Lehrkräfte ggfs. warten, bis sie ein Angebot an ihrer Wunschschule erhalten, was in der Folge Besetzungsprobleme sogar verschärfen könnte. Darüber hinaus würde ein Verzicht auf das Ausschreibungsverfahren zu Gunsten des Listenverfahrens bedeuten, auf den Personenkreis der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger vollständig zu verzichten. Diese können nicht über das Listenverfahren den Schulen zugewiesen werden, da Schulen im Rahmen der Ausschreibung das Profil für den Seiteneinstieg festlegen und im Rahmen des Auswahlgesprächs eine Bestenauslese treffen müssen. Das Ausschreibungsverfahren muss auch für die Stadt Gelsenkirchen weiterhin genutzt werden. Um die Versorgung an Grundschulen in Gelsenkirchen zu erhöhen, wird insbesondere die Möglichkeit genutzt, Stellen in Schulämtern mit größerem Bewerberpotenzial auszuschreiben und die eingestellten Lehrkräfte zu verpflichten, sich für die Dauer von zwei Jahren nach Gelsenkirchen abordnen zu lassen. Von dieser Maßnahme hat die Stadt Gelsenkirchen seit 2017 mit 40 ausgebildeten Grundschullehrkräften profitiert. Zudem werden für die Stadt Gelsenkirchen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten durch die Bezirksregierung Münster in Absprache mit den entsprechenden Schulen und dem Schulamt genutzt. Dies gilt insbesondere für die Öffnung für Lehrkräfte mit einer anderen Lehramtsbefähigung und für Bewerberinnen und Bewerber im Seiteneinstieg. Sobald Stellen nicht besetzt werden konnten, wurden sie umgehend erneut ausgeschrieben oder in das nächste Listenverfahren gegeben. Über das Ausschreibungsverfahren haben die Schulen zudem die Möglichkeit, ihre Besonderheiten und eigenen Angebote darzustellen, wodurch auch eine besondere Attraktivität gegeben sein kann. Zur Entwicklung eines schulscharfen Sozialindexes siehe Antwort auf Frage 2.