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kleineAnfragen
LANDTAG NORDRHEIN
-
WESTFALEN
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. Wahlperiode
Drucksache
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.09.2019
Datum des Originals:
2
3
.09.2019
/Ausgegeben:
30
.09.2019
Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein
-
Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des
Landtags Nordrhein
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Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884
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2439, zu beziehen. Der
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über das Internet
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Angebot des Landtags Nordrhein
-
Westfalen unter
www.landtag.nrw.de
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage
2
879
vom
21
. August 2019
des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD
Drucksache
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7192
Warum kümmert sich die Landesregierung nicht
darum, soziale Ungleichheit in der
Europäischen Union zu bekämpfen?
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Weder im Koalitionsvertrag der Landesregierung, noch in ihren europapolitischen Prioritäten
für 2018 und 2019, noch in den Schwerpunkten der
Landesregierung zum EMK
-
Vorsitz
Nordrhein
-
Westfalens taucht die soziale Dimension der europäischen Integration als
Schwerpunktbereich auf. Die Landesregierung vernachlässigt so eines der zentralen
Politikfelder, das über die Zukunft des europäischen Integr
ationsprojekts entscheiden wird.
Dabei gibt es auf europäischer Ebene eine Reihe von Initiativen und Beschlüssen, zu deren
Umsetzung entschiedenes Engagement auf regionaler Ebene dringend notwendig wäre.
Die Europäische Kommission hat in den letzten Jahren verstärkt die soziale Dimension
ng der
sozialen Dimension für die Zukunft des Integrationsprojektes heraus. Die so angestoßene
Debatte wurde von den EU
-
Mitgliedstaaten aufgegriffen und mündete 2017 in der
Im Rahmen dieser Pro
klamation bekennt sich die Europäische Union zu einem Paket von 20
Grundsätzen und Rechten, die den Schutz der Bürgerinnen und Bürger garantieren sollen.
Während die ESSR zunächst als Fortschritt auf europäischer Ebene zu bewerten ist, bleibt
ihre endgült
ige Wirkungskraft aber davon abhängig, wie ihre Umsetzung auf den anderen
Ebenen gelingt. Die Europäische Kommission hat im Nachgang zur Proklamation der ESSR
als Teil ihres "Social Fairness Package" im März 2018 eine Mitteilung zur Umsetzung der
ES
SR präs
entiert. Darin betont
sie, dass ihre Implementierung eine "gemeinsame politische
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Verpflichtung und Verantwortung" einer Vielzahl von Akteuren auf unterschiedlichsten Ebenen
ist.
1
Explizit eingeschlossen sind hier auch regionale Akteure (ebd.).
Eine Vielza
hl nichtstaatlicher Akteure, darunter der DGB, spricht sich für eine rasche
Umsetzung der Vorschläge der Kommission aus, etwa in Form von konkreten Aktionsplänen.
2
Von der Landesregierung ist in dieser Hinsicht bedauerlicherweise nichts zu bemerken.
Auch
parlamentarische Initiativen wie den Antrag der SPD
-
Fraktion für eine Stärkung der
grenzüberschreitenden sozialen Zusammenarbeit
3
lehnten CDU und FDP zuletzt ab, trotz des
breiten Zuspruchs von Sachverständigen in einer vorangegangenen Anhörung am
22.03.2
019
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. Als Begründung verweisen die Koalitionsfraktionen
einmal mehr
auf
Kompetenzen
der
Bundesebene,
und
erklären gleichzeitig, bei
zu
starker
grenzüberschreitender sozialpolitischer Absicherung bestünde die Gefahr, dass vor allem
südeuropäische Staate
n ihre Reformbemühungen einstellten
5
.
Der Wille, eigene proaktive Vorschläge für eine bessere grenzüberschreitende sozialpolitische
Zusammenarbeit zu entwickeln ist bei der nordrhein
-
westfälischen Landesregierung nicht
erkennbar.
Auf Nachfrage, warum di
e Landesregierung der sozialen Dimension der Europäischen Union
keinen Stellenwert im Rahmen ihrer europapolitischen Agenda einräumt, ignoriert sie die
bereits vorhandenen vielfältigen Initiativen zur Harmonisierung der europäischen Sozialpolitik
und entzi
eht sich der Diskussion mit der Argumentation, es bedürfe lediglich einer Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit (Vorlage 17/2153). Dass sich soziale Ungleichheit durch Ignorieren
erledigt, hält die SPD
-
Fraktion für eine dürftige Herangehensweise
6
. Sie entspr
icht auch nicht
der Ansage der neu gewählten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die der
gleichen Partei angehört wie der Ministerpräsident und der Europaminister des Landes. In ihrer
Bewerbungsrede als Kommissionspräsidentin hat von der Leyen die
Förderung des sozialen
Zusammenhalts als wichtiges Kernanliegen der EU vorgestellt. Der Kampf gegen die teilweise
hohe Jugendarbeitslosigkeit müsse auf der Agenda der Kommission bleiben; deshalb mache
sie sich für die Fortsetzung der Jugendgarantie stark.
Ebenso zeigte sie sich offen dafür, dass
dass Arbeit sich wieder lohnt. In einer Sozialen Marktwirtschaft sollte jeder Mensch, der Vollzeit
arbeitet, einen Mindestlo
hn erhalten, der ihm einen angemessenen Lebensstandard
D
er Minister für Verkehr
hat die Kleine Anfrage 2
879
mit Schreiben vom 23
. September 2019
namens der Landesregierung
im Einvernehmen mit
d
em
Minister der Finanzen
beantwortet.
1
https://europa.eu/rapid/press
-
release_IP
-
18
-
1624_en.htm
2
https://www.dgb.de/presse/++co++
203b331a
-
ca0d
-
11e7
-
8705
-
52540088cada
3
Siehe Landtag Nordrhein
-
Westfalen, Drucksache 17/4122
4
Siehe z.B.
Landtag Nordrhein
-
Westfalen,
Stellungnahme 17/1285 A06 A01 oder
Landtag Nordrhein
-
Westfalen, Stellungnahme 17/1289
A06 A01
5
Siehe
Landtag Nordrhein
-
Westfalen,
Plenarprotokoll
17/
40
6
https://www.cdu.de/artikel/ursula
-
von
-
der
-
leyen
-
wir
-
muessen
-
kaempfen
-
fuer
-
europa
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1.
Warum
kümmert sich die Landesregierung nicht darum, soziale Ungleichheit in
der Europäischen Union zu bekämpfen?
Die Landesregierung spricht sich dafür aus, dass bei der Weiterentwicklung der Wirtschafts
-
und Währungsunion auch die soziale Dimension der Europä
ischen Union gestärkt wird. Die
soziale Dimension spielt neben den anderen Reformzielen zur Zukunft der Europäischen
Union eine zentrale Rolle. Bei einer Weiterentwicklung der sozialen Dimension ist es aus Sicht
der Landesregierung wichtig, die bestehende
Kompetenzordnung, die mitgliedstaatlichen
Zuständigkeiten sowie die nationalen Bedürfnisse, Leistungsfähigkeiten und Traditionen
angemessen zu berücksichtigen.
2.
Warum teilt die Landesregierung nicht die Auffassung, dass Deutschland sowie
Nordrhein
-
Westfalen von besseren soziale Bedingungen in den Mitgliedstaaten
ebenfalls profitieren werden?
Die Europäische Union bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert
soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz. Diesem Auftrag aus Ar
tikel 3 Absatz 3 EUV fühlt
sich die Landesregierung verpflichtet.
3.
Gedenkt
die
Landesregierung
angekündigte
Vorhaben
der
neuen
Kommissionspräsidentin zu einer europäischen Rahmenrichtlinie für einen
Mindestlohn, eine europäische Arbeitslosenversicherung u
nd bereits vorgelegte
Pläne für Maßnahmen zur Schaffung einer europäischen Arbeitsbehörde und einer
europäischen Sozialversicherungsnummer aktiv zu unterstützen und deren
Umsetzung in NRW voranzutreiben?
Die Gestaltung der Sozialpolitik und der sozialen S
icherungssysteme liegt in der Zuständigkeit
der Mitgliedstaaten. Die Landesregierung wird entsprechende Initiativen der Kommission
begleiten.
4.
Was hat die Landesregierung bisher unternommen, um die ESSR flankierend zu
bundes
-
und europapolitischen Initiat
iven in NRW mit Leben zu füllen?
Die in 2017 verabschiedete Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) und die darin
verankerten 20 Grundsätze sind zwar nicht rechtsverbindlich, dienen jedoch als Kompass für
die arbeits
-
und sozialpolitischen Aktivitäten de
r Mitgliedstaaten. Auch die Landesregierung
orientiert sich hieran im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und rechtlichen Möglichkeiten.
Beispielhaft zu nennen sind:
-
das Ausbildungsprogramm NRW, der Bildungsscheck NRW und die Initiative Wirtschaft &
Arbeit
-
die Initiativen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen (siehe 6. Grundsatz der ESSR
-
die
breit
angelegten
Arbeitsschutzaktionen
unter
anderem
bei
prekären
Arbeitsbedingungen in den Bereichen Paketdienste, Pflege und Fleischindustrien (siehe 10.
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Kinder stärken
-
-
die Landesinitiative gegen Wohnungslosigkeit in Nordrhein
-
5.
Welche Impulse zur Verbesserung der sozialen Konvergenz (in der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit) hat die Landesregierung vorzu
weisen?
Im Rahmen der Zielsetzungen der Europäischen Territorialen Zusammenarbeit wird auch in
die Verstärkung der sozial
-
kulturellen und der territorialen Kohäsion des deutsch
-
niederländischen und des deutsch
-
niederländisch
-
belgischen Grenzgebiets invest
iert, analog
zu der EU 2020
-
-
INTERREG V A
-
Programmen in diesem Bereich Projekte mit Themen wie grenzüberschreitende Arbeit,
Ausbildung und Kultur initiiert, um unter anderem die Chancengleichheit für Einwoh
ner von
Grenzgebieten zu gewährleisten. Auch befassen sich verschiedene Projekte mit
Strukturwandel und Demographie, zum Beispiel mit dem Ziel der Verbesserung der
Lebensqualität und sozialen Zukunftsfähigkeit. Hier sind auch die aus INTERREG V A
gefördert
en Grenzinformationspunkte (GIP) für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen zu
erwähnen, die in Kürze in eine strukturelle Finanzierung überführt werden.
Im Zeitraum 2017 bis 2019 läuft ein unter anderem aus INTERREG und Landesmitteln
finanziertes Statist
ik
-
Projekt zum grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt von IT NRW und dem
niederländischen Centraal Bureau voor de Statistiek (CBS). Hier wird die Datenlage dies
-
und
jenseits der Grenze unter anderem zu folgenden Aspekten ermittelt: Arbeitsangebot, Formen
der
Erwerbstätigkeit, Grenzpendler, Wirtschaftsstruktur, Bevölkerung, Bildung. Weiter
aufgeschlüsselt werden zahlreiche Daten in den entsprechenden Kategorien nach Alter,
Geschlecht, Qualifikation, Staatsangehörigkeit, Wirtschaftssektor. IT NRW und CBS
Niederl
ande stehen in diesem Kontext mit den für Statistik zuständigen Behörden in Belgien
in Kontakt. Im Verlauf des Projekts wurden bereits erste Publikationen mit thematischem
Bezug zur sozialen Dimension erstellt Die hier gewonnenen Erkenntnisse bilden eine
u
nerlässliche Grundlage zur Beurteilung der sozialen Konvergenz im Grenzgebiet. Das
Gesamtergebnis des Projekts wird am 30. Oktober 2019 vorgestellt.