LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 24.09.2019 Datum des Originals: 24.09.2019/Ausgegeben: 30.09.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2872 vom 20. August 2019 des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD Drucksache 17/7178 Was hat die Landesregierung unternommen, um die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden zu verbessern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Ihrem Koaltionsvertrag plädiert die Landesregierung für grenzüberschreitend gedachte innere Sicherheit (S. 116). Sie verspricht in diesem Zusammenhang sich unter stärkerer Einbeziehung der Bundespolizei für eine Verbesserung des Grenzschutzes an den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien einzusetzen, NRW-Verbindungsbeamte zu den niederländischen und belgischen Polizeibehörden zu entsenden und eine „Ermittlungsgruppe zur Bekämpfung von Geldautomaten-Sprengungen sowie im Bereich Einbruchdiebstahl“ einzusetzen. Außerdem sollen Einsätze von Polizeibeamten und Landesbediensteten in europäischen Institutionen und internationalen EU-Einsätzen aktiv gefördert werden. Kompetenzen der Polizei bei der Verfolgung von Straftaten jenseits der Grenzen sollen überprüft und gegebenenfalls ausgeweitet werden. Die Landesregierung lässt eine klare Strategie für einen effektiveren Grenzschutz vermissen. Einerseits bekennt sich der Ministerpräsident zu Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union1, andererseits bleibt die Landesregierung intelligente Lösungen für Ausstattung, Vernetzung und Finanzierung für eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizeibehörden bisher schuldig. Dabei geht es nicht nur um ein effektiveres Handeln, sondern auch um potentielle Ressourcenund Personaleinsparungen. In einer Sachverständigenanhörung des Innenausschusses vom 14.03.2019 regen Vertreter von GdP und BDK an, noch deutlich stärker in die Vernetzung der nordrhein-westfälischen 1 https://www.ksta.de/politik/armin-laschet-im-interview--ein-nationaler-alleingang-schafft-chaos-- 30667814 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 2 Polizeibehörden mit den niederländischen und belgischen Polizeibehörden zu investieren, und von Innovativen Lösungsansätzen außerhalb NRWs zu lernen.2 So sei die niederländische Polizei mit dem Einsatz von „mobilen Wachen“ – mit allem technischen Zubehör ausgestattete LKWs – und eigens für diesen Zweck eingerichteten Parkbuchten im Grenzbereich ein Beispiel dafür, wie Ressourcen in einem offenen Grenzbereich effektiv und kostengünstig eingesetzt werden können. Auch bei der Finanzierung gebe es gute Beispiele außerhalb NRWs. In Bad Bentheim in Niedersachsen etwa werde seit mehreren Jahren ein gut funktionierendes grenzüberschreitendes Polizeiteam aus Euregio-Mitteln mitfinanziert. Zwar gebe es beispielsweise mit Kleve den Versuch, auch in NRW ein grenzüberschreitendes Polizeiteam zu installieren, einzige Partnerin sei allerding die Koninklijke Marechaussee, während die Landespolizei Nordrhein-Westfalen und auch die Nationale Politie sich nicht beteiligten. Die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit mit Belgien sei darüber hinaus noch stark ausbaufähig. So fehle vor allem im Vergleich zur Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederladen ein ausdeklinierter Polizeivertrag, der eine dauerhafte Wirksamkeit in der Zusammenarbeit zwischen den nordrhein-westfälischen und den belgischen Polizeibehörden ermögliche. Zwar hat die Landesregierung im April 2019 eine „Erneuerte politische Erklärung der Regierungen der Mitgliedstaaten der Benelux-Union und des Landes Nordrhein-Westfalen über die weitere Entwicklung einer engen Zusammenarbeit“ unterzeichnet, die das Thema „Innere Sicherheit“ explizit aufgreift. Allerdings beschränkt sich die Erklärung in diesem Bereich auf zu großen Teilen bereits geleistete Absichtsbekundungen, sodass aus ihr keine konkreten Maßnahmen oder neue Initiativen erwachsen. Die Versprechungen der schwarz-gelben Landesregierung bleiben auch knapp zweieinhalb Jahre nach Übernahme der Regierungsgeschäfte unkonkret und die Landesregierung selbst einen Nachweis über deren Verwirklichung oder zumindest die hierzu unternommenen Anstrengungen schuldig. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2872 mit Schreiben vom 24. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Wie möchte die Landesregierung grenzüberschreitend tätige Polizei besser ausstatten? Die technische Ausstattung der Polizei NRW ist für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bedarfsgerecht. Grundsätzlich gilt, dass die Beamtinnen und Beamten mit der eigenen Ausstattung, Ausrüstung und Bewaffnung auf dem jeweils anderen Hoheitsgebiet nach Maßgabe bestehender Verträge tätig werden dürfen. Mit der Kommunikationssoftware SIENA von EUROPOL steht allen Beteiligten ein gemeinsames Instrument für den Daten- und Informationsaustausch zur Verfügung. 2 Siehe Landtag Nordrhein-Westfalen, APr 17/566 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 3 Die grenznahen Behörden schaffen die Voraussetzungen für gemeinsame Einsätze oder gegenseitige Unterstützung von Polizeimaßnahmen, bieten aber auch spezifische Fortbildungen an. Auch im Rahmen des Bachelorstudiengangs Polizeivollzugsdienst ander FHöV NRW besteht für die Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter die Möglichkeit, ein drei- bis vierwöchiges Praktikum bei einer Polizeibehörde außerhalb von Nordrhein-Westfalen zu absolvieren. Hierbei ist eine Verwendung in Polizeidienststellen in Belgien und den Niederlanden möglich. 2. Welche Pläne und Aktivitäten gibt es in der Landesregierung, um auch in NRW ein grenzüberschreitendes Polizeiteam nach dem Vorbild Bad Bentheims zu installieren? Seit mehr als zehn Jahren besteht das Grenzüberschreitende Polizeiteam in Bad Bentheim, das über drei Grenzen, nämlich Niederlande, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung und derzeit sogar unter der Geschäftsführung der Kreispolizeibehörde Borken agiert. Dieses hat sich in all den Jahren gut bewährt. Das IM NRW will dieses GPT erweitern und gemeinsam mit den niederländischen und belgischen Partnern zwei weitere GPT aufstellen und damit den gesamten belgisch / niederländisch / nordrhein-westfälischen Grenzverlauf abdecken. Erste Abstimmungen mit dem niederländischen Justiz- und Innenminister haben dazu bereits stattgefunden. 3. Wie viele Polizeibeamte, Landesbedienstete und NRW-Verbindungsbeamte wurden seit 2018 im Vergleich zu den Jahren 2012-2017 in europäische Institutionen und internationale EU-Einsätze, sowie zu den niederländischen und belgischen Polizeibehörden entsandt? (Bitte auflisten nach Fachabteilung in NRW, Fachabteilung in Zielland und Dauer der Entsendung) Die Landesregierung verfolgt das Ziel einer stärkeren Beteiligung an den europäischen Sicherheitsbehörden und hat daher die Absicht, weitere Experten aus Nordrhein-Westfalen dorthin zu entsenden. Für die Polizei werden entsprechende Stellenausschreibungen im Intranet der Polizei, sowie weitere interne Medien veröffentlicht. Bewerbungen werden insbesondere durch Unterstützung und Beratung durch das Landesamt für Aus- und Fortbildung gefördert. Die letztliche Entscheidung zur Besetzung solcher Stellen der Sicherheitsbehörden und damit die tatsächliche Beteiligung durch Nordrhein-Westfalen, werden durch die ausschreibenden Behörden und Gremien getroffen. Mit dem Korps Landelijke Politiediensten (KLPD) der Niederlande in Driebergen hat das Landeskriminalamt NRW Verbindungsbeamte ausgetauscht. Darüber hinaus sind delikts- bzw. ereignisbezogen Ansprechpartner für die strategische Ausrichtung bzw. operative Fragen zwischen den Niederlanden und NRW benannt. Ein entsprechender Prozess mit Belgien ist begonnen. Für die fachliche Koordination der grenzüberschreitenden polizeilichen Zusammenarbeit ist im IM NRW der Landeskriminaldirektor benannt, der in engem Austausch mit einem Abteilungsleiter des niederländischen Ministeriums und dem Beauftragten der Polizeieinheiten für die Zusammenarbeit mit Deutschland steht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 4 Zu einer Reihe von Polizeimissionen bzw. anderweitigen Aufgaben wurden Polizeivollzugsbeamte/innen (PVB) wie folgt entsandt: Seit 2018 zu EU-Einsätzen: EUMM Georgien 1 EUPOL COPPS 1 EUAM Ukraine 3 FRONTEX 39 Von 2012 bis 2017 zu EU-Einsätzen: 2012 2013 2014 2015 2016 2017 EULEX Kosovo 4 12 4 4 5 EUMM Georgien 3 1 1 1 1 1 EUPOL Afghanistan 3 3 3 2 EUCAP Nestor 1 EUPOL COPPS 1 1 1 UAM Ukraine 3 2 1 FRONTEX 39 37 EUCAP Niger 1 2012 - 2017 - Europäische Institutionen Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD), Brüssel 1 PVB 2008 - 2017 2 PVB 2010 - 2013 1 PVB 2011 - 2016 1 PVB 2017 - heute EUROPOL, Den Haag 1 PVB 2011 - 2016 1 PVB 2013 - 2016 1 PVB 2017 - heute Europäische Kommissariate Artikel 17ff. des „Vertrages zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität (Vertrag von Prüm)“ ermöglicht den grenzüberschreitenden Einsatz von Polizeibeamten/innen in Europa. Im Rahmen der „Europäische Kommissariate“ begleiten Polizeivollzugsbeamtinnen und - beamte (PVB) der Polizei NRW in Ferienregionen in Frankreich und Spanien oder bei besonderen Anlässen die Einsatzkräfte vor Ort. Jahr / Spanien PVB KPB NRW Einsatzorte Einsatztage 2015 6 5 4 180 2016 5 4 4 153 2017 4 3 2 117 2018 7 5 6 187 2019 8 8 4 226 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 5 Vergleichbare Maßnahmen gibt es auch zu einer Reihe von Anlässen (Nordseeurlaub, Weihnachtsmärkte, Sport- oder Kulturereignisse), die unmittelbar zwischen den Kreispolizeibehörden NRW und belgischen und niederländischen Partnern abgestimmt werden. 4. Falls eine Überprüfung der Kompetenzen der Polizei bei der Verfolgung von Straftaten jenseits der Grenzen bereits stattgefunden hat, welche nächsten Schritte ergeben sich für die Landesregierung aus den Ergebnissen dieser Überprüfung? Naturgemäß sind insbesondere die bestehenden Abkommen und Verträge (mit Belgien das Abkommen von 2000, mit den Niederlanden der Staatsvertrag von 2005) wesentliche Grundlagen der Zusammenarbeit. Mit den belgischen und niederländischen Nachbarn verbindet uns in Nordrhein-Westfalen vieles. Es bestehen große Gemeinsamkeiten in vielen gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Belangen. Zugleich gibt es auch deutliche Unterschiede, z.B. bei den Rechtssystemen. So ist zwar die Polizei bei der Strafverfolgung immer verflochten mit der Justiz, aber nie gleich. Unterschiedliche Ebenen, unterschiedliche Rechtsgrundlagen und unterschiedliche Kompetenzen erfordern intensive Abstimmungen, wie auch unterschiedliche Organisationen der Polizeien selbst, die sich in den letzten Jahrzehnten bei den benachbarten Ländern und in NRW auch mehrfach geändert haben. Wesentlich für die Kooperation ist daher der ständige Austausch. Dieser findet vorbildlich in den Arbeitsgemeinschaften der Polizeichefs statt. So feiert z.B. die NeBeDeAGPol (Niederländisch-Belgisch-Deutsche Arbeitsgruppe der Polizeichefs in der Euregio Maas- Rhein) Ende des Monats September ihr 50jähriges Bestehen. Diese Zusammenarbeit ist inzwischen nicht ausschließlich strategischer Natur, sondern stärkt auch anlassbezogen die tägliche Zusammenarbeit. Bedeutend für die Kooperation ist in dieser Euregio ebenso das Euregionale Informations und Cooperations Centrum (EPICC) in Kerkrade, das zukünftig noch um weitere Handlungsfelder erweitert werden sollte. Für eine Reihe von Kooperationsfeldern sind Ansprechpartner/innen identifiziert und benannt, um im Polizeialltag schnellstmöglich Abstimmungen und damit operative Erfolge erzielen zu können. Jahr / Frankreich PVB KPB NRW Einsatzorte Einsatztage 2012 8 7 7 170 2013 4 4 4 72 2014 6 3 3 62 2015 5 4 5 101 2016 10 6 6 153 2017 8 4 7 163 2018 7 5 7 88 2019 18 6 15 252 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7483 6 5. Inwiefern ist die Landesregierung an der Ausarbeitung eines neuen Polizeivertrags mit Belgien beteiligt? Die Federführung für die Verhandlungen und für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen obliegt dem Bund. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist neben der des Landes Rheinland-Pfalz als an Belgien angrenzendes deutsches Land an den Verhandlungen auf nationaler Ebene beteiligt. Landesintereressen werden so umfassend in die Ausgestaltung des neuen Staatsvertrages eingebracht.