LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 25.09.2019 Datum des Originals: 25.09.2019/Ausgegeben: 01.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2913 vom 29. August 2019 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7266 Kümmert sich das Land NRW umfassend um die Ermittlung und Sanierung von PFT- Belastungen der Böden und des Grundwassers durch Löschschäume in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Perfluorierte Tenside (PFT) – allgemeiner als Per- und Polyfluorierte Chemikalien (PFC) bezeichnet – sind eine Gruppe synthetisch hergestellter, persistenter organischer Stoffe, die in der Natur ausschließlich durch den Menschen bedingt vorkommen. Sie werden vielfach genutzt, zum Beispiel in der Textil- und Papierindustrie, in Galvaniken und als Feuerlöschschaummittel. PFT sind bereits in sehr geringen Konzentrationen wirksam, fortpflanzungsgefährdend und stehen in Verdacht, krebserregend zu sein." (Informationsblatt der Landeshauptstadt Düsseldorf, März 2019). Zahlreiche Fälle des Eindringens von PFT-Verbindungen in Grundwasser und Oberflächengewässer aus unterschiedlichen Quellen wurden in den letzten Jahren bekannt (z. B. Düsseldorfer Norden sowie in Möhne und Ruhr). Für die PFT-Einzelverbindungen wird mit Sicherheit eine humantoxikologische Wirkung angenommen. Daher gibt es weitgehende Anwendungsverbote bzw. -beschränkungen. Eine weit verbreitete Anwendung bestand in der Verwendung von PFT-Verbindungen in Löschschäumen. Trotz der bekannten toxikologischen Wirkung wurden noch im Jahr 2014 „bei mehreren Brandereignissen mit umfangreichem Schaummitteleinsatz zum Teil erhebliche PFOS-Grenzwertüberschreitungen im Löschwasser festgestellt." (MIK, 19.11.2014) Zahlreiche Erkundungs- und Sanierungsmaßnahmen wurden in Angriff genommen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2913 mit Schreiben vom 25. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 2 Vorbemerkung der Landesregierung Perfluorierte Tenside (PFT) bilden eine Teilmenge der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC). Sowohl die Verwendung in Löschschäumen als auch die Verbreitung in der Umwelt beschränkt sich in der Regel nicht auf die Teilmenge der PFT, sondern betrifft auch polyfluorierte Komponenten, so dass die Bezeichnung PFC zutreffend ist. Nordrhein- Westfalen hat bereits früh mit der Erarbeitung von Strategien zur Vermeidung von PFC- Einträgen und mit der Bearbeitung von PFC-Boden- und Grundwasserverunreinigungen begonnen. Im Jahre 2006 wurde in Nordrhein-Westfalen die bundesweit erste PFC-Kontamination des Bodens bekannt. Ursache war die illegale Ablagerung von PFC-kontaminierten Bioabfallgemischen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Hochsauerland, die zu außergewöhnlich hohen PFC-Belastungen in der Ruhr geführt hatten. In Abstimmung mit dem Umweltministerium wurden Maßnahmen mit Landesförderung an den Hochbelastungsflächen ergriffen, die zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führten1. Dieser Fall im Sauerland hat in Nordrhein-Westfalen ein Problembewusstsein geschaffen, das zu einer Vielzahl von Vermeidungsmaßnahmen und zu einer systematischen Bearbeitung eingetretener Schäden geführt hat. Um eine Belastung von Boden und Grundwasser zu vermeiden, wurden in Nordrhein- Westfalen bereits frühzeitig Regelungen zur sachgerechten Verwendung PFC-haltiger Schaummittel erarbeitet, die mit mehreren gemeinsamen Erlassen des Innenministeriums und des Umweltministeriums in den Jahren 2009 bis 2014 den zuständigen Bezirksregierungen, den kommunalen Brandschutzaufgabenträgern und den Unternehmen mit Werkfeuerwehren bekannt gegeben wurden. Das Bewusstsein für den unabwendbar notwendigen Einsatz PFC-haltiger Löschmittel ist bei den Feuerwehren deutlich gewachsen. Für den Großteil aller Brandfälle stehen bereits fluorfreie Schaumlöschmittel zur Verfügung. Nur noch in seltenen Fällen ist der Einsatz PFChaltiger Mittel unabwendbar notwendig, z. B. bei Bränden gefährlicher, unpolarer Flüssigkeiten. Dennoch besteht eine Vielzahl von bereits eingetretenen Schadensfällen aufgrund früherer Verwendung PFC-haltiger Löschmittel, die mit Unterstützung des Landes durch die zuständigen Bodenschutzbehörden einer systematischen Bearbeitung zugeführt werden. Sollte aufgrund aktueller Löschereignisse PFC-haltiger Löschschaum in den Boden eintreten, wird dies durch unmittelbare Untersuchungen festgestellt. Seit mehreren Jahren ermittelt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) regelmäßig im Auftrag des Umweltministeriums bei den zuständigen NRW- Vollzugsbehörden (54 Untere und 5 Obere Bodenschutzbehörden) die Anzahl und den Bearbeitungsstand der in Bearbeitung befindlichen Fälle mit Boden- und Grundwasserbelastungen aufgrund von PFC. Über den aktuellen Stand der Bearbeitung in Nordrhein-Westfalen hat das MULNV dem Landtag mit Vorlage 17/2437 am 25.07.2019 berichtet. 1 LANUV-Fachbericht 34: Verbreitung von PFT in der Umwelt. https://www.lanuv.nrw.de LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 3 1. Wie wird den Boden- und Grundwasserbelastungen durch PFT in NRW durch die Landesregierung systematisch nachgegangen? Das Land NRW stellt den zuständigen Bodenschutzbehörden fachliche Unterstützung in Form von Arbeitshilfen, Beratungsangeboten und Fortbildungsveranstaltungen sowie finanzielle Unterstützung zur Bearbeitung von Fällen mit Boden- und Grundwasserbelastungen durch per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) bereit. Die Ermittlung von Verdachtsfällen erfolgt durch die zuständigen Bodenschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Bearbeitung von schädlichen Bodenveränderungen und Altlasten. Relevante Fälle sind von den Vollzugsbehörden zu erfassen und der systematischen Bearbeitung zuzuführen. Arbeitshilfen zur Erfassung2 speziell von PFC-Fällen wurden auf Initiative des Umweltministerium Nordrhein-Westfalens länderübergreifend erarbeitet und den zuständigen Behörden bereitgestellt. Erfassungstätigkeiten und Schritte zur weitergehenden Fallbearbeitung (Bewertung und Sanierung) können durch das Umweltministerium nach der Bodenschutz- und Altlasten- Förderrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen finanziell gefördert werden. Auch durch den „AAV - Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung“ ist eine Unterstützung der Kommunen bei der Sanierung von PFC-Fällen möglich. 2. Welche konkreten Boden- und Grundwasserbelastungen mit PFT als Folge der Verwendung von Löschschaum durch die Feuerwehren sind der Landesregierung in NRW bekannt? (Bitte nach Regierungsbezirken aufschlüsseln.) 3. Sind der Landesregierung darüber hinaus konkrete PFT-Verdachtsflächen bekannt – beispielsweise durch Übungsflächen oder konkrete Löscheinsätze? (Bitte nach Regierungsbezirken aufschlüsseln.) Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. In der aktuellen Bestandsaufnahme 2019 (siehe Vorbemerkung) wurden von den Bodenschutzbehörden insgesamt 113 PFC-Fälle gemeldet. Bei 85 Fällen wurden Löschmittel bzw. vermutlich Löschmittel als Ursache erfasst. Der Bearbeitungsstand der Löschmittel bedingten PFC-Fälle ist nach Angaben des LANUV unterschiedlich. 54 der 85 gemeldeten Löschmittel-Fälle (64%) sind dem Stadium der Sachverhaltsermittlung bzw. Gefährdungsabschätzung zuzuordnen (laufend, abgeschlossen). Bei Fällen mit noch nicht abgeschlossener Gefahrenbeurteilung handelt es sich um Verdachtsfälle. Dies sind Fälle mit laufender Sachverhaltsermittlung oder laufender Gefährdungsabschätzung. Sechs Fälle befinden sich in der Sanierungsuntersuchung oder – planung (7%). In weiteren 25 Fällen wurden bzw. werden Sanierungen durchgeführt (29%). 2 LFP (2016): Boden- und Grundwasserkontaminationen mit PFC bei altlastverdächtigen Flächen und nach Löschmitteleinsätzen - Kriterien für die Erfassung und historische Erkundung von Boden- und Grundwasserkontaminationen mit PFC – Länderübergreifende Arbeitshilfe (Projektstufe 1) (http://www.laenderfinanzierungsprogramm.de/projektberichte/labo/ Projekt B4.14) LFP (2017): Boden- und Grundwasserkontaminationen mit PFC bei altlastverdächtigen Flächen und nach Löschmitteleinsätzen - Durchführung und Ergebnisse zu exemplarischen flächendeckenden und systematischen Erfassungen und standortbezogenen Erhebungen (Projektstufe 2) (http://www.laenderfinanzierungsprogramm.de/projektberichte/labo/ Projekt B4.15) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 4 Nachfolgende Tabelle liefert eine Übersicht über die 85 Löschmittel bedingten PFC-Fälle: Tab. 1: Löschmittel bedingte PFC-Fälle in Nordrhein-Westfalen (Quelle: Erhebung des LANUV auf Grundlage bei den zuständigen Bodenschutzbehörden, Stand Feb. 2019) Anzahl Fälle (mit Löschmittelbezug) Regierungsbezirk / Bearbeitungsstand Gefährdungsabschätzung oder Sachverhaltsermit tlung Sanierungsuntersuchung / -planung Sanierung Arnsberg 4 0 4 Detmold 3 0 1 Düsseldorf 17 6 5 Köln 13 0 12 Münster 17 0 3 Summe 54 6 25 Über die von den Bodenschutzbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen gemeldeten Fälle hinaus gibt es weitere Verdachtsfälle auf Standorten der Bundeswehr. Diese Fälle werden zunächst von den Bundeswehr-Behörden erfasst, orientierend untersucht und im Anschluss den zuständigen Bodenschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte zur weiteren Abstimmung und Bearbeitung gemeldet. 4. Welche konkreten Fälle von erfolgten und laufenden PFT- Grundwassersanierungen sind der Landesregierung bekannt? (Bitte nach Regierungsbezirken aufschlüsseln.) Der Stand der laufenden und abgeschlossenen PFC-Sanierungen bei von Löschmittelschäden stellt sich auf Grundlage der oben beschriebenen Datenerhebung wie folgt dar: Tab. 2: Verteilung der Löschmittel bedingten PFC-Sanierungsfälle in Nordrhein-Westfalen (Quelle: Erhebung des LANUV auf Grundlage bei den zuständigen Bodenschutzbehörden) Anzahl Fälle (mit Löschmittelbezug) Regierungsbezirk / Bearbeitungsstand Laufende Sanierung Abgeschlossene Sanierung Arnsberg 2 2 Detmold 0 1 Düsseldorf 5 0 Köln 7 5 Münster 3 0 Summe 17 8 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 5 Bei acht Fällen ist die Sanierung abgeschlossen. Bei den abschließend sanierten Fällen handelt es sich ausschließlich um Bodensanierungen durch Bodenaustausch. Bei den 17 laufenden Sanierungsfällen handelt es sich um laufende Grundwassersanierungen oder laufende Bodensanierungen. Grundwassersanierungen gestalten sich in der Regel als komplex und benötigen viele Jahre bis zu ihrem Abschluss. 5. Stellt das Land NRW Zuwendungen für PFT-Gefährdungsabschätzungen und - Sanierungen zur Verfügung? (Bitte für die letzten fünf Jahre benennen und nach Regierungsbezirken aufschlüsseln.) Das Land gewährt den zuständigen Behörden Zuwendungen nach der Bodenschutz- und Altlasten-Förderrichtlinie des Umweltministeriums3. Die Förderung von PFC- Gefährdungsabschätzungen und –sanierungen unterliegt denselben Regeln wie Fälle anderer Schadstoffe. Gemeinden, Gemeindeverbände, juristische Personen bei kommunaler Mehrheitsbeteiligung und Eigenbetriebe können für Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen Fördermittel nach der Bodenschutz- und Altlasten-Förderrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten. Dies ist dann möglich, wenn Grundstückseigentümer oder Verursacher die erforderlichen Maßnahmen nicht durchführen können und deshalb die erforderliche Gefahrenabwehr ersatzweise von der Kommune durchgeführt werden muss oder sich die betreffende Fläche in der Verantwortung der Kommune befindet. Der „AAV - Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung“ fördert Sanierungsmaßnahmen ebenso unter diesen Voraussetzungen. Zusätzlich fördert das Umweltministerium Erfassungstätigkeiten auch bei PFC-Fällen nach der Bodenschutz- und Altlasten-Förderrichtlinie. Im Bereich PFC hat das Umweltministerium bereits 2007 die Sanierung der Hochbelastungsflächen in Scharfenberg (Hochsauerlandkreis) und Rüthen (Kreis Soest) finanziell gefördert. Der Betrieb der Wasseraufbereitungsanlage in Scharfenberg wird seitdem jährlich durch das Land gefördert. Zudem wurde auf Antrag der zuständigen Vollzugsbehörden eine Vielzahl von PFC-Fällen aufgrund des Einsatzes von Löschmitteln oder aufgrund von Altlasten infolge betrieblicher Anwendung finanziell gefördert. Die Förderungen nach der Bodenschutz- und Altlasten- Förderrichtlinie des Landes in den letzten fünf Jahren sind nachfolgend dargestellt: Tab. 3: Zuwendungen des MULNV NRW für PFC-Fälle nach der Bodenschutz- und Altlasten-Förderrichtlinie des Landes NRW seit 2014 Regierungs-bezirk Fördertatbestand Zuwendungsbetrag Jahr Arnsberg Sanierung4 56.000 € 2014 Sanierung4 112.000 € 2015 Sanierung4 56.000 € 2017 Sanierung4 112.000 € 2018 Machbarkeitsstudie 56.000 € 2019 3 https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=7&ugl_nr=74&bes_id=29624&val=29624&ver=7&sg=0&aufgeh oben=N&menu=1 4 Betriebskosten der laufenden Sanierung in Scharfenberg, Hochsauerlandkreis LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7489 6 Münster Gefährdungsabschätzung 44.750 € 2014 Gefährdungsabschätzung 44.000 € 2015 Düsseldorf Orientierende Untersuchung 66.218 € 2014 Gefährdungsabschätzung 71.360 € 2015 Gefährdungsabschätzung 24.000 € 2016 Gefährdungsabschätzung 138.152 € 2016 Sanierungsuntersuchung 278.522 € 2016 Orientierende Untersuchung 131.056 € 2018 Summe (2014-2019) 1.190.058 €