LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7501 26.09.2019 Datum des Originals: 25.09.2019/Ausgegeben: 02.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2921 vom 30. August 2019 des Abgeordneten Martin Börschel SPD Drucksache 17/7274 Geplante Kürzungen bei der Polizei Köln stoppen – Dezentrale Strukturen und Milieukenntnisse müssen erhalten bleiben Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Durch die Antworten des Innenministers auf die Kleine Anfrage des Unterzeichners (DS-Nr. 17/6877) wird klar, dass es durch die geänderte Schwerpunktsetzung des Innenministeriums im Bereich des Polizeipräsidiums Köln zu einer deutlichen Umstrukturierung und Neuorganisation kommen soll. In Folge dieser Umstrukturierung ist eine weitreichende Zentralisierung der bezirklichen Schwerpunktdienste und Einsatztrupps (Zivilfahnder) in deutlich weniger Polizeiinspektionen geplant. So werden zukünftig die Schwerpunktdienste und Einsatztrupps nicht mehr aus den Polizeiinspektionen Mülheim/Deutz (PI 5), Sülz/Rodenkirchen (PI 2), Chorweiler/Nippes (PI 4) und Leverkusen (PI 7) geführt und von dort abgezogen. Als Teil dieser Umstrukturierung plant die Polizeiführung ebenfalls eine Reduzierung der Einheiten um insgesamt 65 Planstellen. Diese Verluste sollen durch mutmaßliche Synergieeffekte in personell stärkeren Einheiten aufgefangen werden. Die erfolgreiche Stärkung der sozialraumorientierten Polizeiarbeit mit einer signifikanten Reduzierung der Kriminalität, die im Zuge der Polizeireform vor rund 15 Jahren beschlossen wurde, würde durch diese Umstrukturierung zurückgedreht. Ziel dieses Ansatzes war es, die bürgernahe, sozialraumorientierte Polizeiarbeit zu stärken und mehr Möglichkeiten für die Kooperation mit dem Ordnungsamt aber auch sozialen Diensten (Streetworker etc.) zu schaffen. Ebenso würde durch den Abzug aus vier Polizeiinspektionen jahrelang erworbenes Wissen über Personen und Plätze in den Bezirken verloren gehen. Kritisch bleibt auch, wie die Einheiten durch die höhere Mobilität und gesunkene Ortsbindungen zukünftig noch tiefgehendes Wissen aufbauen sollen. Entlarvend ist in diesem Zusammenhang die Antwort des Innenministers ("Für eine valide Bewertung wäre eine fundierte Wirkungsevaluation erforderlich"), zumal den geplanten LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7501 2 Kürzungen offensichtlich selbst keine fundierte Wirkungsevaluation zugrunde liegt. Anscheinend sind dem Innenminister allerdings Wirkungsanalysen, die sein eigenes Ministerium seinerzeit in Auftrag gegeben hatte, nicht bekannt: Nach dem damaligen Modellprojekt in der Polizeiinspektion 1 (Mitte) im Jahr 2004 wurde im Jahr 2006 eine wissenschaftliche Evaluation der Neuorganisation des Polizeipräsidiums Köln von Professor Jürgen W., Fernuniversität Hagen im Auftrag des Innenministeriums durchgeführt. Der Gutachter stellte das "PI-Mitte-Modell" auch aus der Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "als (nahezu) glänzenden Erfolg" dar (S. 96 des Gutachtens) und empfahl die Übertragung auf die anderen Kölner Polizeiinspektionen1. Danach ist nach Kenntnis des Unterzeichners keine vergleichbare wissenschaftliche Evaluation mehr erfolgt. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 2921 mit Schreiben vom 25. September 2019 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Auf Basis welcher fundierten Wirkungsevaluation erfolgen die Kürzungs- und Umstrukturierungspläne? Im Rahmen der dezentralen Verantwortung setzten die Behördenleitungen die zur Verfügung stehenden Ressourcen nach vorangegangener örtlicher Sicherheitsanalyse sowie unter Einbeziehung behördlicher und landesweiter Zielsetzungen für eine fach- und sachgerechte Aufgabenwahrnehmung ein. Umfasst sind grundsätzlich auch organisatorische Entscheidungen. Um diesen Prozess zu gewährleisten, bedienen sich die Kreispolizeibehörden (KPB) dem landesweit einheitlich vorgegebenen Instrument der Steuerung über Sicherheitsprogramme und -bilanzen. In der dort anzuwendenden Methodik Plan-Do-Check-Act (PDCA) ist eine Wirkungsevaluation von vornherein angelegt und Teil des Bilanzierungsprozesses, auf den gegebenenfalls Anpassungen erfolgen. 2. Welche Veränderungen haben sich aus Sicht der Landesregierung auf Basis welcher Analysen gegenüber den Erkenntnissen des Gutachtens von Professor W. aus dem Jahr 2006 ergeben? Mit dem Modellversuch „Andere Führungsstrukturen“ in den Polizeipräsidien (PP) Köln und Aachen begann im Jahr 2004 eine Entwicklung der Veränderung und Modernisierung der Binnenstrukturen der KPB in Nordrhein-Westfalen (NRW). Wesentliches Ergebnis war die Herausbildung eines Organisationsprinzips, welches auf einer kernaufgabenorientierten Aufbauorganisation und damit einer Gliederung in Direktionen basiert. Dieses Aufbauprinzip hat in den KPB des Landes NRW weiterhin Gültigkeit und wurde zuletzt durch die Expertenkommission „Bürgernahe Polizei - Den demographischen Wandel gestalten“ bestätigt.2 1Jürgen W., Andere Führungsstrukturen in Polizeipräsidien. Wissenschaftliches Evaluationsgutachten zum Modellversuch der Polizeipräsidien Aachen und Köln, Hemer 2006 (unveröffentlicht) 2 Bürgernahe Polizei – Den demographischen Wandel gestalten, Ergebnisbericht der Expertenkommission, Hilden, Juni 2015 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7501 3 3. In der Antwort der Landesregierung (DS-Nr. 17/6832) heißt es, dass die Bezirksdienste trotz der Zentralisierung in Kalk auch weiterhin regional angebunden sein sollen. Durch welche Maßnahmen soll das konkret erreicht werden? Nach dem zurzeit bekannten Planungsstand beabsichtigt das PP Köln die Zusammenführung und organisatorische Anbindung der Bezirks- und Schwerpunktdienste (BSD) in den Polizeiinspektionen (PI) 1, 3 und 6 unter Reduzierung der Gesamtstärke um 25 Planstellen aus dem Arbeitsbereich der Schwerpunktdienste. Der Anteil der Bezirksdienstbeamten ist davon nicht betroffen (DS-Nr. 17/7089, Vorbemerkung der Landesregierung). Die Planstellen für die Beamtinnen und Beamten des Bezirksdienstes sind in der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung (BKV 2019) mit 124,6 Planstellen im Stellensockel ausgewiesen. Im PP Köln sind mit Stand 31.08.2019 130,12 Planstellen für den Bezirksdienst besetzt. Diese Planstellen bleiben von der Umstrukturierung unberührt. 4. Welche konkreten Synergieeffekte werden durch die Zusammenführung zu personell stärkeren Einheiten erwartet, ohne dass bei sinkender lokaler Anbindung die nötigen Milieukenntnisse und das Täterwissen verloren gehen sowie zukünftig neues Wissen aufgebaut werden kann? Die zentrale Bündelung von Polizeikräften in Schwerpunktdiensten soll die Koordinierung und Verfügbarkeit größerer Personalstärken gewährleisten, um Schwerpunkteinsätze effektiver bewältigen zu können und damit den Wach- und Wechseldienst nicht zusätzlich mit der Wahrnehmung von Schwerpunkteinsätzen zu belasten. Festzustellen ist hierbei, dass es sich um die Zentralisierung von Beamtinnen und Beamten des Schwerpunktdienstes und der Einsatztrupps an drei Standorten des PP Köln handelt, die nicht nur im Bereich ihrer Dienststandorte, sondern überregional für die Bereiche aller sieben PI tätig werden. Die Bezirksdienstbeamtinnen und -beamten bleiben den ihnen persönlich zugewiesenen Bezirken erhalten und können ihrer eigentlichen Aufgabe als Bezirksdienstbeamte durch die spürbare Entlastung von Schwerpunktaufgaben intensiver nachgehen. Der Verlust von Milieukenntnissen ist durch die beabsichtigte Organisationsänderung grundsätzlich nicht zu erwarten. Die Bezirksdienstbeamten sowie die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes bleiben den Polizeiinspektionen erhalten und die Bereiche werden weiterhin umfassend durch Schwerpunktkräfte aus drei Dienststandorten heraus betreut. 5. Welche präventive bezirkliche Polizeiarbeit ist künftig für den Wiener Platz oder das Gebiet um die Keupstraße in Köln-Mülheim vorgesehen (bitte nach Planstellen und vorab planbaren - also unabhängig von Notrufen - Präsenz- bzw. Einsatzzeiten aufschlüsseln)? Auch nach Zentralisierung von Beamtinnen und Beamten des Schwerpunktdienstes sieht das Polizeipräsidium Köln künftig Schwerpunkteinsätze unter anderem in Köln-Mülheim vor. Diese werden durch die zentralisierten Schwerpunktdienste, die Einsatztrupps und das Präsenzteam des PP Köln ggf. mit Unterstützung der Bereitschaftspolizei durchgeführt. Für die einzelnen Bezirke stehen nach wie vor die eingesetzten Bezirksdienstbeamtinnen und -beamte zur Verfügung. Die PI 5 verfügt über 15 Bezirksdienstbeamtinnen/-beamte, von denen neun dem Standort Köln-Mülheim zugeordnet sind. Die Bezirksdienstbeamtinnen und -beamte werden von einer Umstrukturierung nicht betroffen sein.