LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7504 26.09.2019 Datum des Originals: 26.09.2019/Ausgegeben: 02.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2898 vom 29. August 2019 der Abgeordneten Herbert Strotebeck und Nic Vogel AfD Drucksache 17/7248 NRW-Minister mit Abgeordnetenmandat – Fehlende Gewaltenteilung in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Überhaupt überrascht es, dass Regierungsmitglieder in Deutschland gleichzeitig noch Abgeordnete sein können. Mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung ist das kaum zu vereinbaren […].“1 Diese Feststellung stammt von Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen gibt es gleich sechs Minister (Hr. Laschet2, Hr. Stamp, Hr. Lienenkämper, Fr. Gebauer, Hr. Biesenbach und Hr. Wüst), welche neben ihrem Amt als Minister auch noch ein Landtagsmandat besitzen. Damit bilden sechs Politiker im Landtag in Personalunion Legislative und Exekutive. Im NRW-Abgeordnetengesetz ist geregelt, dass diese Personen ihre Abgeordnetenbezüge um 57,20 Prozent gekürzt erhalten.3 Das Parlament in NRW wird als „Vollzeitparlament“4 bezeichnet. Ebenso ist davon auszugehen, dass das Amt eines Ministers in NRW im Regelfall ebenfalls in „Vollzeit“ ausgeübt wird. Minister, welche zugleich Abgeordnete sind, haben dementsprechend (in der Theorie) gleichzeitig zwei „Vollzeitaufgaben“ für die Bürger in NRW auszuüben. 1 Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim: Die Bezahlung von Politikern, Art, Höhe und Verfahren. In: Recht und Politik 3/2014, Seite 144 2 Der Ministerpräsident in NRW ist, anders als die Fachminister, laut Artikel 52 der Landesverfassung aus der Mitte des Landtages zu wählen. 3https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=1&bes_id=7204&anw_nr=2&aufgehoben=N& det_id=399109 4 https://www.welt.de/print/wams/nrw/article13863981/Macht-s-doch-halbtags.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7504 2 Mit der Frage, ob der Landtag NRW nicht auch mit weniger Abgeordneten vollständig arbeitsfähig wäre, beschäftigte sich das NRW-Parlament 2017 im Rahmen des AfD-Antrags „Verkleinerung des Landtags NRW“5. Der Abgeordnete der CDU sprach sich im Rahmen der Plenardebatte gegen eine Verkleinerung aus: „Wir Abgeordneten haben einen vollen Terminkalender, insbesondere in den Sitzungswochen hier im Landtag. Wenn ich als Beispiel meinen recht großen ländlichen Wahlkreis betrachte, […], kann ich mich nicht über Arbeitsmangel vor Ort beklagen. […]“6 Auf der Internetpräsenz des NRW-Landtags wird der Bürger informiert: „Nach dem Prinzip der Gewaltenteilung wird die Staatsgewalt durch die drei Gewalten Gesetzgebung (Legislative), vollziehende Gewalt (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) wahrgenommen, die sich gegenseitig kontrollieren bzw. einschränken.“7 Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim urteilt (in Bezug auf Baden-Württemberg): „Wie wenig Minister und selbst die Regierungschefs das Prinzip [der Gewaltenteilung] aber ernst nehmen, demonstrieren sie, wenn sie Sitz und Stimme auch im Landtag einnehmen und dort – zusätzlich zu ihren Regierungsbezügen – Diäten kassieren. […] Abgeordneten aus dem öffentlichen Dienst ist es verboten, noch in der Verwaltung tätig zu sein. Da ist es geradezu paradox, dass ihre obersten Chefs, die Minister, bei denen viel massivere Interessenkollisionen drohen, bei sich selbst sämtliche Augen zudrücken. […] Wie aber soll jemand zwei Vollzeitberufe gleichzeitig ausüben können?“8 9 Der Ministerpräsident hat die Kleine Anfrage 2898 mit Schreiben vom 26. September 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit den übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. 1. Wie stehen die NRW-Minister zum Konzept der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative? 2. Was spricht aus Sicht der Landesregierung dagegen, Legislative und Exekutive in NRW ab der nächsten Wahlperiode strikt(er) zu trennen? 3. Wie viele Stunden planen die sechs Abgeordneten in der NRW-Landesregierung durchschnittlich wöchentlich in der Sitzungszeit für ihre Ministerarbeit ein? (Bitte aufschlüsseln nach Minister) 4. Warum legen die entsprechenden Minister ihr Landtagsmandat nicht nieder und geben so den Weg frei für einen Abgeordneten, der sich „in Vollzeit“ um das Mandat kümmern kann? 5. Welche Interessenkollisionen hatten die NRW-Minister mit Abgeordnetenmandat von 2017 bis heute? (Bitte aufschlüsseln nach Minister) 5 www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-1126.pdf 6 www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMP17%2F13|35|41 7 www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_II/II.1/Oeffentlichkeitstsarbeit/lexikon.jsp?k=G 8 Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim: Selbstbedienung in Südwest-Manier, 2017, Seite 38 f. 9 Anmerkung: Auch in NRW gilt laut Abgeordnetengesetz: „Ein in den Landtag gewählter Beamter bzw. eine Beamtin im Sinne des § 1 des Landesbeamtengesetzes, der bzw. die Dienstbezüge erhält, scheidet mit dem Beginn der Mitgliedschaft im Landtag aus seinem bzw. ihrem Amt aus.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7504 3 Die Fragen 1 bis 5 werden mit Rücksicht auf den bestehenden Sachzusammenhang gemeinsam beantwortet. Die Landesverfassung ist durch ein klug austariertes System der Gewaltentrennung, wechselseitigen Gewaltenkontrolle aber auch Gewaltenverschränkung gekennzeichnet. Den Fragestellern dürfte bekannt sein, dass der Ministerpräsident gemäß Art. 52 Abs. 1 der Landesverfassung aus der Mitte des Landtags gewählt wird. Insofern setzt die Landesverfassung voraus, dass der Ministerpräsident zugleich über ein Abgeordnetenmandat verfügen muss. Vor dem Hintergrund dieser Wertentscheidung unserer Verfassung besteht keine Veranlassung, insbesondere keine verfassungsrechtliche Veranlassung, dass Mitglieder der von mir geführten Landesregierung ihr Abgeordnetenmandat niederlegen. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sind Interessenkollisionen zwischen dem Ministeramt und dem Abgeordnetenmandat nicht ersichtlich. Zudem würden diese in praktischer Konkordanz ausgeräumt werden, wobei die Landesregierung, etwa durch die Berufung der Ministerehrenkommission, sachgerechte und bewährte verfahrensmäßige Vorkehrungen hierfür getroffen hat. Soweit die Mitglieder der Landesregierung nach Art. 53 der Landesverfassung den Amtseid leisten, ihre ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen zu widmen, geschieht dies im Lichte der Wertentscheidung des Art. 52 Abs. 1 der Landesverfassung. Die Mitglieder der Landesregierung setzen ihre Arbeitskraft daher u.a. nach Maßgabe der Kriterien der Sachgerechtigkeit sowie Bedeutsamkeit der jeweiligen Angelegenheit ein und folgen nicht vordergründigen, formellen Vorgaben einer nicht zielführenden Stundenquotierung.