LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/7563 02.10.2019 Datum des Originals: 02.10.2019/Ausgegeben: 09.10.2019 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2897 vom 28. August 2019 der Abgeordneten Sigrid Beer und Matthi Bolte-Richter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7246 Was tut die Landesregierung, um die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsmaßnahmen zu erhalten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Bundesfinanzminister plant eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Im jetzt gültigen Umsatzsteuergesetz wird unter § 4 aufgezählt, welche Umsätze steuerfrei sind. Nr. 22 Buchstabe a dazu lautet: „die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.“ Diese Regelung ist für die gemeinwohlorientierte Weiterbildung, die in Nordrhein-Westfalen eine weit größere Bedeutung hat, als in anderen Bundesländern, von existenzieller Bedeutung. Nun hat der Bundesfinanzminister dem Bundeskabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Streichung der Nr. 22 Buchstabe a vorsieht. Versteckt ist diese Änderung im „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“. In der Gesetzesbegründung wird zwar darauf verwiesen, dass die Umsatzsteuerbefreiung durch die Neufassung der Nr. 21 gewährleistet bleibe. Das entspricht aber nicht dem Text des Gesetzentwurfes, weil dort lediglich von Bildungsleistungen zu beruflichen Zwecken die Rede ist und damit bei weitem nicht das Spektrum der gemeinwohlorientierten Weiterbildung abgedeckt wird. Auf Nachfrage erklärte das Bundesfinanzministerium, dass ein Ministeriumsschreiben an die Finanzämter klarstellen werde, dass die Umsatzsteuerbefreiung erhalten bleibe. Diese Aussage irritiert, da LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7563 2 Verwaltungsanweisungen eines Ministeriums sich auf das Gesetz beziehen müssen und nichts beinhalten dürfen, was nicht auch im Gesetz als rechtliche Grundlage festgelegt ist. Das Bundeskabinett hat dem am 31. Juli 2019 zugestimmt, der Finanzausschuss des Bundesrates berät am 5. September 2019, der Bundesrat selbst am 20. September 2019. Die Zeit ist also knapp, eine fatale Änderung der Finanzierungsgrundlage der gemeinwohlorientierten Weiterbildung zu verhindern. Der Minister der Finanzen hat die Kleine Anfrage 2897 mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. 1. Teilt die Landesregierung die Sorge, dass eine Streichung von § 4 Nr. 22 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz die Finanzierungs-grundlage der gemeinwohlorientierten Weiterbildung belastet? 3. Welche Schritte hat die Landesregierung gegenüber dem Bundesfinanzministerium unternommen, um eine Streichung von § 4 Nr. 22 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz zu verhindern? Die Fragen 1 und 3 werden zusammen beantwortet: Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Umsatzsteuergesetzes für die Umsatzsteuerbefreiung von Unterrichtsleistungen setzen die Vorgaben aus dem Unionsrecht und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs um. Auch im Unionsrecht sind die Bedingungen für die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsmaßnahmen in einer Vorschrift zusammengefasst. Eine Schlechterstellung ist mit der technischen Zusammenfassung der Vorschriften nicht verbunden, da lediglich die bereits gültige Regelung des Abschnitt 4.22. 1 Absatz 2 Umsatzsteuer-Anwendungserlass(UStAE) in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde. Insoweit wird die Finanzierungsgrundlage der gemeinwohlorientierten Weiterbildung nicht betroffen sein. Vielmehr sind auch in Zukunft Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art von der Umsatzsteuer befreit, soweit sie den Vorgaben des UStAE entsprechen. Dazu zählen Veranstaltungen, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Leistungen zu qualifizieren sind. Möglicherweise sind mit Wirksamwerden der neuen Regelungen zusätzliche einzelfallbezogene Überprüfungen der Einrichtungen und ihrer Angebote zur umsatzsteuerlichen Bewertung notwendig. Wie der Gesetzesbegründung der Bundesregierung zu entnehmen ist, bleibt die Umsatzsteuerbefreiung durch die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG gewährleistet. Hinsichtlich der Neuregelungen zur Umsatzsteuerbefreiung von Unterrichtsleistungen enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung den Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen, das Inkrafttreten auf den 1. Januar 2021 hinauszuschieben. Hintergrund ist, dass der Europäische Gerichtshof voraussichtlich im kommenden Jahr noch einmal die Gelegenheit haben wird, zu dem Begriff des umsatzsteuerbefreiten Unterrichts Stellung zu nehmen. Wenn diese Klarstellung des EUGH in 2020 vorliegt, können sich hieraus ergebende Änderungen noch vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2021 berücksichtigt werden. Außerdem setzt sich die Landesregierung - gemeinsam mit anderen Ländern - im Bundesrat dafür ein, hierbei die europarechtlichen Möglichkeiten für eine Steuerbefreiung der Bildungsund Schulungsmaßnahmen vollumfänglich auszuschöpfen und fordert die Bundesregierung auf, ggf. Nachbesserungen vorzunehmen. Dahingehend wird auf den Beschluss des Bundesrates vom 20. September 2019 (Drucksache 356/19 (B), hier insbesondere Ziffer 56) verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/7563 3 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzämter keine andere rechtliche Grundlage als den Gesetzestext haben kann? Im Bundessteuerblatt veröffentlichte Schreiben des Bundesfinanzministeriums geben eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Auslegung des Gesetzes wieder. Sie gehen daher bereits dem Grunde nach nicht über gesetzliche Regelungen hinaus. Als Verwaltungsanweisungen dienen sie der einheitlichen Anwendung des Umsatzsteuerrechts durch die Steuerverwaltung. 4. Welche Schritte hat die Landesregierung unternommen, um im Bundesrat eine Mehrheit gegen die Streichung von § 4 Nr. 22 Buchstabe a Umsatzsteuergesetz zu erwirken? Im Hinblick auf die unionsrechtskonforme Zusammenfassung der Vorschriften zur Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen besteht kein Anlass für eine Änderung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung. 5. Welche weiteren Schritte behält sich die Landesregierung vor, um gegen die Gesetzesänderung vorzugehen, angesichts der Tatsache, dass die Gesetzesbegründung von einem Weiterbestehen der Umsatzsteuerbefreiung ausgeht, was sich aber im Gesetzestext nicht wiederfindet? Die in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie enthaltenen Begriffe von Unterricht und Bildung sind sog. autonome Begriffe des Unionsrechts, die im Gesetzentwurf enthalten und durch die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zutreffend nach dem aktuellen Rechtsstand ausgelegt werden. Weitergehende Schritte sind insoweit in Bezug auf die vorliegende Gesetzesbegründung nicht geboten.